Von Bonn nach Amsterdam Intendant Rein Wolfs verlässt die Bundeskunsthalle

Bonn · Intendant Rein Wolfs verlässt die Bundeskunsthalle und geht ans Stedelijk Museum in Amsterdam. Fast sieben Jahre lang war der Holländer Museumschef in Bonn.

 Auf dem Sprung: Intendant Rein Wolfs vor dem Gemälde „Paris Bar“ von Martin Kippenberger in der Bundeskunsthalle.

Auf dem Sprung: Intendant Rein Wolfs vor dem Gemälde „Paris Bar“ von Martin Kippenberger in der Bundeskunsthalle.

Foto: Benjamin Westhoff

Seine Familie habe nur 50 Kilometer entfernt von Amsterdam gewohnt, berichtet Rein Wolfs launig aus seinen jungen Jahren, als man zwei, drei Mal im Jahr die große Stadt besuchte und damit auch das Stedelijk Museum. Als Wolfs dann in Amsterdam studierte, arbeitete er in der Bibliothek des Stedelijk, einer der Top-Adressen für moderne und Gegenwartskunst. Da wäre er gerne mal Direktor, sinnierte der junge Wolfs. Am Sonntag hat er dort als designierter Direktor seine erste Ausstellung eröffnet, kommenden Montag tritt er in Amsterdam als Chef an. Fliegender Wechsel. „Ich hätte nie gedacht, dass ich nach Holland zurückkehren würde“, verriet der 1960 in Hoorn geborene Museumschef dieser Zeitung.

In Bonn hat er sich jetzt verabschiedet: Mitarbeiter, Weggefährten, Museumskollegen, Sammler und Galeristen gaben dem Niederländer, der fast sieben Jahre Intendant der Bundeskunsthalle gewesen war und den Bonnern und der Welt rund 70 großteils exzellente Ausstellungen präsentiert hat, ein wohlwollendes, warmes Tschüss auf den Weg. Ein paar Tränchen wurden auch gesichtet, als Wolfs „in Peichls schönstem Raum, dem Forum“ in bewährt lockerer Art über seine Bonner Zeiten und Amsterdamer Perspektiven erzählte. Er freue sich, wenn es gelungen sei, etwas Wärme und Nähe in die „militärische Strenge der Bundeskunsthalle“ gebracht zu haben, sagte er im Hinblick auf die von ihm geprägte, bisweilen Heiterkeit auslösende Begrüßungsformel: „Schön sind Sie gekommen!“

Allseitiges Seelestreicheln war angesagt. Dass trotzdem Ungeduld, sogar Unruhe im Plenum herrschte, hatte nichts mit Wolfs zu tun, vielmehr mit der seit Freitag vergangener Woche fälligen Entscheidung über Wolfs Nachfolge an der Spitze der Bundeskunsthalle. Eine der Top-Personalien der deutschen Kulturpolitik. Das Kuratorium hatte, so hört man, in der vergangenen Woche in dieser Sache im Haus der Geschichte getagt. Doch nichts drang hinaus. Am Rande von Wolfs Abschied wurde also munter spekuliert. Auf Anfrage bei der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien hieß es am Dienstag, es könne noch eine Woche oder länger dauern, bis die Personalie verkündet würde. Am Montagnachmittag ließ Wolfs beim Gespräch mit dieser Zeitung die Bonner Jahre Revue passieren. Am nachhaltigsten geprägt habe ihn die Ausstellung über Hitlers Kunsthändler Gurlitt und das Thema von NS-Raubkunst und Restitution. Eine sehr politische Ausstellung, die in Bonn und Berlin gezeigt wurde. Das Thema habe ihn lange beschäftigt – „und die Presse war immer dabei“. Aber auch andere Ausstellungen möchte er hervorheben: die Präsentationen über Pina Bausch und Marina Abramowitsch, aber auch die aktuelle Schau mit Arbeiten von Martin Kippenberger. „Touchdown“, die Ausstellung über Menschen mit Down Syndrom, habe ihn besonders gefordert, sagt er. „Das war ein wunderbares Erlebnis, die Ausstellung ist viel besser gelaufen als wir gedacht hatten.“

„Hier zeigte sich die Stärke des Hauses, dessen Programm thematische Wechsel und unterschiedliche Perspektiven – da sind wir anders als ein reines Kunstmuseum.“ Als solches hatte der ursprünglich von Kunsthalle Fridericianum in Kassel kommende Kunsthistoriker die Bundeskunsthalle zunächst primär definiert. Anfangs fremdelte er mit dem Konzept, neben Kunstausstellungen auch wissenschaftliche und kulturgeschichtliche Themen zu behandeln. Mit der Zeit arrangierte er sich nicht nur damit, er setzte mit Ausstellungen wie „Gurlitt“ oder „Film in der Weimarer Republik“, „Touchdown“, „Pina Bausch“ und „Von Mossul nach Palmyra“ sogar neue Akzente.

Wolfs hinterlässt Pläne bis 2022 für die Bundeskunsthalle

In Amsterdam wird er sich wieder auf die Gegenwartskunst zurückbesinnen müssen. Es hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Presseberichte gegeben, in denen Wolfs als Stedelijk-Chef gehandelt wurde. Kurioserweise stellte Wolfs 2016 das im Bonner Weidle-Verlag erschienene Buch „Duell“ von Joost Zwagerman vor, in dem ein fiktiver Chef des Stedelijk mit der Kunstfälschung eines Bildes von Mark Roth­ko fürchterlich auf Abwege gerät.

In Amsterdam hat er mehr Mitarbeiter als in Bonn, eine herausragende Kunstsammlung und eine gute finanzielle Ausstattung, was aber auch bedeutet, dass um Drittmittel geworben werden muss. Was er plant: Mit der Tate Modern werde es 2020 eine große Retrospektive des Fluxus- und Videokünstlers Nam June Paik geben. Mit Bruce Nauman sei man für 2021 im Gespräch. Ab Ende 2020 wird Wolfs Programmatik in Amsterdam greifen, Premiere soll eine Schau zum 125-Jahre-Jubiläum des Stedelijk sein.

In Bonn hat Wolfs bis Ende 2020 geplant und Ideen bis 2022 erörtert. „Das Haus ist gut aufgestellt, wir haben alle gut gearbeitet“, sagt Wolfs, der zu Zeiten in Bonn antrat, als die Stimmungs- und Finanzlage im Haus schwierig waren – ähnlich wie in Amsterdam, wie Wolfs schmunzelnd anmerkt, wo man offenbar hofft, der Neue möge nach etlichen Turbulenzen in den vergangenen Jahren Ruhe in den Laden bringen.

Was hätte er denn gerne noch im Bonn realisiert? Wolfs ist fasziniert von den digitalen Möglichkeiten, wie sie in der Palmyra-Ausstellung zu sehen waren. „Mit dieser Immersivität, bei der man mittendrin ist, da wäre ich gerne einen Schritt weitergegangen.“ Im Bereich Design hätte er gerne noch eine größere Ausstellung gemacht. Auch eine umfangreichere Schau über das Thema Kino. Gereizt hätte ihn schließlich eine Ausstellung über Wilhelm Lehmbruck und Joseph Beuys, die er gerne im Beuys-Jahr 2021 in Bonn präsentiert hätte.

„Jetzt ist es Zeit, anders zu denken“, sagt er mit Blick nach Amsterdam. Aber auch: „Ich habe mich sehr wohl gefühlt in Bonn, wir sind eine Bundesinstitution in Bonn, wir stehen auf Bundesboden, sind aber in einer Bonner Umgebung zuhause“, sagt er, der bis vor kurzem in der Stadt lebte und sich gerne hier bewegte. „Die Bundeskunsthalle ist kein Raumschiff, das in der Stadt gelandet ist.“ Natürlich müsse das Haus über Bonn und NRW hinaus denken. Die Bundeskunsthalle in Bonn sei ein Zeichen dafür, dass Deutschland ein föderalistisches Land ist. Jetzt fehlt nur noch eine neue Leitung.

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