Bärenjagd beginnt Berlinale eröffnet mit Animationsfilm "Isle of Dogs"

Berlin · Mit „Isle of Dogs“ eröffnete zum ersten Mal ein Animationsfilm die Berlinale, und die Schauspieler sind hier allein mit ihrer Stimme als Sprecher für die Trickvierbeiner präsent. Ein Vergnügen.

Ob die Berlinale auf den Hund gekommen ist, das wurde in den vergangenen Wochen und Monaten in der Diskussion um die Nachfolge von Festivalchef Dieter Kosslick ausführlich besprochen. Nach dem Eröffnungsfilm des diesjährigen Festivals kann und muss diese Frage mit einem klaren „Ja“ beantwortet werden. Denn auch wenn mit Bryan Cranston, Bill Murray, Jeff Goldblum, Tilda Swinton, Greta Gerwig und Liev Schreiber sich am Donnerstagabend auf dem roten Teppich am Potsdamer Platz ein beträchtliches Staraufgebot versammelte, ging es drinnen auf der Leinwand im Berlinale-Palast allein um des Menschen besten Freund: den Hund.

Mit „Isle of Dogs“ eröffnet zum ersten Mal ein Animationsfilm die Berlinale, und all die tollen Schauspieler sind hier allein mit ihrer Stimme als Sprecher für die Trickvierbeiner präsent. Regisseur Wes Anderson ist ein alter Berlinale-Hase und zugleich einer der originellsten Köpfe des amerikanischen Independent-Kinos. „Isle of Dogs“ wurde in klassischer Trickfilmtradition hergestellt. Der Charme von Andersons Film besteht im Bekenntnis zum sichtbaren Handwerk.

„Isle of Dogs“ kommt als dystopische Science-Fiction daher – nur eben aus der Hundeperspektive. Im Japan der Zukunft regiert der korrupte Bürgermeister und bekennende Hundehasser Kobayashi die Stadt Megasaki. Eine grassierende Hundegrippe nimmt dieser zum Anlass, um alle Hunde einfangen und auf eine verseuchte Müllkippeninsel verfrachten zu lassen. Nach sechs Jahren sind aus den einstmals geliebten Haustieren verwahrloste, ausgehungerte Kreaturen geworden, die sich um jede Mülltüte blutige Kämpfe liefern.

Das Blatt wendet sich, als der zwölfjährige Atari – Adoptivsohn des Bürgermeisters – mit einem geklauten Flugzeug auf der Insel landet, um sich auf die Suche nach seinem treuen Bodyguard-Hund zu begeben. Für die Vier- und den Zweibeiner beginnt eine epische Reise, die sich mit leiser Ironie an großformatige Werke wie „Hobbit“ anlehnt. Zwischen den Abenteuern philosophieren die Hunde auf dialektische Weise über die eigene Haustier- und Streunerexistenz, das Verhältnis zu ihren früheren Herrchen und das unfreiwillige Outlaw-Dasein.

Liebevolle und detailversessene Ausstattung

Neben den gewitzten Dialogen überzeugt „Island of Dogs“ vor allem durch seinen unaufdringlichen Humor und die liebevolle, detailversessene Ausstattung. Mit unübersehbarem Faible für Japanologie werden hier die Sets gestaltet und bei der Animation keine Mühen gescheut. Allein die Herstellung von vergifteten Sushi, mit denen der Bösewicht seinen politischen Gegner entsorgt, ist ein tricktechnisches Meisterwerk.

Mit „Isle of Dogs“ hat Dieter Kosslick einen köstlichen Appetizer serviert, der die cineastischen Synapsen öffnet und erst einmal gute Laune verbreitet. An der hat es im Zuge der Debatte um Nachfolge und Neuausrichtung des Festivals beim Berlinalechef in letzter Zeit ein wenig gemangelt. Sicherlich hat sich unter 17 Jahren Kosslick ein gewisser Reformstau gebildet und beim letztjährigen Wettbewerbsjahrgang kratzten sich selbst überzeugte Berlinale-Verfechter ratlos am Kopf. Aber einige der Kritikpunkte sind auch auf grundlegende Dilemmata zurückzuführen, die schon lange existieren und nur bedingt durch eine Festivalleitung zu ändern sind.

Neben Cannes und Venedig gehört Berlin zu den drei großen A-Festivals. Dass die Berlinale in dieser Konkurrenz eher am unteren Rand rangiert, ist gewiss kein Novum. Mit dem Auflauf an Meisterregisseuren und Stars, wie er an der Côte d'Azur zelebriert wird, konnte das Festival an der Spree schon unter Kosslicks Vorgänger Moritz de Hadeln nicht mithalten.

Aus der Not eine Tugend gemacht

Seit die Oscar-Verleihung vorverlegt wurde, ist es kaum noch möglich, große Hollywood-Produktionen im Februar nach Berlin zu locken. Aus dieser Not hat Kosslick in seiner Amtszeit einigermaßen tapfer versucht, eine Tugend zu machen, indem er für eine Diversifizierung des Programms mit elf Nebensektionen sorgte und das Profil als Publikumsfestival mit fast einer halben Millionen verkauften Tickets schärfte.

Mehr als 400 Filme mögen so manchen Fachbesucher (und auch Journalisten) an die Grenzen seiner Aufnahmekapazität führen, aber dies ist zumindest ein Versuch, der vielfältigen Medienlandschaft, die sich durch die Digitalisierung dramatisch verändert hat, gerecht zu werden. Wer heute Entdeckungen machen will, muss mit breiteren Netzen fischen, als das noch vor 20 Jahren nötig war.

Das diesjährige Wettbewerbsprogramm macht auf dem Papier einen eher durchwachsenen Eindruck. Immerhin ist das deutsche Kino, dessen Einbindung Kosslick als gelernter Filmförderer in seiner Amtszeit vorangetrieben hat, mit vier Produktionen stark präsent.

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