Digitale Forensiker Bonner Informatiker holen Preis zum zweiten Mal

BONN · Die Bonner Informatiker Martin Lambertz und Jan-Niclas Hilgert sind in den USA erneut für die beste wissenschaftliche Arbeit ausgezeichnet worden. Doch sie können nicht nur programmieren, sondern auch Bier brauen - und Kartentricks.

 Wenn die Arbeit auf wissenschaftlichen Konferenzen getan ist, geht es für Martin Lambertz (l.) und Jan-Niclas Hilgert oft in den gemeinsamen Urlaub.

Wenn die Arbeit auf wissenschaftlichen Konferenzen getan ist, geht es für Martin Lambertz (l.) und Jan-Niclas Hilgert oft in den gemeinsamen Urlaub.

Foto: Katharina Weber

Die Büros im langen Gang des Fraunhofer-Instituts an der Zanderstraße sehen von außen alle gleich aus: Viel Glas, ein bisschen Holz. Doch eines zieht den Blick auf sich. An der Tür hängt ein Foto, mit Herzchen verziert und überschrieben mit den Worten „Just married“. Zu sehen sind darauf die Nutzer des Büros: die Wissenschaftler Martin Lambertz (33) und Jan-Niclas Hilgert (26). Die beiden sind nicht wirklich den Bund fürs Leben eingegangen – vorher hätten ihre Partnerinnen wahrscheinlich Einspruch eingelegt. „Aber die Kollegen sagen immer, wir wären verheiratet“, erklärt Hilgert schmunzelnd.

Bei ihrer Arbeit in der Abteilung „Cyber Analysis and Defense“ des Fraunhofer-Instituts für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE) ist ihnen zuletzt ein kleines Kunststück gelungen: Auf einer amerikanischen Konferenz zum Thema Digitale Forensik namens „Digital Forensic Research Workshop“ sind sie in Providence, Rhode Island, zum zweiten Mal in Folge mit dem Preis für die beste wissenschaftliche Arbeit ausgezeichnet worden. „Wir waren uns hundertprozentig sicher, dass wir ihn nicht gewinnen“, erinnert sich Hilgert. „Doch dann meinte die Organisatorin am Tag vor der Verleihung: “Ihr solltet morgen kommen.„“

Die Digitale Forensik beschäftigt sich mit Daten, die bei verdächtigen Vorgängen und Straftaten eine Rolle gespielt haben. Klassisches Beispiel: Jemand löscht die Festplatte seines Computers, um kriminelle Machenschaften zu verschleiern. In diesem Fall können die Ermittler die Forensiker damit beauftragen, die gelöschten Daten wiederherzustellen.

Studien entwickeln 13 Jahre altes Modell weiter

In Hilgerts und Lambertz' Studie ging es um Dateisysteme, die festlegen, wie Dateien auf einer Festplatte organisiert sind. Der amerikanische Sicherheitsexperte Brian Carrier hatte im Jahr 2005 verschiedene Dateisysteme untersucht und dabei ein Vier-Schritte-Modell aufgestellt, mit dem sie analysiert werden können. In den letzten Jahren sei aber eine neue Klasse von Dateisystem aufgekommen, die grundsätzlich anders funktioniere als alle vorherigen, erklärt Lambertz. „Bei diesen gibt es die Zuordnung nicht mehr: ein Gerät, ein Speichermedium, ein Dateisystem.“ Stattdessen könnten diese Systeme auf mehrere Festplatten verteilt werden. „Das ist benutzerfreundlicher und sicherer“, erklärt Hilgert.

„In der ersten Studie haben wir geguckt, ob man Carriers Modell auch auf diesen modernen Dateisystemen benutzen kann“, sagt Lambertz. Im Modell seien dabei aus vier Schritten fünf geworden. Carrier setzte seine theoretischen Überlegungen damals praktisch in das sogenannte Sleuth Kit um, eine Reihe digitaler Werkzeuge zur Analyse von Dateisystemen. „Wir haben das geänderte Modell in diese Software integriert, sodass jeder unser Modell auf Dateisysteme dieser Klasse anwenden kann“, sagt Lambertz. „Damit können Nutzer sich einzelne Datenstrukturen angucken, aber auch Metadaten wie Zeitstempel: Wann wurde eine Datei geändert?“

In der ersten ausgezeichneten Arbeit wandten Lambertz und Hilgert das Modell auf das sogenannte ZFS-Dateisystem an; im jetzt prämierten Paper untermauerten sie die Allgemeingültigkeit ihres Modells, indem sie es auf ein weiteres System, BTRFS genannt, anwandten.

Momentan bauten sie eine Kooperation mit einer amerikanischen Forensikfirma auf, berichten die Informatiker. Langfristiges Ziel sei es, das Sleuth Kit auf noch mehr Dateisysteme anzupassen und in einer offiziellen Version öffentlich zugänglich zu machen.

"CSI" bringt Hilgert zur Forensik

Die Informatiker fanden vor gut zwei Jahren zusammen, als Hilgert, damals studentische Hilfskraft am FKIE, ein Thema für seine Masterarbeit in Computerwissenschaften suchte. „Und weil ich damals schon so ein Fan der Krimiserie “CSI„ war, hab ich mir dann Digitale Forensik ausgesucht und bin zu Martin gekommen“, erklärt Hilgert lachend. Nach dem Studium an der Uni Bonn wurde er, wie sein Kollege, wissenschaftlicher Mitarbeiter am FKIE in seiner Heimatstadt.

Lambertz stammt ursprünglich aus Ripsdorf in der Eifel. Vor dem Informatik-Studium ist er für seine Ausbildung zum IT-Systemelektroniker stundenlang mit der Bahn nach Bonn gependelt. „Seitdem kann ich perfekt in öffentlichen Verkehrsmitteln schlafen, jeglicher Art, immer und überall.“

Was an digitaler Forensik so faszinierend ist? „Puzzeln und Rätsel lösen“, sagt Lambertz. „Man hat immer kleine Stückchen und muss die zu einem Größeren zusammensetzen.“ Außerdem stehe in der Abteilung nicht nur die Forschung auf dem Programm. „Wir leisten teilweise auch aktive Unterstützung bei Ermittlungen.“

Abseits der täglichen Projektarbeit, Forschung und Lehre sind Hilgert und Lambertz regelmäßig auf wissenschaftlichen Konferenzen unterwegs, um ihre Forschungsergebnisse vorzustellen. Und im Anschluss dürfen ein paar Tage gemeinsamer Urlaub nicht fehlen, sagt Hilgert grinsend. Reisen liegt ihm: Mit den Kollegen aus der Abteilung geht es regelmäßig auf Wochenendtrips; die integrative Jugendgruppe „Brücke-Krücke“ begleitet er auf Ferienfreizeiten.

In der Freizeit: Bierbrauen, Salsa und Kartentricks

Das Klischee des Computer-Nerds erfüllen beide abseits der Arbeit eher weniger: Hilgert versuche, zwei, drei Mal die Woche zu trainieren und ebenso oft laufen zu gehen. Wenn er gerade keine Festplatten untersucht, zieht Lambertz gern die Kittelschürze an, um mit Hopfen und Malz zu experimentieren: „Alles, was wir auf der Arbeit machen, ist rein im Computer und den Leuten oft schwer zu erklären. Beim Bierbrauen macht man etwas mit den Händen, das man nachher vorzeigen kann. Das ist ein schöner Ausgleich.“

Zuletzt hat er mit Kollegen ein IPA gebraut, ein India Pale Ale. „Bisher sind die immer erstaunlich gut geworden, trotz diverser Fehler und Unfälle während des Brauvorgangs.“ Einmal sei ihnen der gerade herausgefilterte Hopfen samt Filter ins fertige Produkt gefallen. Um die gebrauten Kalorien wieder zu verbrennen, wirbelt er im Salsa-Kurs seine Freundin umher.

Hilgert kaufte sich sich mit 18 Jahren ein Keyboard und brachte sich Klavierspielen mit Erklärvideos aus dem Internet bei. Seit Neuestem lernt er Kartentricks. „Das ist entspannend. Für mich, für die Kollegen nicht“, sagt er und lacht. Lambertz schickt ihm einen vielsagenden Blick. In einem Urlaub habe Hilgert im Hotelzimmer bis zwei Uhr morgens Kartenmischen geübt, erzählt der ältere Kollege halb belustigt, halb verstört.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Held ohne Heldenpose
“One Life“ mit Anthony Hopkins Held ohne Heldenpose
Aus dem Ressort