Symphoniorchester des Bayerischen Rundfunks Augenblick der Stille

Köln · Bernard Haitink dirigiert in der Kölner Philharmonie Gustav Mahlers dritte Sinfonie und erntet für seine Interpretation stürmischen Jubel

 Bernard Haitink und Gerhild Romberger bei der Probe.

Bernard Haitink und Gerhild Romberger bei der Probe.

Foto: Thomas Brill

„Sie wollen mit mir über Mahler reden? Ich dachte, wir reden über Musik“ – Sergiu Celibidache, langjähriger Chef der Münchner Philharmoniker, hat kein gutes Haar an Mahler gelassen, und als Dirigent einen Bogen um ihn gemacht. München war in Sachen Mahler lange Diaspora. Sonntagabend haben wir in der Philharmonie eine Sternstunde mit Mahlers dritter Sinfonie erlebt, und zwar auch durch eine Münchner Kulturinstanz: das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BRSO), verstärkt um den Chor des Senders und die Kölner Domsingknaben. Dirigiert hat der 87-jährige Bernard Haitink diesen rund anderthalbstündigen Marathon.

Interessant war der Abend auch, weil Haitink noch Kontakt zu Mahlers ehemaligem Assistenten Bruno Walter hatte, was eine gewisse Authentizität verspricht. Man unterstellt Haitinks Mahler-Interpretationen eine gewisse kühle Distanziertheit, und auch in der Philharmonie hat er sich die große pathetische Geste versagt. Es ist der richtige Weg, diese Musik aufzuführen. Es wäre ja auch blanker Unsinn, sich Albrecht Altdorfers Gemälde der „Alexanderschlacht“ aus zehn Zentimetern Entfernung anzusehen. Die Summe der Details ergibt kein Bild. Mit Mahlers Dritter ist es dasselbe. Man muss einige Schritte zurücktreten, um deren Dimensionen überhaupt wahrnehmen zu können.

Er hat den gewaltigen Orchester- und Chor-Apparat an die Kandare genommen und diese Maschinerie nur da Kraftmeierei treiben lassen, wo die Musik das ausdrücklich fordert. Demgegenüber stand eine großartige Innigkeit, etwa im vierten Satz, dem Mahler einen Text aus Nietzsches Zarathustra einkomponiert hat. Die Altistin Gerhild Romberger schritt über die Orchestergrundierung wie über einen Goldteppich, feierlich, würdevoll, einer der stärksten Momente dieses an starken Momenten nicht armen Abends. Haitink musste hinterher einen Augenblick der Stille per Handzeichen erbitten. Erst danach ließ er den stürmischen Jubel zu. Auch diese Form der Distanz ist wichtig.

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