Alles andere als ein Kinderspiel JazzTube-Festival in Bonn ist ein Erfolg

Bonn · JazzTube-Konzerte mit Confluence und Theobald Quartett, The Klezmer Tunes, Jentgens6tett sowie Mary & The Poppins. Das Format ist ein Erfolg.

Der Abend zwei des fulminanten JazzTube-Finales im Pantheon war auch fast so etwas wie eine Premiere: Das zweite Mal überhaupt stand das neue Quintett Confluence gemeinsam auf der Bühne. Man muss kein Prophet sein, um dieser tollen Formation eine große Zukunft vorherzusagen. Nein, es sind keine Newcomer wie sonst im wuseligen JazzTube-Zirkus: Confluence ist ein Quintett alter Hasen, die ihr Können und Gespür, ihre Fantasie und Inspiration zusammenfließen lassen, wie es der Bandname schon sagt. Die Interpretation von Joe Hendersons „Inner Urge“ und der zweistimmige Choral in „Melting“ ließen schon das Markenzeichen von Confluence aufblitzen: Das innige, mal melodisch einträchtige, mal komplex divergierende Zusammenspiel von Posaune (Andy Hunter) und Saxofon oder Klarinette (Johan Hörlen). Ein wahrer Genuss.

Die Harmonie kommt nicht von ungefähr: Hunter aus Michigan und der Schwede Hörlen kennen sich von der WDR Big Band. Beide haben das Projekt Confluence mit der gleichnamigen, äußerst hörenswerten CD ins Laufen gebracht, haben sich klasse Partner ins Boot geholt. Den exzellenten Big-Band-Kollegen John Goldsby aus Kentucky mit Wohnsitz bei Köln etwa, der an diesem Abend mehrfach demonstrierte, dass er auch solistisch am Bass ein Ass ist. Außerdem holten Hunter und Hörlen zwei weitere Top-Leute ins Team: die New Yorker Tim Collins, Vibrafon, und den Schlagzeuger Adam Nussbaum, der zuletzt mit dem Axel Fischbacher Trio in Bonn zu erleben war.

Fantastisch abgestimmter Sound

Confluence verwöhnte das Pantheon-Punlikum nicht nur mit einem fantastisch abgestimmten Sound und Eigenkompositionen von Hunter und Hörlen. Bei der Ballade „Warm Canto“ von Mal Waldron mit einem traumhaft-zarten Einstieg mit leisem Vibrafon und Nussbaums Schlagzeugbesen wurde es einem in diesem von hitzigem Bebop durchzogenen Programm warm ums Herz. Cole Porters „What is This Thing Called Love“ setzte als bejubelte Zugabe noch einmal alle Musiker in Szene. Ein Ereignis.

Für Nussbaum hatte der Tag früher angefangen. Er coachte das junge Andreas Theobald Quartett, das den Abend eröffnet hatte – Sponsoren finanzierten die Nachhilfestunde. Gut präpariert präsentierte sich das Quartett, das Mr. JazzTube Thomas Kimmerle vor Jahren für die Bonner U-Bahn-Konzerte entdeckte, nun im fast ausverkauften Pantheon. So werden Karrieren gemacht, so sieht nachhaltige Nachwuchsförderung aus. Theobald glänzte am Piano, Ferdinand Schwarz mit der Trompete, Calvin Lennig am Bass und Niklas Jaunich am Schlagzeug. Neben Eigenkompositionen und Gershwins „Embraceable You“ gab es noch eine Rarität: Mozart wurde als erster Jazzkomponist eingeführt, sein Lied „Kinderspiel“ fantasievoll verjazzt. Alles andere als ein Kinderspiel.

Mehr als nur Jazz

Jazz ist schon längst mehr als nur Jazz. Die Übergänge zur Weltmusik sind fließend, ebenso wie zu gewissen Formen des Mainstreams. Das Finale des JazzTube-Festivals hat dies nun einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt: Neben einem klassischen Sextett, das in der Tradition des Modern Jazz steht, sorgten im Pantheon auch eine Klezmer- und eine Pop-Band für reizvolle Erlebnisse. Charmant, leidenschaftlich und mit intelligenten Kompositionen und Arrangements schufen die Formationen einen abwechslungsreichen, Abend, der ins Rahmenprogramm der Weltklimakonferenz COP 23 integriert war.

Zugegeben, es war das Publikum, das bei den drei vorhergehenden Auftrittstagen in verschiedenen Bonner U-Bahnhöfen abgestimmt und The Klezmer Tunes, das Jentgens6tett sowie Mary & The Poppins zu ihren Favoriten gekürt hatte. Was The Klezmer Tunes in Beuel präsentierten, war eine brillante Melange aus Funk-, Bossa- und Rock-Elementen unter einer herzhaften Dosis jüdischer Folklore. Das Kölner Ensemble um den ehemaligen Eislaufprofi und jetzigen Klarinetten-Virtuosen Dimitri Schenker griff alles auf, vom russischen Schwarzmeer-Mafialied bis hin zum „Pink Panther“, und interpretierte die Songs auf ganz eigene Art und Weise. Die schwungvollen Rhythmen, mitunter noch durch ein paar von Gitarrist Mike Rauss in eine Loop-Station gesungene Beatboxing-Phrasen unterfüttert, kamen hervorragend an, während die exzellenten Soli auf die Nähe zur Jazzimprovisation verwiesen.

Für Band und Publikum eine Herausforderung

Auf die verstand sich auch das Jentgens6tett. Stücke von Ornette Coleman und Ron Carter waren sowohl für die Band als auch für das Publikum eine Herausforderung, das überzeugende Spiel der sechs Musiker sprach aber für sich. Insbesondere Pianist Jan Alexander begeisterte durch seine eleganten, unaufgeregten Soli, während die Bläser um Bandgründer Jakob Jentgens vor allem in den gemeinsamen Passagen mit einem weichen Ansatz zu überzeugen wussten. Klasse, zumal die Entspannung auf dem Fuße folgte.

Der sympathische, wenn auch mitunter recht nachdenkliche Pop von Mary & The Poppins war wie geschaffen für die späte Stunde und bildete einen schönen Kontrast zu den vorhergehenden Klängen. Der warme Gesang von Frontfrau Marie Pack schmiegte sich in die Gehörgänge, zauberhaft und verführerisch. Die schlichte Rhythmik und die einfachen Akkorde, die Pack am Keyboard produzierte, bildeten jedoch kein sturmfestes Fundament und schränkten auch das Volumen unnötig ein. Da geht noch mehr. Viel mehr, wenn man Songs wie das wunderbare „Fehl am Platz“ zu Grunde legt, das für einen der schönsten Momente des Abends sorgte. Schon alleine dafür gebührt der von den Stadtwerken unterstützte JazzTube-Reihe Applaus. Und wer weiß, was aus ihr noch alles erwächst.

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