Ausstellung Die Augen zur Welt

Hamburg · Das Bucerius Kunst Forum in Hamburg widmet sich dem Fenster als Leitmotiv in den Bildern von Pablo Picasso. Für den Künstler wird es zu einem Symbol der Malerei schlechthin und zieht sich wie ein roter Faden durch sein Werk.

 Frau am Fenster: Pablo Picasso, Liegende mit Buch, 1939, Musée national Picasso, Paris.

Frau am Fenster: Pablo Picasso, Liegende mit Buch, 1939, Musée national Picasso, Paris.

Foto: Museum

Das Fenster als Zugang zu einer anderen Welt ist spätestens seit der Erfindung der Zentralperspektive um 1430 ein beliebtes Motiv in der Malerei. Doch schon viel früher finden sich gemalte Fenster um 1300 im Fresken-Zyklus für die Basilika San Piero bei Pisa. Aus den Mauerfenstern des himmlischen Jerusalem lugen dort lauter kleine Engel neugierig ins Irdische hinaus.

Das Fenster als Möglichkeit, von einer wie auch immer gearteten Innen- in eine Außenwelt zu schauen – oder umgekehrt – fesselt die Künstler bis auf den heutigen Tag. Für Picasso (1881-1973) etwa wird es zu einem Symbol der Malerei schlechthin und zieht sich wie ein roter Faden durch sein Werk. Umso erstaunlicher, dass es noch nie Thema einer Ausstellung war. Das Bucerius Kunst Forum in Hamburg nimmt dieses Leitmotiv nun unter die Lupe und zeigt anhand von 40 Leihgaben aus internationalen Sammlungen die chronologisch gegliederte Schau „Picasso. Fenster zur Welt.“

Immer, wenn sich Picasso neu orientiert, wenn er sein Leben und seinen Stil verändert, greift er das Fenstermotiv auf wie ein Orakel, fast immer in Serie: Gerade mal 18 Jahre alt, malt er in seinem Atelier in Barcelona eine erste Folge, Schnittstelle zwischen sich und der Welt. Die dunkeltonigen Ölbilder „Fensterbild mit Vorhang“, „Geschlossene Balkontür“ und „Interieur“ eröffnen die Schau. Noch sind die Fenster weitgehend verhangen, gleichen dem Rücken einer Leinwand. Doch mit den Jahren öffnet und weitet sich der Blick.

Im Kapitel „Frauen am Fenster,“ einem Highlight der Schau, beginnt die Leinwand zu leuchten. Da sitzen, fast rahmensprengend, Picassos Gefährtin Marie-Thérèse Walter und ihre Rivalin Dora Maar an geöffneten Atelierfenstern, durch die der Himmel hellblau oder schilfgrün herein dringt. Und da ist, orientalisch gewandet, Picassos letzte Ehefrau Jacqueline.

Ein Höhepunkt auch die Hommage an den 1954 verstorbenen, von Picasso zeitweilig argwöhnisch beobachteten Kollegen Matisse und dessen heitere Leichtigkeit: Er widmet ihm eine aus elf Hochformaten bestehende Serie in knallbunten Farben. Da fällt der Blick zum Beispiel aus den prächtig geschwungenen Atelierfenstern seiner Jugendstil-Villa in Cannes auf grün funkelnde Palmen im Sonnenlicht.

Unheilvoll hingegen kommen die Stillleben aus dem besetzten Paris der Kriegsjahre daher. In fahles Braun, Grau und Gelb getaucht, wird das Fenster zum Vanitas-Motiv mit schwarzem Kreuz und Totenschädeln davor. Und der Himmel draußen ist versperrt durch hohe düstere Häuser. Picasso gefällt diese Dunkelheit allerdings. „Meine nächtliche Beleuchtung ist herrlich, ich ziehe sie sogar dem Tageslicht vor“, schreibt er dem Fotografen Brassai. „Sie müssten einmal kommen, um zu sehen, wie das Licht jeden Gegenstand hervorhebt, wie tiefe schwarze Schatten die Bilder einrahmen und auf die Balken werfen. Sie finden das in fast allen meinen Stillleben, ich habe sie größtenteils nachts gemalt.“

Brassai kam tatsächlich. Gut fünfzig Fotos von ihm und Zeitgenossen wie Robert Doisneau, Cartier-Bresson, Herbert List zeigen den Maler vor Fenstern in seinen unterschiedlichen Ateliers und runden die reizvolle Ausstellung ab.

Bis 16. Mai, tgl. 11-19, do bis 21 Uhr. Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt 2. Katalog 29 Euro. Infos im Netz: buceriuskunstforum.de

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