Ausstellung Die Kunst des Chipdesigns im Bonner Arithmeum

Bonn · Eine Ausstellung im Arithmeum nähert sich der ästhetischen Dimension der Kleinstrechner. Was in Realität nur wenige Quadratmillimeter groß ist, etwa ein Computerchip für Smartphones Navis oder Fernseher, erscheint nun in vielfacher Vergrößerung an der Wand

 Ina Prinz und Bernhard Korte vor einem sogenannten Wafer im Arithmeum.

Ina Prinz und Bernhard Korte vor einem sogenannten Wafer im Arithmeum.

Foto: Benjamin Westhoff

Dass wir es hier mit hochkarätiger Kunst zu tun hätten, die manchen etablierten Meister  in den Schatten stelle, davon ist Bernhard Korte felsenfest überzeugt. Der Chef des Instituts für Diskrete Mathematik, das 1987 den ersten Chip mit eigenen Algorithmen für das IBM-Forschungslabor Rüschlikon/Zürich entworfen und bis heute mehr als 3000 solcher winziger Rechner mithilfe der „Bonn Tools“ geschaffen hat, ist geradezu euphorisiert angesichts der der bunten Bilder an der Wand: Flächen und Linien, die an zarte Gewebe mit unzähligen Schichten erinnern oder an komplex schillernde Stadtpläne, mal recht kompakt daherkommen, mal wie ein flüchtiger Nebel aus Pigmenten und filigranen Linien anmuten. Jedes Bild ist anders, jedes Bild ein neues Farbschauspiel. Die Werke heißen „Bodo“ und „Mira“, „Thomas“., „Edgar“ oder „Jan“. Zu jedem Namen gibt es einen mehr oder weniger prominenten Widmungspaten.

Was in Realität nur wenige Quadratmillimeter groß ist,. etwa ein Computerchip für Smartphones Navis oder Fernseher,. erscheint nun in vielfacher Vergrößerung an der Wand. In einem aufwendigen Verfahren hat Ina Prinz, Kortes Mitarbeiterin und Direktorin des Arithmeums, den jeweiligen Bauplan eines Mikrochips am Rechner eingefärbt, jede Schicht einzeln von der Transistoren-Ebene bis zu jeder der bis zu zehn Verdrahtungsebenen. Stolze 24 Stunden kann ein auf einer eigens definierten Farbtabelle basierender Rechengang für die Einfärbung einer winzigen Zone benötigen. Da kann leicht ein Monat Rechenzeit insgesamt zusammenkommen.

Mit Mikroskop können Besucher feine Strukturen eines Chips erfassen

 Die Ergebnisse sind fraglos faszinierend und jeweils sehr unterschiedlich. Fließende Übergänge in weichen Farbverläufen sind ebenso vorhanden wie harte Farbkontraste. Echte Prominente sind unter den Chips vertreten:  Etwa „Zora“, der erste Bonner Chip für IBM, oder „Bert“, der im schnellsten PC der Welt, dem Apple G5 (2003), zu finden war. „Johannes“ wurde NRW-Ministerpräsident Johannes Rau gewidmet. Als dieser Bundespräsident wurde, legte man noch den „Johannes2“ auf.

Doch zur Anfangsfrage: Ist das Kunst oder eine sehr anschauliche Darstellung des hochkomplexen funktionalen Innenlebens dieser winzigen technischen Meisterwerke? Die Diskussion ist eröffnet. Das ästhetische Chipdesign, vertreten durch rund 200 Großformate, trifft auf einen spannenden Wissensparcours. Da darf man mit der VR-Brille eine Ausflug durch das Innere eines Chips wagen, durch alle Schichten düsen und quasi mit den Augen das Unfassbare zu ergründen versuchen. Mit dem Mikroskop können Besucher die feinen Strukturen eines Chips erfassen. Auch Patrick Roccas Makroaufnahmen von Chips, die ihre Buntheit durch einfallendes und reflektiertes Licht erhalten, veranschaulichen die raffinierte Struktur dieser Kleinstrechner.

Als Einsteiger-Modell  in die komplexe Welt des Chipdesigns ist  etwa der Chip zur Steuerung einer Baustellenampel mit Video  zu empfehlen: Die recht große Anlage mit kleinen Lastwagen und Ampeln wird von einem blinkenden Etwas gesteuert, das im Museum etwa eine Quadratmeter misst. Würde man das Ganze auf Chipgröße bringen, fänden sich diese und weitere Funktionen auf der Fläche eines Daumennagels.

Wer auf Erkenntnissuche noch weiter zurückgeht, landet bei der binären Rechenmaschine von Gottfried Wilhelm Leibniz, eine „Interpretation des Arithmeums nach der Originalbeschreibung gebaut“, wie es so schön im dicken, schweren Katalogbuch heißt. Auf der schrägen Ebene werden Metallkugeln freigesetzt: Eine Kugel bedeutet eins, keine Kugel null, eine einprägsame Veranschaulichung des Binärsystems.

Für den Computerlaien gibt es schöne interaktive Spiele, etwa auch Spieltische zum Finden einer optimalen Platzierung von Bauteilen auf einer Chipfläche und einer Verdrahtung. Was babyleicht aussieht und eher zum Schmunzeln reizt, stellt selbst Studenten des Instituts für diskrete Mathematik vor schwer lösbare Rätsel.

Entspannung stellt sich dann beim Gang durchs Arithmeum ein und beim Blick auf Ina Prinz’ Chipdesign-Bilder. Man kann sie auch genießen, wenn man Funktion und Herstellungsweise nicht kennt.

Arithmeum, Lennéstraße 2, Di-So 11-18 Uhr. Katalog „Mathematik und Ästhetik des Chipdesigns“, 600 S.

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