Pink Punk Pantheon Von Beuel lernen heißt siegen lernen

Bonn · Die Karnevalsrevue Pink Punk Pantheon feiert ihre Premiere in der neuen Spielstätte.

 Fritz und Hermann: Rainer Pause (rechts) und Norbert Alich im „Arbeiter- und Gerüstebauer-Paradies“.

Fritz und Hermann: Rainer Pause (rechts) und Norbert Alich im „Arbeiter- und Gerüstebauer-Paradies“.

Foto: Kirsch

Fünf Waschweiber betreten die Bühne, nur eine davon ist wirklich eine Frau. Sie trägt Saxofon. Man nimmt Platz in der Musikecke. Das Quintett intoniert ein Kampflied aus der Arbeiterbewegung: „Dem Morgenrot entgegen“. Klar, der Morgen färbt sich rot, wenn die Sonne aufgeht, was sie gemeinhin im Osten tut. Der Osten indes ist in diesem Fall mehr als eine bloße Himmelsrichtung. Die Stimme des Alterspräsidenten erklingt: „Ja, wir haben Asyl gefunden in der Ostzone von Bonn.“ Revolutionäre stürmen in den Saal, okkupieren mit wehenden Fahnen die Bühne. Danach nehmen auch die beiden Vereinsgranden Platz auf ihrem mobilen Podium. „Von Beuel lernen heißt siegen lernen“, sagt Fritz Litzmann (Rainer Pause), während Hermann Schwaderlappen (Norbert Alich) bereits den ersten Korn klarmacht.

Mit dieser fulminanten Exposition beantwortet das Ensemble der Karnevalsrevue Pink Punk Pantheon recht zügig die Frage, wie man es denn mit dem neuen Standort hält. Das Pantheon befand sich bekanntlich auf der Suche nach einer Spielstätte, also macht man jetzt aus der Not eine Tugend und findet Beuel richtig klasse. Der alte Fritz fordert „kein Hochwasser mehr für Beuel“ und bejubelt im Falsett, das einem Walter Ulbricht alle Ehre macht, das „Arbeiter- und Gerüstebauer-Paradies“.

Womit wir bei der optischen Aufarbeitung des Themas wären: Die Bühne ist ein Gerüst, eine Baustelle mit Absperrbändern und Warnschildern. Aber auch mit leeren Bierkästen lässt sich prima improvisieren – wie damals in den Sturm- und Drangzeiten der freien Theaterszene, als die Künstler noch keine Kohle hatten, aber jede Menge Ideen für eine Karnevalssitzung der alternativen Art. Als Keimzelle fungierte der Kessenicher Kleinkunstladen Fettnäpfchen, wobei in den Kornflaschen seinerzeit noch drin war, was drauf stand. Dafür jedenfalls hat die Gage gereicht.

Im Pantheon am Kanzlerplatz avancierte die Revue zum Erfolgsmodell mit mehr als 40 Shows pro Session. 42 sind es in der Spielzeit 2016/17. Am formalen Grundprinzip halten die Akteure auch in ihrer 34. Session eisern fest: Zwei alte Säcke moderieren und betrinken sich, ein Dutzend Musiker und Schauspieler belustigten die Besucher mit ambitionierten Sketchen, die mitunter tagesfrisch auf politische Verwerfungen abzielen.

Im ersten Durchgang setzt Beate Bohr die Akzente mit einem Vortrag über die Unbedenklichkeit von Glyphosat. Ihr Selbstversuch zeugt von hoher mimischer Kunst, wenn der Mundwinkel fast das Ohr touchiert. Im Doppel mit Massimo Tuveri gibt Bohr eine Bauchrednerin – und spielt erneut mit einem Kontrollverlust: Puppe Balduin verdreht ihre scheinbar harmlosen Sätze in rechtes Gedankengut. Und keiner will’s gewesen sein.

Beim Casting um den Literaturnobelpreis rezitieren die Kabarettisten verkopfte Gedichte, bei der Aufzählung der Verstorbenen des Jahres geraten die Namen durcheinander. Höhepunkt vor der Pause: ein Beitrag zum Thema „Smart Home“. Tunc Denizer wähnt sich umzingelt von dienstbaren Geräten, die ihn selbst am stillsten aller Örtchen mit medizinischen Analysen bedrängen.

Im zweiten Durchlauf nimmt die Show spürbar Fahrt auf. Die ehemalige Halle Beuel will anders bespielt werden als der kuschelige Keller am Kanzlerplatz. Mit viel Drive sezieren die Schauspieler das amouröse Geflecht eines karnevalistischen Freundeskreises. Fünf Seniorinnen sprengen einen Geldautomaten – Altersarmut halt. Drei linientreue Karnevalisten gründen Ukip, was für „Unverstandene Karnevalisten in Poppelsdorf“ steht. Und Tom Jacobs will nicht etwa Prinz werden, er singt zur traditionsreichen Melodie lieber „Emol Trump zo sin“.

Die traditionellen Running Gags bleiben eine sichere Bank: der „transparente“ Rechenschaftsbericht in leerer Klarsichtfolie, die große Präsidiumsrede mit Sprüchen aus drei Jahrzehnten und schließlich auch die zeremonielle Kölsch-Überreichung durch die nette Servicekraft. „Sie ist mir nach Beuel gefolgt“, sabbert Fritz.

Dennoch: Nicht jeder Gag zündet, nicht jede Nummer erschließt sich sofort. Die Erklärung kommt aus der Wiedervorlage: Premieren bei Pink Punk Pantheon sind stets Unikate. 200 Minuten netto schüttelt kein Ensemble unfallfrei aus dem Ärmel. Erst mit der Routine reift die Show. Das geht in der Regel schnell. Auch in Beuel.

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