Atze Schröder im Interview Der Sprücheklopfer mit dem Lockenhelm

BONN · Der Komiker Atze Schröder (51) steht in den Startlöchern. Die große Tournee zum neuen Programm „Turbo“ beginnt zwar erst im Herbst, doch schon jetzt spielt sich der Künstler auf zahlreichen kleinen Bühnen warm.

 Komiker Atze: „Wenn meine Perle das Buch liest, knufft sie mich in die Seite und fragt: Können wir das nicht auch mal machen?“

Komiker Atze: „Wenn meine Perle das Buch liest, knufft sie mich in die Seite und fragt: Können wir das nicht auch mal machen?“

Foto: picture alliance / dpa

GA: Herr Schröder, warum schreiben Sie Romane? Missfällt Ihnen irgendwas an Ihrem Beruf als Bühnenkünstler?

Atze Schröder: Im Gegenteil: Ich sehe das als Erweiterung, ich hatte immer schon ein Faible für Literatur. Beim Buch hatten Till und ich so viel Spaß, dass wir unbedingt nachlegen wollten.

GA: Sind Sie beim Dichten stets in Ihrer Rolle als Atze Schröder?

Schröder: Volles Brett! Till und ich sind wie ein Monster mit zwei Köpfen. Immer wenn einer eine gute Idee hat, rollen wir uns vor Lachen auf dem Boden. Wenn man so eine Figur wie Atze mit ihrer großen Klappe unter Druck setzt, kriegt man eine unglaubliche Fallhöhe hin.

GA: Atze wird von Killern verfolgt. Wie reagiert er auf Gefahr?

Schröder: Meistens ist ihm die Gefahr gar nicht bewusst. Und wenn doch, dann will er immer gleich abhauen. Aber man lässt ihn nicht raus, das ist ja das Schöne. Einen russischen Killer, eine französische Killerin, den BND und ein Syndikat – Atze hat wirklich alle am Hacken.

GA: Apropos BND. Wie geht Atze mit Autoritäten um?

Schröder: Meistens lacht er darüber. Aber wenn eine Person wirklich kompetent ist, zieht Atze vor ihr den Hut. Es geht in diesem Buch aber nicht nur um Autoritäten, sondern auch um gute Vorbilder wie etwa meinen Vater.

GA: Wie war das Verhältnis zu Ihrem Vater?

Schröder: Toll. Mein Vater hat im Zweiten Weltkrieg schlimme Sachen erlebt und kam erst zehn Jahre später aus russischer Gefangenschaft zurück. Trotzdem schaffte er es, für den Rest seines Lebens noch ein ganz fröhlicher Mensch zu sein und seinen Kindern viel Liebe mitzugeben. Eine starke Lebensleistung.

GA: Der reale Bundesnachrichtendienst hatte mit vielen Pannen zu kämpfen. Wie haben Sie sich diese Behörde vorgestellt?

Schröder: Wir haben bewusst nicht recherchiert, sondern den BND so beschrieben, wie wir ihn gern hätten. Alles ist frei erfunden. Wir wünschen uns, dass es so jemanden gibt wie die BND-Mitarbeiterin Dr. Monika Mertens, die über uns alle wacht, so dass wir ruhig schlafen können.

GA: Diese Monika Mertens wurde besonders liebevoll angelegt. Gibt es dafür einen Grund?

Schröder: Wir wollten eine starke, erfahrene Frau, und sie ist dann zu unserem Liebling geworden. Sie hat eine genauso übersteigerte Libido wie Atze.

GA: Wie fühlt man sich als Sexsymbol?

Schröder: Wenn meine Perle das Buch liest, knufft sie mich ab und zu mal in die Seite und fragt: „Können wir das nicht auch mal machen?“

GA: Es gibt psychologische Studien über das Heilsame in der literarischen Fiktion. Welche Wirkung hat das Schreiben auf Sie?

Schröder: Du schöpfst immer aus dem, was sich im Leben angestaut hat. Wir wollen ohne erhobenen Zeigefinger auf einem Bombenniveau unterhalten. Und: Formulierungen wie „Joachim Löw, der Bundestrainer des FC Libido, hätte von einer Auswechslung abgesehen“ machen uns einfach Spaß.

GA: Ihr neues Programm „Turbo“ bezeichnen Sie als „Manifest des Guten“. Was verstehen Sie darunter?

Schröder: Unsere Nächstenliebe gebietet uns ja zu helfen. Der Satz „Liebe deinen Nächsten“ kommt nicht nur in allen Religionen, sondern sogar bei atheistischen Philosophen vor. Selbst John Lennon sagte: „Liebe ist die Antwort“. Das heißt, du musst helfen, du kannst nicht weggucken. Also müssen wir das auch ansprechen. In diesem Spannungsfeld findet mein Programm statt.

GA: Glauben Sie an das Gute im Menschen?

Schröder: Ja, total. Das ist so tief in mir verankert, dass ich morgens beim Aufstehen schon denke, was es heute schon wieder Schönes geben wird.

GA: Und wie denkt eine Atze über die so genannten Wutbürger?

Schröder: Wie viele andere schwanke auch ich hin und her. Eigentlich hatte ich geplant, im neuen Programm dazu Stellung zu beziehen, aber das ist gar nicht so einfach.

GA: Warum nicht?

Schröder: Man hat jede Woche eine neue Situation. Man muss aufpassen, in dieser Sache nicht zu heilig zu werden, man muss auch die Sorgen und Ängste der Menschen ernst nehmen. Ich glaube, bei den meisten handelt es sich weniger um Fremdenhass als um Angst vor Fremden.

GA: Welche Erfahrungen machen Sie persönlich mit dem Thema?

Schröder: Neben dem Haus, in dem ich wohne, hat die Stadt jetzt ein Haus aufgekauft als Flüchtlingsheim. Dort wohnen zwei syrische Familien, ganz nette Leute. Meine Perle hat ihren Kleiderschrank durchsortiert und meinen gleich mit, ohne dass ich davon etwas wusste. Das hat dazu geführt, dass mein syrischer Nachbar jetzt meinen Lieblingswintermantel trägt. Das müsste ich eigentlich witzig aufarbeiten, ich bin ja Komiker.

GA: In „Turbo“ filetieren Sie „das dumme Geschwätz der völlig abgehobenen Superstars“. Wie machen Sie das?

Schröder: Es geht um die Als-Ob-Gesellschaft. Man sieht ja bei Facebook und in den ganzen Magazinen nur noch, wie gut es den Leuten geht. Nach dem Moto: „Ich bin gesegnet“. Ich will zeigen, was dahintersteckt, nämlich: Diese Leute kochen auch nur mit Wasser.

GA: Gehören Sie nicht selbst längst zu diesen abgehobenen Superstars?

Schröder: Abgehoben nicht. Ich habe viele ganz normale Freunde, da ist es schwer abzuheben. Wenn abends mein bester Kumpel in der Vorstellung sitzt, sagt er in der Pause zu mir: „Sprich mal ein bisschen schneller, ich will noch in die Stadt!“

GA: Üben Sie Ihre Rolle eigentlich? Stehen Sie im Atze-Outfit zu Hause vor dem Spiegel?

Schröder: Nein, überhaupt nicht. Am schönsten ist es, auf die Bühne zu gehen und zu gucken, was passiert. Ende 2016 habe ich 15 Shows gemacht, bei denen ich ohne Programm aufgetreten bin und mich einfach mit den Leuten unterhalte habe.

GA: Gibt es auch Momente, wo Ihnen das Lachen vergeht?

Schröder: Ich engagiere mich in Organisationen wie Madamfo Ghana und bei roterkeil.net gegen Kinderprostitution. Ich schaue mir die Projekte immer vor Ort an. In Berlin war ich für roterkeil.net bei der Stricherhilfe. In Angesicht dieses Elends vergeht dir das Lachen. Aber es hilft keinem, schlecht gelaunt zu sein. Wenn man an die Probleme entspannt rangeht, findet man schneller eine Lösung.

GA: Wie alt sind diese Kinder?

Schröder: Bei den missbrauchten Kindern geht das im Alter von drei, vier Jahren los. Sieben- oder Achtjährige aus Rumänien oder Bulgarien kommen teilweise allein nach Deutschland und geraten hier an Pädophile. Mit elf, zwölf Jahren werden sie dann weggeworfen, weil sie den Kinderschändern zu groß sind. Auf der Seite roterkeil.net kann man sich genauer darüber informieren. Ein Mitarbeiter hat mir einmal die Szene am Berliner Hauptbahnhof gezeigt. Der Spezialist sieht genau, wer da auf wen wartet. Das geht bei den Tätern los von einfachen Angestellten bis in die höchsten Kreise. Da kochst du einerseits vor Wut, andererseits hast du Tränen in den Augen vor Traurigkeit.

GA: Was können Sie für diese Kinder tun?

Schröder: Ich kann Sponsorengelder sammeln oder Gratisauftritte bei Galas durchführen, um die Gäste dazu zu animieren, Geld zu spenden für die Mitarbeiter der einzelnen Hilfen. Ich habe diese Möglichkeit, und deshalb fühle ich mich verpflichtet, sie auch zu nutzen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Held ohne Heldenpose
“One Life“ mit Anthony Hopkins Held ohne Heldenpose
Zum Thema
Aus dem Ressort