Konzert im WCCB Erschütternde Todesklage

Bonn · Benjamin Brittens „War Requiem“ mit dem Beethoven Orchester unter Leitung von Christof Prick und dem britischen Tenor Ian Bostridge.

 Ian Bostridge (links) und Jochen Kupfer singen Britten.

Ian Bostridge (links) und Jochen Kupfer singen Britten.

Foto: Felix von Hagen

Am Schluss liegen sich zahlreiche Mitglieder des Beethoven Orchesters in ihrem „Musikzimmer“ im WCCB in den Armen. In den vergangenen 90 Minuten höchster Konzentration haben sie unter der Leitung von Interimsdirigent Christoph Prick im Karfreitagskonzert eine zutiefst berührende Interpretation von Benjamin Brittens rar vertretenem „War Requiem“ aufgeführt.

Mit seinem 1961 anlässlich der Wiedereinweihung der von deutschen Bomben im Zweiten Weltkrieg zerstörten Kathedrale von Coventry komponierten Requiem hatte der kompromisslose Pazifist Britten ein musikalisches Memorial schaffen wollen, das einerseits der Mahnung dienen, andererseits zur Versöhnung auffordern sollte.

Dazu verschränkte er in seinem Werk den lateinischen Missa-pro-Defunctis-Text oratorienhaft mit der Vertonung einiger das Grauen des Krieges thematisierender Gedichte Wilfred Owens.

Das „War Requiem“ kommt trotz seiner üppigen Besetzung für Soli, Chor und Kinderchor, großes Orchester mit Orgel und Klavier (für die „Missa“-Teile) sowie mit zusätzlichem Kammerorchester (für die Owen-Vertonungen) mit Ausnahme einiger markant opulenter Tutti-Ausbrüche alles andere als pompös daher. Vor allem, weil Prick über den gesamten, weit gespannten Dynamikbereich hinweg die glänzend disponierten Apparate ideal auszutarieren weiß.

Bei derart sorgfältig ausgelesener Klangrede bleibt kaum ein Detail unberücksichtigt und die Musik Brittens kann ihre suggestive Wirkung unmittelbar entfalten. Auch ist das Verhältnis zwischen Orchester und dem von Paul Krämer exzellent präparierten, breit aufgestellten Philharmonischen Chor der Stadt Bonn wie dem von Jost Salm einstudierten, von der Empore aus agierenden Knabenchor der Chorakademie Dortmund so abgestimmt, dass die Textverständlichkeit selbst in leisesten Passagen jederzeit gewährleistet bleibt.

Neben all diesen fabelhaften Leistungen hat der Vortrag des britischen Tenors Ian Bostridge ganz entscheidenden Anteil an der eindringlichen Wirkung dieser Totenklage: Fast hat es etwas Apokalyptisches, zugleich aber auch zutiefst Empfindsames, Menschliches, wie Bostridge, über dem Notenpult sich wiegend, den Texten des als Soldat kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs gefallenen Dichters Wilfred Owen Ausdruck verleiht.

Als promovierter Historiker weiß Bostridge, was er zu „sagen“ hat. Und wie er dies tut, facettenreich, mit gleichsam jeder Faser seines Körpers artikulierend, das verleiht seinem Vortrag eine Wahrhaftigkeit, der sich zu entziehen unmöglich scheint.

Einen anderen, aber nicht minder authentisch wirkenden Zugang zu Owens das Leid und den Schmerz des Krieges widerspiegelnden Gedichten hat der Bariton Jochen Kupfer, indem er Distanz zu halten sucht. Dritte im solistischen Bunde ist – aufseiten des Requiems – die strahlende Sopranistin Johanna Winkel.

Nach dem sehnlichen Wunsch der Gefallenen, „Let us sleep now“, der Paradiesesverheißung durch Sopran und die beiden Chöre und dem finalen „Requiescant in pace. Amen“ herrscht andächtige Stille…

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