Bundeskunsthalle in Coronazeiten „Es hängt alles ein bisschen in der Luft“

Bonn · Die Corona-Krise hat zu großen Verschiebungen in der Bundeskunsthalle geführt. Die designierte Intendantin der Bundeskunsthalle Eva Kraus spricht im GA-Interview über verschobene Ausstellungen und erste Pläne.

 „Ich konzipiere sehr gerne, gestalte gerne“: Die neue Chefin der Bundeskunsthalle Eva Kraus freut sich auf Bonn und ihr Team.

„Ich konzipiere sehr gerne, gestalte gerne“: Die neue Chefin der Bundeskunsthalle Eva Kraus freut sich auf Bonn und ihr Team.

Foto: Benjamin Westhoff

Die Corona-Krise hat zu größeren Verschiebungen in der Bundeskunsthalle geführt. Seit Januar arbeitet die Kulturmanagerin Eva Kraus, designierte Intendantin des Hauses, hinter den Kulissen an der Feinplanung. Mit ihr, die am 1. August offiziell in Bonn antritt, sprach Thomas Kliemann.

Sie sind mit einem Bein noch in Nürnberg, mit dem anderen bereits in Bonn. Offiziell starten Sie am 1. August. Seit wann sind Sie in die Planungen der Bundeskunsthalle involviert?

Eva Kraus: Seit Januar war ich einmal pro Woche, immer freitags, in Bonn. Während der Corona-Krise haben wir über digitale Medien konferiert. Dadurch dass wir uns im Vorfeld bereits  häufig ausgetauscht hatten, lief die Kommunikation gut. Wir haben intensiv die großen Leitlinien des Hauses besprochen, über frei werdende Slots und Ausstellungs-Verschiebungen diskutiert.

Bleiben wir mal bei den großen Linien des Hauses. Das Konzept, ein möglichst breites Angebot mit Kulturthemen und Wissenschaftsgeschichte, alter und aktueller Kunst ist bald 30 Jahre alt. Funktioniert das noch?

Kraus: Ich meine, ja. Ich finde es gut, wenn es ein breites Angebot gibt. Es sollte für jeden etwas dabei sein. Gerne werde ich die wichtigsten Linien meines Vorgängers Rein Wolfs fortsetzen. Das Interdisziplinäre, Spartenübergreifende reizt mich. Die große Bandbreite finde ich gut. Dabei geht es nicht nur um die einzelne Ausstellung, sondern um die Dramaturgie des ganzen Jahres sowie die vielen Veranstaltungen und „Nebenschauplätze“. Durch die Verschiebungen gibt es jetzt leider auch ein paar Unwägbarkeiten, die wir bearbeiten müssen. Wir haben in der Planung darauf geachtet, dass das Angebot 2021 und 2022 weit gefächert wird. Und ich darf mich schon in diesem Herbst mit einer Ausstellung  präsentieren.

Verraten Sie uns, was das sein wird?

Kraus: Zwischen der Ausstellung über Max Klinger und dem Jerusalem-Porträt möchte ich „Dress Code“ zeigen, etwas Erfrischendes, ein Stück Alltagskultur. Mode ist ein Thema, das mich auch persönlich sehr interessiert. Es geht darum: Wie zeige ich mich, wie möchte ich gesehen werden und wie  wird mit der Mode seit dem Thema der „Noblesse oblige“ im Barock bis zu den Codes der Gegenwart gespielt? Der Anzug als Arbeitsinstrument und Repräsentationsimperativ!

Ist das eine Eigenproduktion?

Kraus: Nein, das ist eine große Ausstellung mit Leihgaben aus dem Kyoto Costume Institute in Japan, die gemeinsam mit dem MoMAK (Museum of Modern Art Kyoto) entwickelt wurde. Große Modehäuser sind daran beteiligt. Etliche Künstler der bildenden Kunst haben sich mit dem Thema befasst, zum Beispiel Cindy Sherman und Hans Eikelboom, der hier in Bonn eine ganz neue Serie machen wird. Er analysiert die Standards und auch inwieweit man sich „verkleidet“ – ein großes Thema in dieser Region. Die Ausstellung ist intelligent gemacht, es werden alltägliche Phänomene untersucht, die komplexer sind als man denkt.

Wie kamen Sie drauf?

Kraus: Ich bin eine leidenschaftliche Japanreisende und habe in Nürnberg mal eine große Ausstellung über japanische Ästhetik gemacht. Das Thema fasziniert mich sehr. Die Ausstellung  tourt noch durch Japan und kommt exklusiv nach Europa – in die Bundeskunsthalle nach Bonn.

Ist das die einzige zu füllende Lücke im Jahr 2020?

Kraus: Ich hoffe, ja: Wir wissen immer noch nicht wie und ob die Transporte aus Übersee funktionieren. Infrage stehen auch Kurierreisen, denn wichtige Werke müssen begleitet werden. Wir erwarten hierfür  einige Personen aus Japan. Es hängt alles ein bisschen in der Luft, aber wir arbeiten daran.

Sie sagten, Sie müssten Ausstellungen verschieben?

Kraus: Statt im September  zeigen wir „Dress Code“ und „Klinger“ ab Oktober. .„Jerusalem“ ist in den Dezember verschoben.

Mussten Sie durch Corona und die Folgen auch Ausstellungen absagen?

Kraus: Bis jetzt noch nicht. Aber es haben sich coronabedingt 2021 zwei große Lücken aufgetan, die jetzt neu besetzt werden. Ich freue mich jedoch darauf, dass ich dadurch die Chance bekomme, eigene Setzungen zu machen.

Womit?

Kraus: Es ist leider noch einen Tick zu früh, etwas verraten zu dürfen.

Werden Sie denn auch kuratorisch tätig sein, eigene Ausstellungen machen?

Kraus: Ich konzipiere sehr gerne, gestalte gerne das Erscheinungsbild, die Architektur, das Display und die Inszenierung der Kunst mit, aber es gibt tolle Expertinnnen hier am Haus... Ich kooperiere lieber.

Verraten Sie uns Pläne für 2021 in der Bundeskunsthalle?

Kraus: Nur so viel: Anfang des Jahres werden wir eine Ausstellung zeigen, an der alle sieben Kuratorinnen der Bundeskunsthalle beteiligt sind. Das Thema sollte ich noch für mich behalten. Wir haben die Chance, uns dadurch direkt zu Beginn gut kennenzulernen und unsere Arbeitsweisen und Talente zu vereinen.

Ein halbes Dutzend ausschließlich weiblicher Kuratorinnen, eine Intendantin. Denken Sie daran, auch mal einen Mann ins Team zu holen? Vielleicht der Quote wegen?

Kraus: (Lacht) Nicht bewusst. Wenn es sich anbietet, gerne!

Wie halten Sie es mit Kooperationen mit Bonner Institutionen?

Kraus: Ich arbeite sehr gerne kooperativ, finde hier attraktive Institutionen, mit denen man sicherlich gut zusammenarbeiten kann. Mit Stephan Berg vom Kunstmuseum und Fatima Hellberg vom Kunstverein habe ich mich zum Beispiel schon getroffen.

Ihr Büro ist noch ziemlich kahl. Wie werden Sie es einrichten?

Kraus: Zum Glück ist das Büro noch leer. Bald werden sich nämlich die Unterlagen auf meinem Schreibtisch in die Höhe türmen! Ich  besitze persönlich zwei riesige Werke, die ich gerne in meinem neuen Büro installieren würde. Aber ich brauche auch Platz für Mind-Maps, mithilfe derer ich den kuratorischen Prozess veranschaulichen und Ideen sammeln kann.

Haben Sie schon eine Wohnung in Bonn gefunden?

Kraus: Ich habe eine Bleibe für den Sommer gemietet, um mich in Ruhe umzusehen, wo ich wohnen will. Aber ich habe sogar schon gute Tipps und Kontakte bekommen. Dankenswerterweise sind schon einige Menschen für mich mit auf der Suche. Ich freue mich auf meine neue Wahlheimat!

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