Konzert im Beethoven-Haus Pianistin Claire Huangci kommt nach Bonn

Bonn · Sie vesucht stets tiefe Emotionen in ihren Stücken zu erzählen und ist bald in Bonn zu hören: Die Tastenstürmerin Claire Huangci spielt im Rahmen des Klaviersommers im Beethoven-Haus.

Zierlich und klein, ja fast zerbrechlich – so sehen also die schnellsten Finger der Welt aus? Claire Huangci lacht: „Oh nein, das ist ja nur ein Zitat gewesen – und außerdem gibt es Pianisten, die schneller spielen als ich.“

Nun, immerhin war es Vladimir Krainev, legendärer Klavierpädagoge und international gefragter Solist und Kammermusiker, der ihr schon 2007 bei der Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule in Hannover diesen Weltmeistertitel verlieh: hörbar und sichtlich beeindruckt von Tempo und Virtuosität, mit der die damals 17-Jährige durch Chopins zweite Sonate gerauscht war. Und garantiert wird die Tastenstürmerin auch beim Bonner Klaviersommer für Aufsehen sorgen ob ihrer wieselflinken Finger und einer Motorik, die bisweilen zum reinsten Tastenspuk gerät.

Ergebnis ihrer Lehrzeit am Curtis Institut in Philadelphia Anfang dieses Jahrtausends: „Meine beiden dortigen Lehrer Eleanor Sokoloff und Gary Graffman haben damals sehr viel Wert auf die Ausbildung einer tadellosen Technik gelegt“, erinnert sich das zarte Persönchen. Gerade einmal zwölf Jahre alt war Claire, als sie dort parallel zur Schule ihr Studium begann: In einer Welt, die sehr von Leistungsdenken geprägt war – „machten wir im Unterricht bei einem Stück einen Fehler, mussten wir das Werk noch einmal von vorn anfangen: Manchmal hat das dann auch in Tränen geendet.“

Stets zu Höchstleistungen motiviert

Vor allem aber die amerikanische Teenagerin chinesischer Abstammung offenbar zu eigenen Höchstleistungen motiviert: Gerade einmal fünf Studenten fanden sich damals in Graffmans Klasse, unter ihnen auch Yuja Wang. „Studierte sie Prokofjews zweites Klavierkonzert, dann haben wir anderen das auch gespielt – das war eine sehr positive, fordernde wie fördernde Konkurrenz, bei der doch jeder seinen eigenen Stil entwickeln konnte.“

Nicht zuletzt in Sachen Mode. Denn wo ihre drei Jahre ältere Kollegin schon früh auf extravagante, gern auch knappe Kleider gesetzt hat und den rauschenden Auftritt liebt, kommt Huangci nicht nur zum Gespräch burschikos-entspannt in Jeans, Shirt und Sweatjacke daher. „Ich bin ein sehr bodenständiger Mensch, trage selbst auf der Bühne fast nie Make-up – und das hier ist schon das Höchste in puncto High Heels“, schmunzelt die 28-Jährige und zeigt auf ihre Plateauschuhe.

„Ich brauche das einfach nicht – mir ist wichtig, dass ich mich auf der Bühne in meiner Kleidung wohlfühle und genügend Bewegungsfreiheit beim Spielen habe. Nicht, dass sonst noch die Musik abgewürgt wird, denn ich hatte schon Kleider, die zu eng saßen.“ Nun, inzwischen tun das die ausgewählten Stücke ihrer Garderobe offenbar nicht mehr. Jedenfalls hat die Tastenstürmerin über ihre immense Spielfreude hinaus eine Musikalität und Farbenfreude entwickelt, denen die vermeintliche technische Leichtigkeit lediglich als Sprungbrett für eine ganz eigene (Aus-)Gestaltung dient.

Interpretationen, die aufhorchen lassen

Vor allem bei Chopin gelingen ihr so immer wieder Interpretationen, die aufhorchen lassen – wie etwa ihre Einspielung aller Nocturnes (einige sind nun auch im Beethoven-Haus zu hören), für die sie ein jedes einzelne der Kleinode mit von ihr ausgewählten Gedichtzeilen seiner Zeitgenossen wie Baudelaire, Musset oder Hugo verbunden hat. „Ich wollte dem Hörer eine Vorstellung der vielen und tiefen Emotionen geben, die in diesen Werken liegen“, erzählt die junge Frau. „Und da Chopins Liebesbriefe Liebesgedichten gleichen und seine Art zu schreiben wie Musik klingt, schienen mir Verse französischer Dichter für diese Idee ideal.“

Ein Brückenschlag zwischen den Künsten, den nicht zuletzt ihr Lehrer Arie Vardi angeregt hat: 2007 war Huangci zu dem Meistermacher nach Hannover gekommen, nachdem dieser sie in einer Probestunde „schwer beeindruckt“ hatte. „Er wollte von mir Mozarts d-Moll-Fantasie hören, und ich dachte noch, die sei doch viel zu einfach – aber dann haben wir eine ganze Stunde lang am Klang gearbeitet und ich habe festgestellt, wie viel ich hier noch lernen kann.“

Heute ist die Schülerin von einst Vardis Assistentin und unterrichtet selbst an der Hochschule für Musik, Theater und Medien; hat in der niedersächsischen Landeshauptstadt eine neue Heimat gefunden und liebt es, dort am Maschsee oder in den Herrenhäuser Gärten spazieren zu gehen. Was am Ende auch sein Verdienst sei, denn: „Er hat mich meinen eigenen inneren Frieden finden lassen.“

Der manchmal sogar eine äußere Verwandlung nach sich zieht, wenn die Pianistin den Konzertsaal im langen, körperbetonten Kleid betritt und voller Eleganz dessen leuchtend rote Schleppe in der linken Hand trägt, während auf ihrem bloßen Rücken glitzernde Zierketten funkeln. Am Ende ist eben auch in der Klassikwelt der Auftritt eine Frage des Stils. Claire Huangci hat den ihren zweifellos gefunden.

Konzert beim Bonner Klaviersommer: 10.7. Beethoven-Haus, 20 Uhr, Karten: 02 28/5 02 010.

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