Kabarett im WCCB Dieter Nuhr teilt gegen alle aus

Bonn · Auf Einladung der Springmaus gönnt sich Dieter Nuhr zu seinem 30-jährigen Bühnenjubiläum einmal mehr einen Rundumschlag gegen den real existierenden Alarmismus.

Zeiten gibt’s, da hat sogar der tiefenentspannte Dieter Nuhr Stress. Es ist noch gar nicht lange her, da fragte er sich, ob er beim Anzünden der zweiten Kerze auf dem Adventskranz einen qualvollen Stickoxid-Tod stirbt, jetzt muss er sich mit politisch korrektem Karneval herumschlagen: Wenn das Indianerkostüm die indigenen Amerikaner verunglimpft, was soll dann das Transrind erst zum Cowboy sagen?

Solche und ähnliche Fragen stellt sich der Komiker-Kabarettist in seinem aktuellen Programm „Nuhr hier, nur heute“ vor den voll besetzten Rängen des WCCB. Auf Einladung der Springmaus gönnt sich Nuhr zu seinem 30-jährigen Bühnenjubiläum einmal mehr einen Rundumschlag gegen den real existierenden Alarmismus. Heute ist alles besser als früher, die gute alte Zeit ist reine Fiktion, und das deutsche Mecker-Tourette geht ihm mächtig auf den Sack.

Feinstaub-Paranoia, PISA-Stress und Mobbing-Hysterie werden nacheinander abgestraft, nicht immer fair und mit viel Mut zur Lücke. Nuhr provoziert mit ostentativer Gelassenheit, aber er achtet genau darauf, sich abzugrenzen gegen Extremismus von allen Seiten. Ohne AfD-Idioten und Islamisten wäre die Welt noch besser, auch Trump und Erdogan kommen nicht ungeschoren davon.

Dass der Comedian unvermittelt wechselt vom Herrenwitz in ernsthafte Meinungsäußerung, von satirischer Zuspitzung in ironiefreien Predigt-Ton, irritiert bisweilen. Aber Nuhr leistet sich diese Brüche, weil er das Publikum hinter sich weiß. Und weil er sich auf seine starke Bühnenpräsenz ebenso sehr verlassen kann wie auf seinen virtuosen Sprachduktus zwischen lockerem Plauderton und scharfzüngiger Süffisanz.

Die bewegliche Mimik, von der im großen Saal die Zuschauer ab der elften Reihe nicht allzu viel mitbekommen, spielt in vielen Nuancen zwischen Monchichi und sardonischem Grinsen. Nuhrs Stimme raunt und schmeichelt, zögert und stammelt, um für die Pointen den größtmöglichen Einschlagradius herauszuholen; sein Timing ist perfekt. Deshalb ist er so erfolgreich, nicht nur hier und nicht nur heute.

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