Comedian Roberto Capitoni im GA-Interview Viel Spaß mit Spätzle und Spaghetti

BONN · Roberto Capitoni zählt zu den Pionieren der deutschen Comedy. Noch bis Ende des Monats moderiert der schwäbische Italiener mit Wohnsitz Koblenz wöchentlich acht Vorstellungen der Varieté-Show „Sprechstunde“ im Bonner GOP-Theater.

 Kultfigur: Roberto Capitoni als Elektro-Man

Kultfigur: Roberto Capitoni als Elektro-Man

Foto: Agentur

Der Italiener aus dem Allgäu gehört zu den Geburtshelfern der deutschen Comedy, mit seiner Kunstfigur „Elektro-Man“ und schrägen Nonsens-Nummern hat er bereits in den frühen Achtzigern die Kleinkunstbühnen der Republik bespaßt.

Als Solist thematisiert der halbitalienische Halbschwabe heute vorzugsweise die beiden Seelen in seiner Brust. Und fährt wöchentlich für acht Shows von seinem Wohnsitz in Lahnstein bei Koblenz nach Bonn, um im GOP-Theater als Conferencier durch die Abende zu führen. Mit Capitoni sprach Heinz Dietl.

GA: Herr Capitoni, wie kommt ein gestandener Comedian zur Moderation einer Varieté-Show?

Roberto Capitioni: Man hat mich gefragt, ob ich Lust hätte, die Revue für die komplette Spielzeit zu moderieren, aber zwei Monate waren mir definitiv zu lang. Ich habe übers Jahr einfach zu viele Solotermine. Und weil mein Kollege und guter Freund Sascha Korf auf der Bühne ähnlich aufgedreht unterwegs ist, haben wir überlegt, uns den Auftrag zu teilen.

GA: Wie kommt es zum Titel „Sprechstunde“?

Capitoni: Sascha Korf redet viel und schnell, ich auch. Er ist halber Spanier, ich halber Italiener. „Sprechstunde“ passt.

GA: Denkt man dabei nicht eher an ein medizinisches Programm?

Capitoni: Möglich, deshalb moderiere ich die Show als therapeutische Veranstaltung und lasse das Publikum entscheiden, ob der Moderator einen an der Klatsche hat oder nicht.

GA: Sie spielen jetzt zwar „nur” einen Monat in Bonn, stehen aber trotzdem acht Mal pro Woche auf der Bühne. Anstrengend?

Capitoni: Freitag, Samstag und Sonntag sind es zwei Shows täglich – der Hammer. Zwischen den Shows treffen wir uns zum Essen, reden kurz über die Abläufe – und dann erklingt schon der nächste Gong.

GA: Sie moderieren die Einzelauftritte von drei Solisten und drei Duos. Was ist besonders an diesen Künstlern?

Capitoni: Stefan Bauer ist ein Nerd mit dicker Brille, er spricht nicht, beherrscht aber perfekt die Diabolo-Jonglage. Ein cooler Typ, der auch beim ganz jungen Publikum prima ankommt. Camille und Louis-Marc sind zwei Artisten aus Kanada: perfekte Körper, perfekt am Seil, perfekt beim Handstand. Die Russen Luiza und Dmitrii wiederum bleiben in ihrer ästhetischen Artistik eher traditionell. Die verzeihen sich keinen Fehler, die hohe russische Schule.

GA: Niels Weberling verblüfft als Herr Niels mit ungewöhnlichen Körperbewegungen. Wie macht er das?

Capitoni: Ich glaube, er hat keine Knochen. Er bewegt sich wie ein Oktopus, dreht sogar Finger und Ohren in verschiedene Richtungen. Vielleicht hat er zu viel Tintenfisch gegessen. Anna Weirich jongliert an einer glatten Metallstange – wie eine Gottesanbeterin, irgendwie engelsgleich. Und bei den beiden Togni Brothers fehlen mit ebenfalls die Worte, ich hätte mir beim Salto längst die Wirbelsäule gebrochen.

GA: In der Moderation bauen Sie Ausschnitte aus Ihren zahlreichen Soloprogrammen ein. Funktioniert die Verbindung zwischen Comedy und Varieté?

Capitoni: Es ist eine spannende Herausforderung. Ob drei oder sechs Minuten Moderation: Wenn mein grünes Signal leuchtet, muss ich auf den Punkt kommen, weil sich die nächsten Artisten aufgewärmt haben und hinter dem Vorhang schon am Gerät hängen. Da kann ich nicht noch zwei Minuten weiterlabern.

GA: In der Moderation taucht ein alter Bekannter auf: Ist die Figur des Elektro-Man ein roter Faden in Ihrer Karriere?

Capitoni: Der Elektro-Man stammt in der Tat aus meiner Frühphase, die Figur habe ich Mitte der achtziger Jahre auch auf Bonner Kleinkunstbühnen gespielt. Jazz Galerie, Pantheon. In einem Varieté-Theater darf er erst recht nicht fehlen, er hält sich schließlich für die größten Zauberer aller Zeiten.

GA: Was zeichnet die Figur aus?

Capitoni: Er ist Superman für Arme. So hatte ich ihn seinerzeit für eine Nummer angelegt, aber er wurde immer beliebter. Der Elektro-Man war mein Alien, der unbedingt rauswollte und ein komplettes Soloprogramm einforderte. Er ist ein Großmaul mit Steckdosennase, er kann nix und präsentiert das als größte Nummer. Wenn er Fehler macht, sind alle anderen schuld.

GA: Sie spielen seit 1981 Comedy. Sehen Sie sich als Pionier?

Capitoni: Es gab damals jedenfalls keinen einzigen anderen Stand-up-Comedian. Im Comedy-Bereich kannte man Django Edwards und Monty Python, später gab es deutsche Gruppen wie Die kleine Tierschau oder Shy Guys. Und schließlich die Niegelungen aus Koblenz, bei denen ich 1989 eingestiegen bin. Das war Monty Python auf Deutsch, genau mein Humor.

GA: Die Niegelungen, die heute wieder gelegentlich aktiv sind, gelten als erste deutsche Comedy-Truppe überhaupt. Trifft das zu?

Capitoni: Hinsichtlich der Reichweite in jedem Fall. Wir waren bundesweit aktiv, spielten jeden Sommer sechs Wochen in Berlin, täglich außer montags, immer ausverkauft. Die Fans reisten hinter uns her, aus einem ist sogar ein Berufskomiker geworden: Holger Müller alias Ausbilder Schmidt.

GA: Heute gibt es Comedy flächendeckend auf zahllosen Bühnen im Land. Gut so?

Capitoni: Einerseits finde ich es erfreulich, dass sich die Künstler ausprobieren können, aber nicht alles ist auch abendfüllend. Jeder geht auf die Bühne, Mikro in die Hand, erzählt was. Manchen fehlt die Ausbildung.

GA: Als Solist sind Sie mittlerweile mit Ihrem fünften schwäbisch-italienischen Programm auf Tournee. Ist der vermeintliche Gegensatz der beiden Kulturen unbegrenzt inspirierend?

Capitoni: Durchaus. Meine persönlichen Lebensabschnitte bestimmen die Programmpunkte. Ich werde älter, also mache ich daraus Programm. Ich betrachte die Dinge mal als Italiener, mal als Schwabe, nicht immer klischeefrei, aber aus dem echten Leben. Ich mag halt beides: Spätzle und Spaghetti.

GA: Was sind denn die größten Gegensätze?

Capitoni: Der Schwabe hortet Geld, der Italiener gibt es aus.

GA: Hat Roberto Capitoni einen Bausparvertrag?

Capitoni: Ja, aber eher unbewusst. Ich habe da mal was unterschrieben, im Nebenzimmer einer Wirtschaft. Ich dachte, es wäre die Quittung, aber es war ein Vertrag.

GA: Nun leben Sie in Koblenz. Wie halten Sie Ihre multiple Identität zusammen?

Capitoni: Hinzu kommt: Ich habe 16 Jahre in Köln gewohnt. Manche Menschen halten mich sogar für einen Hessen, was vielleicht damit zusammenhängt, dass Hessen zwischen Schaben und dem Rheinland liegt. Ich blicke oft selber nicht mehr durch.

GA: Ihr aktuelles Solo heißt „Italiener schlafen nackt – manchmal auch in Socken“. Was will uns der Künstler damit sagen?

Capitoni: Der Italiener in mir hat sich überlegt, dass etwas Sex und Erotik im Programmtitel vor allem beim weiblichen Publikum gut ankommen könnte. Frauen ab vierzig, fünfzig, sechzig mögen leicht anrüchige Titel. Da tun sich dann ganze Mädelgruppen zusammen.

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