Aufführung in Bonn Karl Marx als Held einer komischen Oper

Bonn · Umjubelte Uraufführung einer komischen Oper: Der britische Komponist Jonathan Dove hat im Auftrag des Theaters Bonn „Marx in London“ geschrieben. Mark Morouse verkörpert den Titelhelden brillant.

 Ein Spion, ein Spion: Karl Marx (Mark Morouse) und seine Tochter Tussi (Marie Heeschen) .

Ein Spion, ein Spion: Karl Marx (Mark Morouse) und seine Tochter Tussi (Marie Heeschen) .

Foto: Thilo Beu

Als der der knapp 18-jährige Jurastudent Karl Marx nach seiner Trierer Schulkarriere für ein paar Monate in der Bonner Josefstraße wohnte, dürfte er kaum einen Gedanken daran verschwendet haben, dass nur einen Steinwurf von seiner Bleibe entfernt einmal eine Oper mit ihm als Titelhelden uraufgeführt werden würde.

„Marx in London“, so der Titel der am Sonntagabend vom Premierenpublikum begeistert aufgenommenen musikalischen Komödie von Jonathan Dove, stellt den Philosophen und Ökonomen Marx im Jahr seines 200. Geburtstags sozusagen vom Kopf auf die Füße.

Sie betreibt keine Theorieexegese, sondern erzählt schlicht von einem Tag im Leben dieses Mannes und Familienvaters, der chronisch knapp bei Kasse ist, wegen übler Karbunkel am Gesäß kaum sitzen kann und zu allem Überfluss noch mit einem unehelichen Sohn Freddy konfrontiert wird, den er 18 Jahre zuvor mit seiner Haushälterin Helene (Ceri Williams) gezeugt hatte.

Um der Sache noch mehr Würze zu geben, verliebt sich Marx' jüngste, von allen Tussi genannte Tochter ein bisschen in den ihr unbekannten, ein wenig schüchternen, von Christian Georg mit sehr einnehmendem Tenor gesungenen Jüngling, den sie immer wieder mit frivolen Anspielungen zu bezirzen versucht.

Virtuos gespielte Musik

Entstanden ist das Auftragswerk der Bonner Oper nach einem Konzept von Jürgen R. Weber, der zusammen mit Dove und dem Librettisten Charles Hart ein extrem temporeiches Musiktheater zu Wege gebracht hat, dessen sehr klassische Komödieningredienzien einen hohen Unterhaltungswert garantieren.

Die vom Beethoven Orchester unter der Leitung von David Parry virtuos gespielte Musik des Londoner Komponisten ist brillant, geistreich und im guten Sinne eklektizistisch, bewegt sich elegant zwischen Strawinski, Britten und den amerikanischen Vertretern der Minimal Music.

In Tussis koloraturreicher, von Marie Heeschen mit beweglicher Sopranstimme hinreißend gesungener Arie „My Father“ ist das Vorbild Philip Glass deutlich herauszuhören.

Doch auch wenn graue Gefühlswolken aufziehen und sich Marx' Frau Jenny die traurige Situation der Familie vergegenwärtigt, findet Dove den richtigen Ton. Und Yannick-Muriel Noah gestaltet diese hochemotionale Szene mit ihrer einnehmenden Sopranstimme herzergreifend schön.

Immer knapp bei Kasse

Der Titelheld lebt, wie es der reale tat, in einem dialektischen Widerspruch. „Hat je ein Gelehrter, der so viel vom Geld sprach, in größerem Elend gewohnt mit so wenig von dem verdammten Zeug“, klagt der Vater des Kommunismus in der deutschen Übersetzung des englisch gesungenen Textes.

Tatsächlich beobachten wir den von Mark Morouse mit Rauschebart und agilem Bariton großartig verkörperten Marx dabei, wie er verzweifelt versucht, die Arbeiter, die seinen gepfändeten Hausstand abtransportieren, umzustimmen. Doch seine „Proletarier aller Länder“-Ansprache stößt bei ihnen auf taube Ohren. Sie haben einen Job zu erledigen. Und der insolvente Marx macht sich heimlich auf, das Tafelsilber seiner Frau Jenny zum Pfandleiher (Boyan Di) zu bringen.

Trotz dieser misslichen Situation hält der Autor des „Kapitals“ auch an diesem 14. August des Jahres 1871 an seiner Mission fest. Ob er nun im Lesesaal des Britischen Museums in einer vom Opernchor (Einstudierung Marco Medved) klangvoll gesungenen surrealen Szene von der revolutionären Pariser Kommune träumt.

Oder sich im Red Lion Pub ein Rededuell mit dem italienischen Sozialisten Melanzane (Jonghoon You) liefert, dem er mit seinen Theorien zu Ausbeutung und Mehrwert haushoch überlegen ist. Marx gewinnt das Duell, erhält als Preis einen Haufen Geld, das er zum Entsetzen seines Freundes und Mäzens Friedrich Engels (den Johannes Mertes zum strahlenden Heldentenor macht) sogleich in eine Lokalrunde investiert.

Beeindruckende Einheitsbühne

Für die Geschichte hat Hank Irwin Kittel eine beeindruckende Einheitsbühne entworfen, deren hohe Wände einen industriellen Look aus der Blütezeit des Manchester-Kapitalismus mehr andeutet als darstellt. Marx' Wohnung befindet sich auf einer Art Eisenbahnwaggon.

Diese und andere beweglichen Kulissen werden von Mitgliedern der Arbeiterklasse über die Bühne geschoben, was bei den oft raschen Szenenwechseln einiges Geschick erfordert.

Über der Szene fliegt gleichsam als Chronist in einer Art Spielzeugflugzeug ein Schreibmaschine tippender Spion (David Fischer). Das ist zwar ebenso surreal wie die Riesenpistole, auf der Tussi und Freddy über die Bühne reiten.

Dass es trotzdem nicht klamaukig-albern herüberkommt, ist Webers Gespür für Timing und Dosierung zu verdanken. Und der großartigen Ensembleleistung, an der auch die Darsteller der kleineren Rollen teilhaben, wozu Di Yang, Enrico Döring, Algis Lunskis, Miljan Milovic und Egbert Herold gehören. In jedem Fall aber ist diese Oper ein höchst origineller und witziger Ausklang zum Marx-Jahr.

Termine: 12., 22., 28. Dezember, 12., 20. Januar 2019, 2., 8. und 14. Februar 2019. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops des General-Anzeigers sowie auf Bonnticket.

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