Komödie um fünf WG-Mitglieder „Willkommen“ feiert Premiere im Contra-Kreis-Theater

Bonn · Leon Reichert inszeniert die Komödie „Willkommen“ im Contra-Kreis-Theater. Der Abend punktet mit Komik und Tiefgang.

 Und wieder wird ein Glas gefüllt: (von links) Tina Seydel, Jens Hartwig, Fabienne Hesse, Patrick Dollmann und Katarina Schmidt. FOTO: CKT

Und wieder wird ein Glas gefüllt: (von links) Tina Seydel, Jens Hartwig, Fabienne Hesse, Patrick Dollmann und Katarina Schmidt. FOTO: CKT

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Willkommen in der Contra-Kreis-WG: Das bedeutet neben Tisch und Stühlen und Kühlschrank natürlich ein beeindruckendes Bier- und Weinflaschenkollektiv (Bühne: Tom Grasshof). In Leon Reicherts Inszenierung der Komödie „Willkommen“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz wird viel geredet und ordentlich getrunken. Die Nerven liegen blank in der großen, von fünf WG-Mitgliedern bewohnten Bonner Altbauwohnung. Grund ist der Vorschlag Bennys (Patrick Dollmann), sein Zimmer ein Jahr lang Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen, während er in New York lebt und arbeitet.

Für Sophie (Tina Seydel), die sich „neue Impulse“ erhofft, ist das ein „unglaublich guter Vorschlag“, für Doro (Fabienne Hesse) ein Ding der Unmöglichkeit. Sie verachtet arabische Männer und ihre Sicht auf Frauen. Studentin Anna (Katarina Schmidt) und der angehende Banker Jonas (Jens Hartwig) bewegen sich zwischen den extremen, unversöhnlichen Positionen. Die ersten Szenen des 80-minütigen, pausenlosen Abends zeigen, was passiert, wenn der Humanismus praktisch wird, wenn sich angebliches Gutmenschentum gegen behaupteten Rassismus in Stellung bringt.

Die Autoren verkomplizieren die Lage noch, indem sie die anfangs verdruckst und verpeilt erscheinende Anna ihre Schwangerschaft verkünden lassen. Später artikuliert sie den Wunsch, den für die Zeugung mitverantwortlichen Achmed (Müjdat Yüksel) – ein Türke aus Siegburg – im freiwerdenden WG-Zimmer unterzubringen. An diesem Punkt endet kurioserweise Sophies Willkommenskultur.

Der junge Regisseur Reichert und sein junges Ensemble bringen den im Stück enthaltenen Mix aus Komik und Tiefgang mit viel Energie auf die Bühne. Aber das Stück will mehr. Hübner und Nemitz, berühmt durch „Frau Müller muss weg“, nutzen die Themen Flüchtlinge und türkische Mitbürger als Treibmittel für Konflikte, die vor allem persönlich und nicht politisch motiviert sind. In Gegenwart von Achmed – eines spontanen, sehr lustigen Alles-mal-aussprechen-Mannes – wird am sichtbarsten, wie sich die anderen Figuren immer wieder vor der Wahrheit drücken. Das Konzept Ehrlichkeit funktioniert hier erst zum Schluss.

Der von Yüksel als authentischer Sympath gespielte Achmed („Bierchen wäre geil“) legt Risse in den Beziehungen, Widersprüche, Vorurteile und Lebenslügen bloß. Im Zentrum steht die dominante Sophie, die ihrem früheren Freund Benny, der mittlerweile offen schwul lebt, immer noch nachtrauert. Tina Seydel spielt die Zerrissenheit der Figur aus und offenbart die zerbrechliche Struktur ihres Selbstbewusstseins. Von anderer, robusterer Machart erscheint Doro. Fabienne Hesse ist für kölschbefeuerte Schnellurteile zuständig. Ihre große Klappe schließt sie nur für Zigarettenpausen.

Katarina Schmidt als Anna wandelt sich mit einem leidenschaftlichen, wenn auch anfangs wirren Ich-werde-Mutter-Monolog vom stillen Wasser zum bewegten Strom. Im Verlauf der Aufführung wird sie vor den Augen des Publikums gleichsam erwachsen.

Patrick Dollmann neigt als Dozent Benny naturgemäß zum Dozieren. Er lässt immer ein wenig im Unklaren, ob sein ausgestellter Humanismus wirklich echt oder eben nur Ausdruck politisch erwünschter Korrektheit ist. Oder eine selbstverliebte Pose. Jens Hartwig gibt seinem Jonas Charme, aber auch opportunistische Züge. Wollen wir hoffen, dass der zukünftige Banker nicht repräsentativ für die Finanzwelt ist.

Riesenbeifall und Blumen.

Die nächsten Aufführungen: Bis 27. Mai; täglich außer montags. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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