Kunstsammlung Einblick in die Art Collection Telekom Bonn

Bonn · Die Art Collection Telekom ist eine sehr junge Sammlung, die rund 200 Werke von 67 Künstlern umfasst. Der Schwerpunkt liegt auf großteils junger Kunst aus Osteuropa.

 Maria Kulikovskas Figurengruppe „Homo Bulla“ im Foyer.

Maria Kulikovskas Figurengruppe „Homo Bulla“ im Foyer.

Foto: Benjamin Westhoff

Wie kann man Datenströme visualisieren? Wie Kommunikation sichtbar machen? Es könnte so aussehen wie das Kunstwerk, das das Foyer der Bonner Telekomzentrale dominiert: ein riesiges, dreidimensionales Gitter, in dem sich einzelne Formen und Körper verfangen haben, eine Struktur, die durchlässig ist und gleichwohl Elemente festhält, eine gigantische Volière für herumfliegende Gedanken, Wortschnipsel und Ideen. Iza Tarasewicz' raumfüllende Arbeit unter dem Glasdach des Foyers bietet Ansatzpunkte für allerlei Deutungen und Interpretationen. Für die hauptsächlich von der polnischen Künstlerin intendierte Sichtweise aber dürften besonders jene Menschen einen Blick haben, die im Chemieunterricht gut aufgepasst haben. Dem Titel „Once Information has passed into Protein“ (einst verwandelte sich Information in Proteine) folgend, sieht man das Werk als umfassendes naturwissenschaftliches Modell, das die Speicherung und Materialisierung der Erinnerung in einer biologischen Struktur thematisiert. Man denkt an chemische Bausteine, den genetischen Code, die DNA.

Bei Tarasewicz verfestigen sich die flüchtigen Gedanken nicht. Das Ganze bleibt filigran und beweglich. Und noch etwas fällt auf: Trotz ihrer Fragilität behauptet sich die Arbeit der jungen Polin gegenüber der dominanten Architektur und im wuseligen Interieur des Foyers.

Mit dem Werk zeigt die Art Collection Telekom in Bonn ihr eindrucksvolles Aushängeschild. Nicht nur, weil dieses Werk, so Telekom-Markenchef und Kuratoriumsvorsitzender der Sammlung, Hans-Christian Schwingen, das Credo des Unternehmens an prominenter Stelle visualisiert. Sondern auch, weil sich hier ablesen lässt, worum es in der Sammlung der Telekom geht: großteils junge Kunst aus Osteuropa zu zeigen, Positionen von hierzulande weniger bekannten Künstlern zu entdecken und zu präsentieren und vor allem Werke zu zeigen, „die Geschichten erzählen oder aktuelle Themen aufgreifen“, so Nathalie Hoyos, die neben Rainald Schumacher die Sammlung kuratiert.

Konzentration auf junge Kunst in Osteuropa

Die Art Collection Telekom ist eine sehr junge Sammlung, die rund 200 Werke von 67 Künstlern umfasst. Als sie 2010 gegründet wurde, stand man vor der Frage eines schlüssigen Konzepts. Man wollte sich von anderen, großteils älteren Konzernsammlungen abgrenzen, eine Nische finden und besetzen, sagt Schwingen. Die Telekom habe auch früher gesammelt, jedoch ohne ersichtliche Struktur, erklärt er. Parallel mit Ausstellungen des Centre Pompidou, der Tate Modern und des MoMA habe man, so Schwingen, die bislang in Deutschland unterbewertete jüngere Kunst aus Osteuropa für sich entdeckt. Hoyos betont auch den Fördercharakter, den die Sammlung für die Künstler hat.

Dass die Art Collection Telekom eher unbekannt ist, liegt sicherlich daran, dass man sie in Deutschland bisher nur in einer ausführlichen Präsentation 2014 im me Collectors Room Berlin/Stiftung Olbricht sehen konnte. Zwar hat sich die Sammlung mit einigen Werken auf der Art Cologne gezeigt, doch ihr Aktionsfeld sind in erster Linie Ausstellungshäuser in Osteuropa, wo diese in Teilen hochkarätige Sammlung zu sehen ist. So präsentierte sich die Art Collection 2016 mit einer Schau und einem umfangreichen Rahmenprogramm im Nationalmuseum für zeitgenössische Kunst in Bukarest. 2017 war sie im Skulpturenmuseum in Warschau zu Gast, kommende Woche steht Zagreb auf dem Programm.

In der Bonner Telekom-Zentrale bieten rund zwei Dutzend Arbeiten einen kleinen Einblick in die Art Collection Telekom. Die gesamte Sammlung, die mit etlichen Künstlern bestückt ist, die durch Auftritte bei der Kunstbiennale Venedig, der documenta und wichtigen Überblicksausstellungen internationales Renommee für sich verbuchen können, lernt man in einer eigenen App kennen.

Zu den herausragenden Werken, die im Foyer zu sehen sind, zählt eine Fotoserie der documenta-Künstlerin Sanja Ivekovic, die schöne Frauen mit Sonnenbrillen auf Plakaten zeigt. Das ist aber keine Werbekampagne für Edelmarken à la Dolce & Gabbana, sondern die unter die Haut gehende Serie „Women's House (Sunglasses)“, in der Gewaltopfer aus Frauenhäusern von ihren bitteren Erfahrungen berichten. Auch die beschädigten und befleckten dreidimensionalen Frauenakte aus Seife von der ukrainischen Bildhauerin Maria Kulikovska auf der Empore sind in einem Kontext von Gewalt und Aggression zu sehen.

Yane Calovski und Hristina Ivanosca aus Mazedonien widmen sich in ihrer Plakatserie hintergründig dem Programm eines fiktiven Kunstmuseums, das Oskar Hansen in Skopje bauen sollte. Erinnerungsarbeit auch bei Biennale-Künstler Petrit Halilaj aus dem Kosovo, der das Schulbuch, mit dem er schreiben lernte, als Tapete in einen Gang kleben ließ. Mit einem gewohnt ironischen Werk ist der Bulgare Nedko Solakov vertreten, der 2008 im Kunstmuseum Bonn zu sehen war: Ein betont nachlässig gemalter, riesiger, langer gelber Fleck wird von einem zweifelnden Satz kommentiert. Was in der Telekomzentrale zu sehen ist, ist wirklich nur ein kleiner Einblick. „Wir versuchen mehrere Arbeiten einzelner Künstler zu erwerben, sie in der Tiefe zu sammeln und langfristig zu beobachten“, erläutert Hoyos. Über den Ankaufsetat sagt sie nichts, der variiere. Auskunftsfreudiger sind die Legenden zu den einzelnen Kunstwerken im Haus: Per QR-Code oder mit der exzellenten, vorbildlichen App der Art Collection Telekom lassen sich viele Informationen abrufen. Die Arbeiten im Haus werden ausführlich erklärt, man erfährt auch viel über die Aktivitäten der Sammlung und ihrer Künstler. Im Distanz-Verlag ist ein ausgezeichneter Katalog erschienen.

Und wie kommt die Sammlung im Haus an? Schwingen registriert in der Mehrheit aufgeschlossene Mitarbeiter. Aber natürlich gebe es auch Zeitgenossen, die die Kunst der Telekom mit einem „Was soll das?“ quittierten.

Insgesamt eine Sammlung, von der man unbedingt gerne mehr in Bonn sähe.

Informationen: Im Internetund in der App der Art Collection Telekom

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