25 Jahre Bundeskunsthalle und Kunstmuseum Bonn Intendant Rein Wolfs: "Ich will breite Schichten erreichen"

Bonn · Vor 25 Jahren eröffnete Bonn sein überregional und international stark beachtetes, mitunter argwöhnisch betrachtetes Museumstandem aus Bundeskunsthalle und Kunstmuseum an der B 9. Der Intendant der Bundeskunsthalle, Rein Wolfs, spricht im Interview über die Bandbreite der Ausstellungen und die Pläne für die Zukunft.

Sie waren am 17. Juni 1992 vermutlich nicht in Bonn, sondern wahrscheinlich bei Jan Hoets Documenta, die am 13. Juni begonnen hatte. Wann sind Sie auf die Bundeskunsthalle und das neue Kunstmuseum aufmerksam geworden?

Rein Wolfs: Ich war damals in Zürich tätig und fuhr dann zur Documenta. Aber die Medien haben breit berichtet. In der Bundeskunsthalle habe ich als erstes „Europa, Europa“ (1994) gesehen. Vor meiner Berufung nach Bonn war ich in „Lob der Torheit“ und „Pixar“.

Das breit angelegte, von Pontus Hulten und Wenzel Jacob entwickelte Ausstellungskonzept von der Kunst und Kulturgeschichte bis zur Wissenschaft ist 25 Jahre alt. Funktioniert es noch?

Wolfs: In groben Zügen funktioniert es noch. Die Idee eines Hauses mit großer Bandbreite ist großartig, damit hat das Haus bereits ein Alleinstellungsmerkmal. In Zeiten, wo man von kultureller Teilhabe spricht und versucht, Menschen unterschiedlicher Interessen zu gewinnen, ist dieses Konzept sehr zielführend. Wir versuchen, das Angebot auszuweiten, weitere Sparten hineinzunehmen, zum Beispiel Design, Tanz und etwas mehr Fotografie. Im Grunde führen wir aber die Programmlinien der Anfänge fort.

Irgendwann ist die Reihe „Das Gold von...“ erschöpft, die Reihe der Porträts großer Sammlungen wurde schon aufgegeben. Die Aneinanderreihung von Künstlermonografien bringt offenbar nicht den gewünschten Zuspruch. Gibt es neue Formate, mit denen Sie das 25 Jahre alte Konzept revitalisieren wollen?

Wolfs: Ich bin nicht ganz mit Ihnen einverstanden, dass die Reihe von Künstlermonografien nicht mehr funktioniert. Wir haben andere Künstler genommen, versuchen jedes Jahr, eine bedeutende zeitgenössische Position möglichst in der großen Halle zu bringen. Etwa Marina Abramovic im kommenden Jahr. Was „Das Gold von...“ angeht: Irgendwann ist das Gold nicht mehr glaubwürdig vorhanden, wir haben aber jetzt mit der Iran-Schau eine Ausstellung, in der das Gold am Ende glänzt. Aber ich muss Ihnen recht geben: Wir haben diese Schiene etwas zurückgefahren, versuchen wegzugehen von der schreierischen Blockbuster-Kultur und hin zu präzisen archäologischen und kulturhistorischen Projekten.

Die großen Sammlungen?

Wolfs: Wir haben sie alle in Bonn gezeigt. Wir wollen dafür mehr in den Crossover-Bereich gehen, unterschiedliche Inhalte und Sparten zusammenbringen. Gipfeln werden wir damit mit der Beethovenausstellung zum Jubiläum 2019/20. Bei Karl Lagerfeld und Pina Bausch haben wir schon Erfahrungen gesammelt. Und waren dabei sehr erfolgreich.

Als die Bundeskunsthalle startete, gab es etwa das Hygienemuseum Dresden in der heutigen Form noch nicht. Dort werden meines Erachtens nach sehr populäre und trotzdem intelligente Publikumsausstellungen gemacht. An „Scham. 100 Gründe, rot zu werden“, gerade in Dresden, reizt mich schon durch den Titel. Ein reißerisches, peppiges Moment, das in der Bundeskunsthalle fehlt.

Wolfs: Reißerisch ist nicht der Begriff, den ich mag, ich möchte von verführerisch sprechen. „Scham“ und vor einiger Zeit „Glück“ in Dresden waren wichtige Ausstellungen. Da schaue ich mit der Lupe drauf. Etwas in der Art könnten wir auch machen. Es geht darum, verschiedene Gebiete zusammenzuführen – das tun wir im Herbst mit der Ausstellung „Wetterbericht“ zwischen Wissenschaft und Kulturgeschichte. Ich will breite Schichten erreichen, und zwar mit einer innovativen Ausstellungsarchitektur und einem besonderen Konzept. Dafür haben wir die Kompetenz in der Bundeskunsthalle.

Mit Robert Fleck als Kurzzeitintendanten und Ihnen hat sich das Ausstellungsprogramm stärker als bislang hin zur Gegenwartskunst gewendet. Der Zuspruch hält sich in Grenzen, John Bock und Hanne Darboven hatten eher wenige Besucher, auch die Schau von Katharina Sieverding ist nicht der Renner. Warum halten Sie an Ihrem Kurs fest?

Wolfs: Ausstellungen wie diese sind nirgends ein Renner, aber sie sind wichtig, wenn man als Haus die Kultur der Bundesrepublik abbilden will. Darboven lag mit 15 000 Besuchern im Rahmen der Erwartungen. Wir haben die Pflicht, auch Ausstellungen zu machen, die nicht so einfach sind. Und wir machen sie besonders gut. Ein gutes Beispiel war die Schau von Gregor Schneider, das erste Mal, dass man auf über 20 Jahre Werkentwicklung mit 20 aneinandergereihten Räumen zurückgeblickt hat. Andere Häuser wollen oder können das nicht leisten.

Es gibt nicht wenige Stimmen, die meinen, für dieses Programm gibt es doch das benachbarte Kunstmuseum? Warum also nicht dort, sondern in der Bundeskunsthalle?

Wolfs: Ich finde, dass wir uns für ganz andere Künstler entscheiden als das Kunstmuseum.

Sieverding und Darboven sind gut im Kunstmuseum vertreten...

Wolfs: Wir können aber deswegen solche Themen nicht liegen lassen. Unser Auftrag als Bundesinstitution geht über Bonn hinaus. Das Kunstmuseum Bonn ist ein städtisches Museum, das, anders als wir, aus seiner Sammlung heraus agiert. Ich denke, wir ergänzen uns gut. Zudem haben wir gerade für die Ausstellungen zu Darboven und zu Sieverding eine deutschlandweit einzigartige Raumhöhe, die eine gebührende Präsentation dieser Positionen ermöglicht.

Woran liegt es, dass die Kooperation mit dem Kunstmuseum so schlecht ist? Sie könnten sich doch permanent die Bälle und Besucher zuspielen?

Wolfs: Wir haben regen Austausch und ich höre von vielen Menschen, dass das Verhältnis besser sei als je zuvor. Es ist nur leider noch nicht zu einem gemeinsamen Projekt gekommen. Kunstmuseums-Intendant Stephan Berg und ich haben vor, zum Beispiel auf dem Museumsplatz etwas gemeinsam zu machen.

Sie arbeiten mit einer Architektur der 1980er Jahre. Was sind die Vor-, was die Nachteile?

Wolfs: Die Architektur ist interessanter, als man denkt. Aber sie ist nicht immer einfach. Wir haben viel Raum, der aber schwer zu strukturieren ist. Wir müssen diese Struktur jedes Mal neu schaffen. Wie aufwendig das ist, sehen wir, wenn wir mit dem Gropiusbau in Berlin zusammenarbeiten. Da ist die räumliche Aufteilung oft vorteilhafter.

Seit dem Regierungsumzug gab es immer wieder Stimmen, Ihre Institution mit ihrem Etat nach Berlin zu holen. Welche Argumente haben Sie für einen unangefochtenen, dauerhaften Verbleib in Bonn?

Wolfs: Wir leben in einer föderalen Republik. Wie könnte man diesen Föderalismus stärker demonstrieren als mit der Bundeskunsthalle im Westen. Es wäre wunderbar, wenn es Bundeskunsthallen in unterschiedlichen Teilen Deutschlands gäbe. Wir liegen in einer bevölkerungsreichen Region, sind nahe am Ausland. Im Sinne der Erinnerungskultur stehen wir hier auch als Zeichen für die Bonner Republik. Eine starke Setzung für die Vergangenheit und die Zukunft.

Wo wir bei der Zukunft wären. Was erwartet uns 2018 in der Bundeskunsthalle?

Wolfs: Marina Abramovic erwartet uns, wir werden Ernst-Ludwig Kirchner zeigen, außerdem ein großes kulturhistorisches Projekt zu Spielplätzen, „Playgrounds“, bei dem auch der Dachgarten der Bundeskunsthalle bespielt wird. Schließlich werden wir auch die Sammlung des Bundes und eine Ausstellung zu einem der größten Archäologie-Rätsel, der Nasca-Kultur aus Peru, präsentieren. Am Ende des Jahres wird es um das Medium Film gehen.

Und was ist zum Beethoven-Jubiläumsjahr 2020 geplant?

Wolfs: Wir werden eine klassische Beethoven-Ausstellung für ein breit interessiertes Publikum zeigen. Daneben ein künstlerisches Projekt mit einer Neuinterpretation von Beethoven.

Sie haben einen bis 2023 verlängerten Vertrag. Gibt es Wünsche, die Sie sich bis dahin erfüllen wollen? Was würden Sie gerne machen?

Wolfs: Meine Ambition ist, das Haus nicht nur breit aufzustellen, sondern aus der Vielfältigkeit eine Profilierung in die Tiefe zu schaffen. Ich möchte an vielem Bewährten festhalten, gleichzeitig aber auch neue Formate entwickeln. Die Bundeskunsthalle soll diskursiver funktionieren und ist zudem Vorreiter in Sachen Inklusion und Integration. Die kulturelle Teilhabe ist uns am Wichtigsten.

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