Gespräch vor der Premiere Christopher Alden inszeniert Janácek-Oper

Bonn · 300 Jahre Leben: Der amerikanische Regisseur spricht über die Oper „Die Sache Makropulos“, die ab Sonntag in Bonn aufgeführt wird.

 Bangen um die ewige Jugend: Probenszene aus Christopher Aldens „Makropulos“-Inszenierung.

Bangen um die ewige Jugend: Probenszene aus Christopher Aldens „Makropulos“-Inszenierung.

Foto: Thilo Beu

Um das Pensum an Operninszenierungen auf die Bühne zu bringen, das der in New York geborene Regisseur Christopher Alden stemmt, brauchten andere Leute mehrere Leben. Oder zumindest ein Serum, wie es die (fiktive) Opernsängerin Emilia Marty in Leoš Janáceks Oper „Die Sache Makropulos“ einst von ihrem Vater Hieronymos Makropulos eingeträufelt bekam. Der hatte als Leibarzt Kaiser Rudolfs II. in dessen Auftrag ein Mittel gebraut, das ein menschliches Leben um 300 Jahre verlängert. Emilia – oder Elina, wie sie damals noch hieß – war das Versuchskaninchen.

Alden, der gerade an der Opera North in England Giacomo Puccinis „Gianni Schicchi“ inszeniert hat und im Mai an der Staatsoper im sibirischen Jekaterinenburg mit Peter Eötvös' Tschechow-Oper „Drei Schwestern“ reüssiert, nimmt sich dazwischen gerade richtig viel Zeit für die 337 Jahre junge Emilia Marty in Bonn. Denn am Sonntagabend feiert „Die Sache Makropulos“ im Opernhaus Premiere.

Krach mit Charles Mackerras

Es ist nicht das erste Mal, dass diese Produktion das Licht der Bühnenscheinwerfer erblickt. Die Auseinandersetzung mit der ungewöhnlichen Figur der Emilia Marty reicht bis ins Jahr 2006 zurück, als Alden das Werk an der English National Opera in London auf die Bühne brachte. In Zusammenarbeit mit dem australischen Dirigenten Sir Charles Mackerras, der zu Lebzeiten als einer der größten Janácek-Experten galt. Ein Dream-Team? Ja und nein. Denn der damals schon über 80-jährige Maestro war zwar ein großartiger Musiker, aber was die szenische Umsetzung anging, neigte er einem sehr konservativen Kurs zu, erinnert sich Christopher Alden im Gespräch. Und fasst die Meinung des Musikers über die Inszenierung in einer pointierten Aussage zusammen: „He hated it!“

Tatsächlich war Christopher Aldens erstes Gebot nie, zu gefallen. Das liegt offenbar auch ein bisschen in der Familie. Auch sein Zwillingsbruder David Alden ist in seiner Karriere manches Mal angeeckt. Nicht von ungefähr titelte die Londoner „Times“ vor einigen Jahren ihr Doppelporträt: „The Alden brothers: opera’s terrible twins“.

In Bonn steht nun mit dem Ersten Opernkapellmeister des Hauses, Hermes Helfricht, ein Vertreter der noch ganz jungen Generation vor dem Orchester. „Ich mag sehr, wie er arbeitet“, sagt Alden über den 1992 geborenen Musiker.

Ebenso wenig wie die Interpretation der Musik in Stein gemeißelt ist, ist es die Szene. Der 69-Jährige kommt nicht als Gralshüter einer 13 Jahre alten Produktion nach Bonn, der jede Abweichung vom Original mit strenger Miene verhindert. Für ihn muss sich eine Inszenierung weiter entwickeln können, weil auch die Zeiten es tun. Das gilt freilich weniger für Charles Edwards' Bühnenbild, das die Anwaltskanzlei des Dr. Kolenatý wie ein bauhausmäßig gestaltetes Foyer eines großen Bürogebäudes ausschauen lässt. „Es ist immer noch dieselbe Show, aber sie fühlt sich anders an“, beschreibt Alden die Wiederbegegnung mit Janáceks Oper. „Das hat sehr viel zu tun mit Muriel.“ Womit er die Sopranistin Yannick-Muriel Noah meint, die in der Hauptrolle zu erleben sein wird. Sie nehme der Figur etwas von ihrer Negativität, von ihrer Kälte, erläutert Alden. „Wir haben sie früher so gesehen. Aber diesmal ist Emilia nicht nur negativ. In Wirklichkeit ist sie doch eine Frau, die sich mit aller Kraft in einer von Männern dominierten Welt zurechtfinden muss.“ Überhaupt scheint Alden es ein wenig überdrüssig zu sein, dass in den Opern des Repertoires so viel Gewalt gegen Frauen gezeigt wird. „Warum erzählt man diese Geschichten immer wieder?“, fragt er. Alden ist jedenfalls sehr glücklich mit Yannick-Muriel Noah, die seit 2013 festes Mitglied an der Bonner Oper ist. Er sieht in ihr die ideale, sprich: zeitgemäße Verkörperung der Emilia Marty, die als nicht alternde Opernsängerin durch die Jahrhunderte wandelt und dabei eine Kette erfolgreicher Opernkarrieren und meist unglücklich endender Liebschaften durchlebt. In der Situation, in der die auf den Schriftsteller Karel Capek zurückgehende Handlung einsetzt, ist sie sehr daran interessiert, dass ein seit hundert Jahren schwelender Erbschaftsstreit endlich entschieden wird. Denn in der Erbmasse befindet sich ein wichtiges Dokument, das die Rezeptur des Makropulos-Serums enthält. Emilia braucht es dringend, um die 300-jährige Frist noch einmal zu verlängern. Doch während die Sängerin vergebens hofft, darf Aldens „Makropulos“-Inszenierung dank der Bonner Übernahme munter weiterleben. .

Premiere am Sonntag, 7. April, 18 Uhr in der Bonner Oper. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops des General-Anzeigers sowie im Internet auf www.ga.de/tickets.

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