Interview mit russischer Pianistin Olga Scheps: „Klassische Musik ist für jeden da“

Bonn · Sie wurde in Moskau geboren, ist in Köln zu Hause und gastiert mittlerweile weltweit: Pianistin Olga Scheps. Am Wochenende spielt sie zusammen mit dem Beethoven Orchester Rachmaninow.

 Echo-Preisträgerin: Pianistin Olga Scheps.

Echo-Preisträgerin: Pianistin Olga Scheps.

Foto: Arens

Eine Ihrer sehr frühen Erfahrungen mit Orchester verdanken Sie der Klassischen Philharmonie Bonn. Wie war es, mit Heribert Beissel und seinen Musikern zusammenzuarbeiten?

Olga Scheps: Wir hatten viel Spaß auf der Tournee damals. Im Orchester waren viele Musiker, die ich vom Studium in Köln kannte. Wir haben Chopin gespielt und Herr Beissel war ein sehr aufmerksamer, sensibler und temperamentvoller Dirigent. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, gemeinsam Musik zu machen, und es war auch eine meine ersten Tourneen. Dabei konnte ich wichtige Erfahrungen sammeln.

Was bedeutete die Tournee mit der Klassischen Philharmonie musikalisch für Sie?

Scheps: Diese Tournee war eine ganz tolle Erfahrung für mich. Wir haben acht Konzerte gespielt und ich habe gemerkt, wie viel Spaß es mir macht, ein Stück oft hintereinander zu spielen. Nach jedem Auftritt habe ich alles durchdacht, hinterfragt, was ich eben gut fand und was ich gerne anders machen würde, und am übernächsten Tag hatte ich direkt die Möglichkeit, es zusammen mit dem Orchester umzusetzen. Das ist einer der Gründe, warum ich bis heute auch sehr gerne mehrmals ein Stück spiele. Man wächst mit dem Stück zusammen, zusammen mit dem Orchester und dem Dirigenten, wird vertrauter miteinander und mutiger, probiert Dinge gemeinsam aus. Es gibt für einen Pianisten auch kein besseres Training als die Praxis, auch dafür war und bin ich sehr dankbar. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn wir noch mal so eine Tournee gespielt hätten. Es gab eine Wiedereinladung von Herrn Beissel und ich hatte über meine damalige Agentur zugesagt. Allerdings kam so eine Tournee dann aus Gründen, die ich nicht kenne, nicht mehr zustande.

Sie haben grundsätzlich keine Wettbewerbe gespielt?

Scheps: Ich bin nicht der Typ, der sich im Klavierspiel gern mit anderen misst. Wenn ich spiele, will ich nur an die Musik denken. Wenn ich mich mit jemandem messe, dann zuallererst mit mir selbst. Für so einen Weg ohne Wettbewerbe muss man allerdings sehr viel Geduld haben: Es gibt nicht den einen großen Durchbruch, den ein Preis mit sich bringt, viele Konzertengagements auf ein Mal, Aufmerksamkeit von einem großen Publikum. Es dauert deutlich länger, bis man sich etwas aufgebaut hat. Ich sage nicht, dass es schwerer oder leichter ist, es ist anders.

Mittlerweile treten Sie ja weltweit mit großen Orchestern und Dirigenten auf. Was Sie aber nicht davon abhält, auch mal alternative Auftrittsmöglichkeiten und -orte auszuprobieren. Im vergangenen Jahr haben Sie sich in Köln mal als Straßenmusikerin versucht. Wie war das?

Scheps: Ja, das war gleich hier am Dom. Ich wohne nicht weit von hier. Und als ich mal wieder vorbeigegangen bin, habe ich mich gefragt, was wohl passiert, wenn ich hier einfach einen Flügel hinstelle und Klavier spiele. Hier treffen ganz zufällig sehr viele Menschen aufeinander aus unterschiedlichen Altersgruppen, mit unterschiedlichen Interessen und Musikgeschmäckern. Die Organisation war nicht unkompliziert: Als Straßenmusiker muss man sich an bestimmte Regeln halten, zum Beispiel muss man alle 30 Minuten den Ort wechseln, daran habe ich mich natürlich gehalten. Dafür musste eine fahrbare Bühne organisiert werden.

War das Ihr Ziel bei dieser Aktion?

Scheps: Ich finde, dass klassische Musik grundsätzlich für jeden Menschen zugänglich ist. Dass Leute, die sonst eher auf Hip-Hop stehen, weniger in Konzerte mit klassischer Musik gehen, liegt meiner Meinung nach eher an der Situation des Konzertes als an der Musik selber. Beim Rock- oder Hip-Hop-Konzert kann man reden, mittanzen, mitsingen oder mal rausgehen – das stört niemanden. In klassischen Konzerten muss man still sitzen und konzentriert zuhöen – das fühlt sich vielleicht komisch an, wenn man es zum ersten Mal macht. Aber es macht total Sinn und es ist echt schön, innerhalb dieser Stille gemeinsam mit anderen Menschen die Musik auf sich wirken zu lassen. Das Straßenmusikkonzert war für mich auch ein Experiment.

Und war es erfolgreich? Sind die Leute tatsächlich stehen geblieben?

Scheps: Wir haben das erste Konzert vor dem WDR-Gebäude gegeben.Viele Interessierte standen schon da, bevor ich angefangen hatte zu spielen. Sie hatten den Flügel gesehen und waren neugierig. Es waren ungefähr 150 Leute, die um den Flügel herum standen, auch viele Kinder. Viele haben ihre Handys hochgehalten und gefilmt. Ich habe dann erst mal eine Sonate von Chopin gespielt, etwas von Prokofjew, auch ein bisschen Satie. Sie klatschten, ich habe mich verbeugt, und dann waren die 30 Minuten schon um und wir mussten weiterziehen, mit unserer Bühne auf Rädern. Viele Menschen sind mitgegangen zur nächsten Station direkt am Dom, dort hatte ich die meisten Zuhörer.

Sie spielen gern Chopin, Schubert, auch russische Komponisten natürlich. Was muss Musik haben, dass es Sie reizt, sie einzustudieren?

Scheps: Es ist in erster Linie ein Bauchgefühl. Ich kann es manchmal gar nicht erklären, warum mir ein Stück gut gefällt, dann wieder ein anderes weniger gut. Ich suche mir das nicht nach einer bestimmten Epoche aus. Mein Repertoire ist sehr gemischt. Letztes Jahr habe ich ein Programm mit Musik von Erik Satie aufgenommen. Man hört sie selten in Konzerten. Zu Unrecht. Im nächsten Jahr werde ich mich mehr mit Tschaikovskij auseinandersetzen, mit den Bearbeitungen von Michael Pletnev von der Nussknacker-Suite.

Würden Sie sagen, Ihre Gesangsstimme ist das Klavier?

Scheps: Mein Vater hat mir immer gesagt, du musst am Klavier singen. Da gebe ich ihm Recht. Die menschliche Stimme ist das, womit wir kommunizieren. Und wenn man etwas ausdrücken möchte, ist es am besten, wenn man die menschliche Stimme imitiert. Das kann man am Klavier sehr gut. Aber ich mag auch Musik, die viele perkussive Elemente hat wie Prokofjew oder Strawinsky.

Und wie sieht das bei Rachmaninow aus, dessen Klavierkonzert Sie ja am Sonntag mit dem Beethoven Orchester in Bonn spielen werden?

Scheps: Da ist es auch sehr wichtig zu singen. Es ist ein sehr dramatisches Konzert, das Rachmaninow nach einer für ihn sehr schwierigen Phase komponiert hat. Kurz zuvor war seine erste Sinfonie von der Kritik verrissen worden, worunter er sehr gelitten hat. Er hat sich in dieser schwierigen Zeit von dem Spezialisten Nikolai Dahl behandeln und beraten lassen, der mit ihm eine Hypnose-Therapie machte. Sie haben sich angefreundet und Rachmaninow hat ihm dieses zweite Klavierkonzert gewidmet. Ich finde, man hört das Überwinden der Lebenskrise heraus: Manchmal ergeben sich aus Krisen neue Ideen und Inspirationen. Hier gibt es so viele Ideen, Melodien, tolle Motive, es beginnt sehr dramatisch und wird erst ganz zum Schluss freudig. Es ist ein sehr intensives Konzert, das auch viel innere Kraft verlangt.

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