Konzert in der Kölner Philharmonie Bundesjazzorchester feiert 30-jähriges Bestehen

BONN · Das Bundesjazzorchester wurde vor gut 30 Jahren in Bonn gegründet. Ihr Jubiläum feiern die jungen Jazzer unter anderem mit einem Konzert in der Kölner Philharmonie.

 Prominenter Auftritt: Das Bundesjazzorchester beim Jazzfest im Mai dieses Jahres in der Oper Bonn

Prominenter Auftritt: Das Bundesjazzorchester beim Jazzfest im Mai dieses Jahres in der Oper Bonn

Foto: Thomas Kölsch

Die deutsche Jazzszene ist so lebendig wie lange nicht mehr. Stars wie Michael Wollny oder Nils Wülker begeistern ein zunehmend heterogenes Publikum, andere Musiker suchen nach neuen Kompositionssprachen und werden ebenso gefeiert. Es ist eine spannende Entwicklung – und in ihrem Zentrum residiert das Bundesjazzorchester (BuJazzO). Seit 30 Jahren bildet es die besten Nachwuchs-Jazzer der Bundesrepublik aus, fördert sie zwei Jahre lang und eröffnet ihnen neue Perspektiven.

„Fast alle jungen deutschen Jazzmusiker, die wirklich professionell tätig sind, haben irgendwann mal mit dem BuJazzO zu tun gehabt“, behauptet Niels Klein, einer der beiden Leiter des Klangkörpers und selber ehemaliges Mitglied. „Vor allem die Vernetzung, die dabei entsteht, ist unglaublich wertvoll. Da entstehen Bands und Kooperationen, die zum Teil über Jahre hinweg Bestand haben“, sagt Klein. „Ich bin bis heute mit vielen Mitgliedern meines damaligen Jahrgangs befreundet und tausche mich mit ihnen aus, was gerade im Jazz extrem wichtig ist. Auch die Konzerte prägen, die Auftritte mit berühmten Musikern und das Eintauchen in Stilistiken, mit denen man sich zuvor vielleicht noch nicht auseinandergesetzt hat.“

2017 standen unter anderem Projekte mit Posaunist Nils Landgren und Wolfgang Niedecken auf dem Programm; in diesem Jahr beschäftigt sich das BuJazzO mit Musik zu Filmen aus der Bauhaus-Ära, die unter anderem die Pianistin Julia Hülsmann dem Orchester auf den kollektiven Leib schrieb, und bereitet anlässlich des Jubiläums auch ein Konzert am 16. Juni in der Philharmonie mit dem Blood, Sweat & Tears-Mitbegründer Randy Brecker (72) vor. „Ich freue mich schon sehr darauf, mit dem BuJazzO auftreten zu können“, sagt der US-Trompeter Brecker gegenüber dem General Anzeiger. „Ich spiele seit 1966 regelmäßig in Deutschland und hatte immer das Glück, dort auf exzellente Musiker zu treffen. In Bezug auf das Material, das wir für Köln geplant haben, gehe ich davon aus, dass das BuJazzO absolut professionell und auf höchstem Niveau erklingen wird.“

Orchester auf Anregung des Deutschen Musikrats gegründet

Gegründet wurde das Bundesjazzorchester 1987 auf Anregung des Deutschen Musikrats mit Sitz in Bonn, nachdem zuvor schon verschiedene Bundesländer ihre eigenen Jugendjazzorchester gegründet hatten. Die künstlerische Leitung übernahm Peter Herbolzheimer, der damals wie heute einen herausragenden Ruf genoss. Kein Wunder also, dass sich einst 350 junge Musiker auf die insgesamt 22 Plätze bewarben – darunter auch der damals 17-jährige Trompeter Till Brönner sowie der zuletzt beim Jazzfest Bonn umjubelte Vibraphonist Christopher Dell, der Bassist Martin Wind und der Perkussionist Roland Pell, den viele vor allem von den Fantastischen Vier kennen.

„Das war schon eine spannende Zeit“, erinnert sich Jiggs Whigham, der seit 2008 zusammen mit Niels Klein die Geschicke des BuJazzO lenkt, aber schon bei der Gründungsphase zugegen war. „Ich war mit Peter Herbolzheimer gut befreundet“, erzählt er. „Er hat mich auch mehrfach gefragt, ob ich nicht als Dozent bei den Workshops mitwirken könne, aber damals habe ich immer wieder abgelehnt – zumal die Posaunisten ohnehin schon alle bei mir Unterricht hatten. Dafür haben wir bei mir zu Hause gern mal zusammen gefeiert. Ich weiß noch, wie wie neugierig die alle waren und wie sie für den Jazz gebrannt haben. Und das hat sich bis heute gehalten.“

Ohne diese Eigenschaften würde Jazz kaum funktionieren. „Alle Art von Musik braucht Liebe und Energie“, betont Whigham, der in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag feiert und sich nach eigener Aussage immer noch „wie ein kleiner Bub“ fühlt. „Das BuJazzO gibt den vielversprechendsten Musikern die Gelegenheit, dies auszuleben und zu entdecken, in welchem Bereich man sich am wohlsten fühlt. Gleichzeitig können sie sich mit den Besten messen und voneinander lernen.“ Vergleichbar ist in diesem Zusammenhang das britische National Youth Jazz Orchestra, mit dem das BuJazzO seit 2014 eine Kooperation pflegt.

Doppelspitze und wechselnde Gastdirigenten

Zur Erfolgsgeschichte gehört auch, dass Whigham und Klein als Doppelspitze zwar die allgemeine Ausrichtung bestimmen, gleichzeitig aber ständig wechselnde Gastdirigenten wie der Free-Jazz-Veteran Alexander von Schlippenbach, der von WDR- und NDR-Bigband bekannte Mike Herting oder auch der Trompeter Manfred Schoof ihre eigenen Akzente setzen.

Natürlich ist auch das BuJazzO kein Garant dafür, dass man hinterher als Profimusiker überleben kann, selbst wenn neben Brönner, Wollny und Wülker auch Roger Cicero, Tom Gaebel, Julia Hülsmann, Nils Wogram, Frederik Köster und viele andere bekannte Jazzer in diesem Klangkörper geprägt worden sind.

„Man muss dem Ungeheuer einfach ins Auge blicken“, betont Whigham: „Für einen Star wie Michael Wollny, der einen fantastischen Lauf hat, gibt es 100 großartige Künstler, die kämpfen müssen, um sich auf dem Markt zu etablieren.“

Dennoch sei das BuJazzO eine erstklassige Referenz, die auch international anerkannt ist und gewisse Türen öffnet, an denen man als Musiker sonst lange klopfen könnte.

„Unser Ensemble ist ohne Frage das Aushängeschild Deutschlands“, so Whigham. Das belegen auch die Auslandsreisen, die das Orchester in den vergangenen 30 Jahren von den USA bis nach Indien und von Russland bis nach Südafrika geführt haben. „Die Erfahrungen, die man dabei sammelt, sind eigentlich unbezahlbar“, betont Whigham.

„Ohne das BuJazzO wäre ich nicht da, wo ich heute stehe.“

In diesem Punkt sind sich alle einig. „Ohne das BuJazzO wäre ich nicht da, wo ich heute stehe“, hat Till Brönner einmal voller Stolz gesagt und damit wahrscheinlich allen Alumni des Ensembles aus der Seele gesprochen. Doch ohne das BuJazzO wäre auch der deutsche Jazz nicht dort, wo er heute ist. Und zwar nicht nur mit Blick auf die herausragenden Solisten, die sich in 30 Jahren herauskristallisiert haben: Viele der Ehemaligen gestalten als Professoren die Jazzausbildung im Land, darunter Sebastian Sternal oder Peter Protschka. Andere sitzen in den Rundfunk-Orchestern und-Bigbands, deren Bedeutung zwar langsam zurückgeht, die aber immer noch Maßstäbe setzen.

Und dann wären da noch aufregende Komponisten wie Rebecca Trescher, die immer wieder mit aufregenden Stücken in oftmals ungewöhnlichen Besetzungen auf sich aufmerksam macht. Das merkt man. „Es gibt unglaublich viele junge Leute, die ein Interesse an Jazz haben“, sagt Niels Klein, „nicht zuletzt auch weil der Jazz in ganz neue Genres hineingewachsen ist. Inzwischen ist es für viele selbstverständlich, etwa Jazz und HipHop zu vermischen.“

Oder Jazz und so ziemlich alles andere. „Genau. Daher gibt es für die Jugend nicht mehr so große Hemmschwellen. Das BuJazzO will sich durchaus mehr den populären Stilen öffnen und zeigen, was da alles möglich sein kann, und auf der anderen Seite ein größeres Gewicht auf Stücke von den Mitgliedern selbst legen“, sagt Klein. „Und natürlich werden wir auch weiterhin die Klassiker spielen, denen wir uns verpflichtet fühlen.“

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