KunstRasen Wolfgang Niedecken feiert mit BAP Tourfinale in Bonn

BONN · Der Kölner Sänger Wolfgang Niedecken feiert mit BAP auf dem KunstRasen den Abschluss seiner Deutschlandtournee. Erwartet werden rund 7500 Besucher. Im Gespräch freut sich Wolfgang Niedecken über das große Interesse der Bonner.

GA: Herr Niedecken, Sie ziehen zurzeit wieder mit BAP durchs Land. Wie läuft die Tournee?

Wolfgang Niedecken: Bestens. Zum Glück haben wir uns für eine Verstärkung durch einen dreiköpfigen Bläsersatz entschieden, das bringt zusätzliche Power in die Arrangements.

GA: In Bonn stehen am 16. August 7500 Fans parat. Wie ist das enorme Interesse zu erklären?

Niedecken: Ich glaube, es hat sich herumgesprochen, dass diese Tour eine besondere ist. Hinzu kommt, dass wir hier viele Fans haben. Meine allerersten Konzerte hatte ich in Bonn – in Grau-Rheindorf in den Rheinterrassen oder in Bad Godesberg im Underground. Und als die Bonner U-Bahn gebaut wurde, die Gleise aber noch nicht verlegt waren, haben wir mit Goin‘ Sad am Hofgarten im Untergrund gespielt.

GA: Stimmt es, dass Sie Ihre erste Plattenaufnahme 1969 mit Goin' Sad eingespielt haben – für den Mini-Sampler „Hans Daniels präsentiert Bonner Beat Bands“?

Niedecken: Natürlich. Wir hatten das Angebot, im Kölner Cornet-Studio zum ersten Mal einen Song aufzunehmen.

GA: Der Christdemokrat Hans Daniels war später OB in Bonn. Keine Berührungsängste?

Niedecken: Okay, ein CDU-Mann, aber seine Idee war gut.

GA: Was war das für ein Stück?

Niedecken: Eine Komposition von mir: „Satin Rose“.

GA: Stilrichtung?

Niedecken: Ziemlich viel geklaut: Steamhammer – mit Anleihen aus „Set the Controls for the Heart of the Sun“ von Pink Floyd.

GA: Heute spielen Sie große Open-Airs. Erfasst man als Frontmann die Stimmung im Publikum. Schauen Sie in einzelne Gesichter?

Niedecken: Ja. Es wäre eine Horrorvorstellung, wenn ich keine Gesichter sehen könnte. Ich erinnere mich an unser letztes Konzert auf dem KunstRasen: Es war der 22. Juli 2016, der Tag, an dem in München dieser Typ Amok lief. Ich wusste auf der Bühne davon nichts, habe aber die Konzertbesucher registriert, die immer wieder auf ihre Handys starrten. Nach dem Konzert wurde ich informiert.

GA: Kürzlich sollte Sting auf dem KunstRasen spielen. Er musste das Konzert wegen einer Kehlkopfentzündung absagen. Auch eine Horrorvorstellung?

Niedecken: Mir hat nur einmal die Stimme versagt, während der „Da Capo“-Tour in Münster. Nun bin ich allerdings auch kein Caruso, der mit vokalen Höchstleistungen verblüfft. Sting singt relativ hoch. Um in diese Lagen zu kommen, musst du schon einige Energie aufwenden.

GA: Haben Tourneekünstler einen Plan B bei krankheitsbedingten Ausfällen?

Niedecken: Nicht wirklich. Man kann vorbeugend einiges tun. Man sollte nicht übertrieben rumsumpfen. Was du nach einem Konzert erzählst, geht mehr auf die Stimmbänder als das, was du beim Konzert singst. Einen Plan B gibt’s nur aus der Hüfte.

GA: Was heißt das?

Niedecken: Wir haben in Kempten für diese Tour eine Woche geprobt, der Trompeter hat sich dabei die Lippe entzündet. Vor dem Tour-Start in Stuttgart teilte er mir morgens mit, dass er abends nicht spielen kann. Aber es gab einen Ersatzmann – in Düsseldorf. Ihm haben wir Noten und Arrangements gemailt, er kam rechtzeitig nach Stuttgart und hat das Konzert vom Blatt gespielt.

GA: Das BAP-Repertoire enthält eine riesige Auswahl an Stücken. Wie hält man alte Songs frisch?

Niedecken: Indem man Veränderungen zulässt. Klar, du kannst auch zu deiner eigenen Coverband werden, es gibt Leute im Publikum, die das freuen würde. Mir ist es aber wichtig, dass sich alle Musiker auf der Bühne repräsentiert fühlen. Ich will den Bläsern nicht vorschreiben, was sie zu spielen haben. Die wissen das selbst besser, besser als ich.

GA: „50 Jahre Woodstock“. Was fällt Ihnen zum Thema ein?

Niedecken: Der Film hat, wie ein Bernsteintropfen, die damalige Zeit anschaulich eingeschlossen. Das Thema Vietnam ist omnipräsent, man spürt den Protest gegen diesen Krieg. Die Woodstock-Besucher sind meine Zeitgenossen. Wenn ich in der Gegend gewesen wäre, hätte ich garantiert im Publikum gestanden.

GA: Nicht auf der Bühne?

Niedecken: Ich glaube nicht, dass jemand ausgerechnet Goin‘ Sad aus Rheinbach in Woodstock gebraucht hätte.

GA: Was ist geblieben vom Geist des Festivals? „Fridays for future“ vielleicht?

Niedecken: Die Kids haben meine uneingeschränkte Sympathie. Es kam so unverhofft: Man redet sich – auch als Künstler – oft den Mund fusselig, doch die Politik rührt sich nicht. Auf die Kinder hat man anscheinend wieder gehört. Auch die Kapitänin Carola Rackete imponiert mir sehr.

GA: „Massenhaft Chancen gnadenlos vergeigt, / ewiges Eis schmilzt und es scheint so / als ob der Meeresspiegel steigt“, singen Sie in „Absurdistan“. Sie bleiben dran an diesen Themen?

Niedecken: Manchmal kommt man sich schon blöd vor, wenn man solche Sachen immer wieder anspricht. Aber ich werde es trotzdem tun – aus wechselnden Perspektiven, denn ich will nicht, dass die Leute einschlafen.

GA: Sie unterstützen ehemalige Kindersoldaten in Uganda, Kongo, Süd-Sudan mit Ausbildungsprojekten. Wie ist die Lage?

Niedecken: Die Sahelzone breitet sich aus, die Menschen wissen nicht, wie sie ihr Vieh tränken sollen. Dann die Korruption. Wir bilden uns nicht ein, das Problem Kindersoldaten mit „Rebound“ aus der Welt zu schaffen. Doch dort, wo es unsere Einrichtungen gibt, wissen diese Kids, wo ihnen geholfen wird.

GA: Was kann man noch tun?

Niedecken: Auch die EU ist gefordert. Wenn holländische Tomaten in Afrika billiger sind als regionale Tomaten, dann stimmt etwas nicht. Und wenn japanische Trawler die Meere vor Somalia leerfischen, müssen wir uns nicht wundern, wenn die Menschen dort auf eine andere Geschäftsidee kommen: Piraterie beispielsweise.

GA: Apropos Europa: Der Miterfinder des Brexit ist neuer Premier in London. Wo geht die Reise hin? No deal?

Niedecken: Man muss etwas Geduld haben, Boris Johnson wird vermutlich noch ordentlich vor die Pumpe laufen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ganz Großbritannien von Blindheit geschlagen ist. Es gibt genügend junge Leute, die kapiert haben, dass wir in Europa nur gemeinsam eine Chance haben.

GA: Letzte Frage: Bleibt Ihnen noch Zeit für Bildende Kunst?

Niedecken: Nee, seit 20 Jahren nicht mehr. Gut, die Bühnenbilder zur Tournee habe ich gestaltet. Zum großen Finale in Bonn bauen wir ein letztes Mal noch die New-Orleans-Kulisse auf. Sehr aufwendig, mit Treppen, Palmen, rotem Teppich und LED-Wänden. Zum Tour-Abschluss erlauben wir uns das noch mal.

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