Kunst in Paris Das Centre Pompidou zeigt Werke von Francis Bacon

Paris · Das Centre Pompidou in Paris geht mit einer Ausstellung der Werke von Francis Bacon neue Wege, den Maler dem Betrachter zu Präsentieren.

  Das Centre Pompidou in Paris.

Das Centre Pompidou in Paris.

Foto: dpa/Horacio Villalobos

Dieser Ausstellungsbesuch sollte gut vorbereitet sein. Die Lektüre zentraler Werke von Friedrich Nietzsche, T.S. Eliot oder Georges Bataille kann nicht schaden und natürlich Aischylos. Der griechische Tragödiendichter nimmt eine wichtige Position im Schaffen Francis Bacons ein. Wer sich etwas Mühe gibt und auf das Konzept der Werkschau „Bacon en toutes lettres“ im Pariser Centre Pompidou einlässt, dem werden dann allerdings die Türen zum Verständnis dieses Ausnahmekünstlers des 20. Jahrhunderts weit aufgestoßen.

Für den 1909 in Irland geborenen Maler er war die Literatur eine nicht versiegende Inspirationsquelle, ein Brunnen der Fantasie. Seine heute im Dubliner Trinity College aufbewahrte Bibliothek zählte über 1000 Bände. Für ihn waren die großen Dichter ein unentbehrlicher Stimulus, der ihn in seinem Schaffen zeitlebens zu neuen Ufern getrieben hat. In einem im Centre Pompidou gezeigten Video erklärte Bacon dazu: „Ich übertrage die Assoziationen, die ihre Literatur in mir hervorrufen.“

Diese Assoziationen sind allerdings nichts für zart besaitete Gemüter, es sind exzessive, oft obszöne Darstellungen, deformierte, malträtierte menschliche Körper, viel Blut, viel Lust und viel Tod. Es ist ein Streben nach körperlicher Form, das aber gegen ein Zersetzen und Zerfließen ankämpft. Er sei aber kein Horror- oder Schreckensmaler, sagt Bacon in einem der Interviews, die in der Werkschau zu sehen sind. Aber man verbringe sein Leben am Arm des Todes.

„Bacon en toutes lettres“

In der Werkschau „Bacon en toutes lettres“ wird dem Betrachter eine einzigartige Möglichkeit zur Interpretation dieser verstörenden, aber auch überaus faszinierenden Welt des Künstlers geboten. In kleinen, bilderlosen Räumen kann sich der Besucher zuerst auf die Texte von sechs Autoren konzentrieren, die den rund 60 ausgestellten Werken - darunter zahlreiche Triptycha – zugrundliegen. Sie werden in Englisch oder Französisch vorgelesen und funktionieren wie die Schlüssel zum tieferen Verständnis der Bilder.

Wer allerdings eine einfache bildliche Umsetzung des Gehörten erwartet, der wird enttäuscht. Didier Ottinger, Kurator der Ausstellung im Centre Pompidou, unterstreicht, das Francis Bacons natürlich kein einfacher Illustrator der von ihm gelesenen Dichter ist. Wer die Bilder betrachtet, bekommt eine Ahnung, welche Wirkung die Literatur auf diesen Menschen gehabt haben muss - wie wild zuckende Blitze, die unter schrecklichem Getöse ständig neue schaurige Abgründe des menschlichen Daseins in gleißend helles Licht tauchen.

Was die Interpretationen für den Betracher zusätzlich erschwert ist, dass sich Bacon in seinen einzelnen Werken nicht immer nur auf einen Autor bezieht. Die Darstellungen sind bisweilen ein verwirrendes Gewimmel aus Assoziationen verschiedener Quellen, die auf den ersten Blick kaum miteinander verbunden sind, beim zweiten Hinsehen dann aber doch unverbrüchlich zusammenhängen.

Schicksalsschlag

Konsequent ist, dass sich die Werkschau auf die späte Schaffenszeit Francis Bacons konzentriert. Im Herbst 1971 wurde im Grand Palais in Paris eine große Retrospektive des irischen Autodidakten gezeigt, was für den Künstler einen dramatischen Einschnitt in sein eigenes Leben bedeuten sollte. Zwei Tage vor der Eröffnung am 26. Oktober nahm sich sein Lebenspartner George Dyer in ihrem Pariser Hotel das Leben. In Werken, die nun im Centre Pompidou zu sehen sind, verarbeitet der damals 62-jährige Bacon explizit diesen Schicksalsschlag.

Anfangs etwas verstörend ist, dass neben den Bildern keine weiteren Erklärungen angebracht sind. Das Begreifen wird also nicht durch irgendwelche analytischen Leitplanken kanalisiert. Der Betrachter wird alleingelassen mit der geballten Wucht dieser Kunst, mit dem Gehörten, dem Gesehenen und seinen eigenen Assoziationen. Der Besuch in Paris kann in jeder Hinsicht eine sehr spannende Reise werden.

Die Ausstellung im Centre Pompidou ist täglich von 11 bis 21 Uhr geöffnet, Donnerstag bis 23 Uhr, Dienstag geschlossen. Eintritt normal: 14 Euro, ermäßigter Tarif: 11 Euro.

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