Interview mit Dettloff Schwerdtfeger „Wir müssen internationaler werden“

Bonn · Beethovenfest-Geschäftsführer Dettloff Schwerdtfeger im Interview über Perspektiven des Festivals. Seit einem Jahr ist der Musikmanager als Kaufmännischer Geschäftsführer des Beethovenfests die rechte Hand von Intendantin Nike Wagner.

Was hat Sie an Bonn und am Beethovenfest gereizt, vom Leipziger Bachfest hierher zu wechseln?

Dettloff Schwerdtfeger: Ich habe zehn Jahre für Bach in Leipzig gearbeitet. Das war eine gute und erfolgreiche Zeit. Da war der Augenblick für einen Wechsel nicht schlecht – auch aus privaten Gründen. Der Ruf von Beethoven, den ich von Kindesbeinen an verehre, und der von Nike Wagner waren so verlockend, dass mir die Entscheidung leichtgefallen ist. Auch natürlich vor dem Hintergrund des Beethoven-Jubiläumsjahres 2020. Und vor Leipzig war ich schon bei den Stockhausen-Kursen in Kürten. Das Rheinland ist also nicht fremd.

Was würden Sie in Bonn als Ihre größte Herausforderung sehen?

Schwerdtfeger: Es gibt ein tolles Festival und eine großartige Stadt. Und im Prinzip existiert hier ein gutes Bewusstsein für Beethoven. Die Ausgangsbedingungen sind also gut. Wir haben mit dem Jubiläum 2020 ein Ereignis vor uns, das dem Ganzen noch einmal großen Rückenwind geben kann. Aber wir müssen diese Chance auch nutzen. Wir heißen „Internationales Beethovenfest Bonn“. Auf der Bühne sind wir auch sehr international, aber im Publikum noch nicht so, wie wir es sein könnten. Da können wir uns entwickeln und Facetten dieser Stadt deutlicher herausstreichen, ihre Bedeutung als ehemalige Bundeshauptstadt, ihren aktuellen Status als Uno-Stadt bis hin zu Bonn als Sitz globaler Unternehmen. Wenn wir dies alles mit dem authentischen Charakter Bonns als Beethovens Geburtsstadt verknüpfen, sehe ich für 2020 eine Chance. Und auch für das Beethovenfest.

Ihr Erfolg in Leipzig lässt sich gut beziffern. Allein die Zuschauerzahlen sind in Ihrer Amtszeit von 43.000 auf über 70.000 gestiegen. Was ist das Geheimnis?

Schwerdtfeger: Ich will gar nicht sagen, dass ich das allein geschafft habe, denn man kann die Situation in Leipzig mit der in Bonn nicht ganz vergleichen. Entwicklungen wie in Leipzig sind in der Aufbauphase nach der Friedlichen Revolution von 1989 leichter anzustoßen – hier in Bonn knüpfen wir an lange und erfolgreiche Entwicklungen unserer Vorgänger an. Insofern habe ich in Leipzig von einem Boom profitieren können und vielleicht die eine oder andere Weiche richtig gestellt, beispielsweise durch eine ganz klare Fokussierung auf internationale Zielgruppen. Wachstumssprünge wie in Leipzig erwarte ich beim Beethovenfest nicht, mit dem Jubiläum haben wir aber eben gerade im Bereich der internationalen Aufmerksamkeit gute Aussichten.

Beim Beethovenfest lag die Auslastung in diesem Jahr auf niedrigen 70 Prozent. Wie kann man da gegensteuern?

Schwerdtfeger: Die Frage ist, ob die Auslastung die entscheidende Kennziffer ist. Natürlich ist sie ein wichtiger Gradmesser. Für mich als Kaufmännischen Geschäftsführer ist es wichtig zu wissen, ob wir die Zahlen im Vorfeld richtig eingeschätzt und die Umsätze erzielt haben, die wir brauchen, um das Festival zu finanzieren.

Und haben Sie?

Schwerdtfeger: Ja, das haben wir. Das heißt, wir haben verlässliche Instrumente für eine realistische Prognose. Die Bewertung der durchschnittlichen Auslastung ist heikel. Wir haben bewusst Programme, die vielleicht nicht die Beethovenhalle füllen, trotzdem in dem großen Saal angeboten, um die Leute nicht vor der Tür stehen zu lassen. Wenn wir zum Beispiel François-Xavier Roth und sein Originalklang-Ensemble Les Siècles in der Bundeskunsthalle platziert hätten, wären wir zwar auf 100 Prozent Auslastung gekommen, aber sehr viele Besucher hätten draußen bleiben müssen.

Aber halb volle Konzertsäle sind der Atmosphäre nicht sehr zuträglich.

Schwerdtfeger: Halb voll war es aber nirgends. Wir haben auch viele volle Konzerte gehabt. Was mich sehr gefreut hat, war, dass viele Menschen wirklich begeistert wurden bei den Konzerten. Programme, die sich in der schriftlichen Ankündigung vielleicht anfangs etwas spröde lasen, haben dann in der klingenden Form wunderbar funktioniert: Standing Ovations. Beim Beethovenfest muss etwas Besonderes passieren, gerade im Hinblick auf die Stärkung der Internationalität und Beethoven 2020. An der authentischen Stätte muss etwas geboten werden, das man nicht in Düsseldorf, nicht in Köln und nicht in New York oder London erleben kann. Wir brauchen diese Programme, für die Kenner hierherkommen, die dann wiederum als Multiplikatoren für das Außergewöhnliche beim Beethovenfest werben. Die Sinfonien und Klavierkonzerte kann man überall auf der Welt mit den tollsten Interpreten hören. Das brauchen wir zwar auch, aber nicht nur.

Auch in absoluten Zahlen fiel die Nachfrage mit 25.000 Besuchern eher niedrig aus. Wo liegt denn in etwa die Zahl, an der Sie sich als Geschäftsführer orientieren?

Schwerdtfeger: Generell gibt es eine Konzentration des Beethovenfestes. Wir werden es nächstes Jahr einmal mit drei Wochen und vier Wochenenden ausprobieren. Die Anzahl der Veranstaltungen bleibt relativ stabil. Ich habe mir bisher nicht vorgenommen, eine bestimmte Ticketzahl zu verkaufen. Nike Wagner und ich denken das Angebot gemeinsam vom Programm her und rechnen dann aus, wie viele Tickets dabei herauskommen. Und dann mache ich eine kaufmännische Schätzung, ob das Festival auskömmlich finanziert ist. Wenn das Szenario übertroffen wird, freuen wir uns, weil es dann größere Spielräume gibt.

Wie wollen Sie diese größeren Spielräume erreichen?

Schwerdtfeger: Wir müssen dringend den Vorverkauf früher beginnen. Wenn Sie in den ersten beiden Tagen 100 Karten für ein Konzert verkaufen, können Sie davon ausgehen, dass der starke Trend anhält. Ich versuche so früh wie möglich zu einer Einschätzung zu kommen, ob wir darüber oder darunter liegen. Wenn es gut läuft, können wir zum Beispiel das Open-Air-Angebot stärken und auch mal zwei statt einer Live-Übertragung machen. Auf eine zahlenmäßige Zielgröße will ich mich aber beim Vorverkauf gar nicht festlegen. Wir brauchen ein ausgewogenes Programm, wir wollen, dass die Konzerte voll sind. Aber die Qualität des Festivals bemisst sich nicht daran, ob wir 25.000 oder 35.000 Karten im Angebot haben. Angefangen bei der künstlerischen Planung müssen wir einen wirtschaftlich verantwortungsvollen Betrieb ableiten. Das haben wir gut im Griff.

Eine weitere Herausforderung sind die neuen Spielorte. Wie schwierig ist es, das ans Publikum zu vermitteln?

Schwerdtfeger: Ich glaube, das ist ein Bonner Thema. Wir haben jetzt die ersten Aufführungen des Beethoven Orchesters im WCCB erleben dürfen, und ich glaube sagen zu können, dass alle positiv bestätigt sind. Außerdem nutzen wir die Gelegenheit der Sanierung in der Beethovenhalle, um die Kreuzkirche mit ins Programm zu nehmen und das Festival in der Innenstadt präsent zu halten. Ich finde es immer gut, mehrere Spielstätten zur Auswahl zu haben. Und die Kreuzkirche ist eine gut eingeführte Konzertstätte.

Planen Sie mit einer pünktlichen Rückkehr in der Beethovenhalle?

Schwerdtfeger: Wir rechnen damit, dass wir zwei Jahrgänge im WCCB sind und dann 2019 wieder in die Beethovenhalle zurückkehren können.

Sie sind auch im Aufsichtsrat der Jubiläums Gesellschaft. Was ist da Ihre Aufgabe?

Schwerdtfeger: Ich freue mich, dass ich dort mitwirken kann, weil wir das Beethovenfest als einen der wichtigsten Akteure für Beethoven 2020 begreifen. Wir wollen deshalb über das Kern-Beethovenfest im September hinaus Beiträge leisten, die unserem qualitativen Niveau und Anspruch entsprechen. Insofern bin ich froh, wenn ich dort im Aufsichtsrat mitbekommen kann, was an Planungen da ist. Es ist gut, dass in der Jubiläums Gesellschaft ein Schulterschluss nicht nur zwischen den politischen und hoheitlichen Ebenen Bund, Land, Kreis, Stadt gefunden wurde, sondern dass auch die großen Akteure Beethoven-Haus, Theater Bonn, Beethoven Orchester und Beethovenfest sowie viele freie und bürgerschaftliche Initiativen versammelt sind. Mit der Jubiläums Gesellschaft gehen wir in Bonn – geht Bonn – gemeinsam daran, das Jubiläum vorzubereiten. Das Beethovenfest hat da keinen Alleinanspruch. Aber wir hoffen schon, dass es zu einem Höhepunkt im Jubiläumsjahr wird.

Nicht zuletzt durch die beschlossenen Bundesmittel über 27 Millionen Euro für das Beethovenjahr, wovon 15 Millionen nach Bonn fließen sollen, ist das ja auf einen guten Weg gebracht.

Schwerdtfeger: Ja. Das war eine große Freude, dass das gelungen ist. Man muss sich bei allen bedanken, die mitgewirkt haben, dass die Jubiläums Gesellschaft als zentrale Koordinierungsstelle diese Akzeptanz gefunden hat und dass mit dieser Entscheidung die Stellung Bonns als Geburtsstadt gestärkt wurde. Nichtsdestotrotz dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren, dass Bonn die Beauftragte für die Koordination eines nationalen Jubiläums ist.

Was erwarten Sie von Beethoven 2020? Was wird danach anders sein als vorher?

Schwerdtfeger: Ich hoffe, dass es ein Aufbruch wird. Niemand sollte denken, dass mit 2020 etwas zu Ende geht. Es soll ein Anfang für ein neues Selbstverständnis der Stadt Bonn als Beethovenstadt sein.

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