Ausstellung im LVR-Landesmuseum Bonn „Aufgeblättert“ umfasst 7000 Blatt

Bonn · „Aufgeblättert“: Das LVR-Landesmuseum Bonn zeigt exquisite Grafikmappen aus eigenen Beständen und der Sammlung des Heinsberger Architekten Klaus Mülstroh.

 Bunte Vielfalt: Die „Edition 48: 1648/1998 Krieg und Frieden“ mit Grafiken von zwölf Künstlern.

Bunte Vielfalt: Die „Edition 48: 1648/1998 Krieg und Frieden“ mit Grafiken von zwölf Künstlern.

Foto: Vogel

Für den Grafikfreund sind Grafikmappen das Non plus ultra, das größte Vergnügen überhaupt. Das beginnt bereits beim Anblick der kunstvoll gestalteten, in der Regel farbig exquisiten Behältnisse, der Mappen, Kästen und Leinenschatullen. Deren Innenleben sind Radierungen, Holzschnitte oder Lithografien, gelegentlich in Seidenpapier eingeschlagen und mit einem kunstvollen Beiblatt erläutert. Insgesamt ein handwerklich akkurates, künstlerisch wertvolles, präsentationstechnisch aufregendes Stück Grafikkultur. Mappen sind auch echte Raritäten in meist kleiner Auflage, gefragte Sammlerstücke, die nur dann die volle Freude bereiten, wenn sie komplett sind und nicht von einem Vorbesitzer gefleddert wurden.

In einer Ausstellung mit rund einem Dutzend bislang noch nicht präsentierter Mappenwerke zeigt das LVR-Landesmuseum einen Ausschnitt seiner 7000 Blatt umfassenden Grafischen Sammlung. Eigenbestände treffen auf Konvolute der Sammlung des Heinsberger Architekten Klaus Mülstroh, der seit den 1960er Jahren Grafik erwirbt und seine Schätze dem Museum vor zehn Jahren als langfristige Leihgabe übergab.

Die Bandbreite reicht von den geometrisch-konkreten Blättern des Bildhauers und Zeichners James Reineking – Ohne Titel (Edition E) – bis zur bisweilen naiven Annäherungen an Architektur und Bühnenraum, die Georg Klusemann mit aufwändigen Farbradierungen unter dem poetischen Titel „Kupferne Erzählungen: Ein- und Aussicht auf Himmel und in Stuben fröhlicher Verzweiflung“ vollzog.

Große Namen vertreten

Große Namen sind unter den Mappenmeistern. So legte Karl Otto Götz einer Vorzugsausgabe seines Oeuvreverzeichnisses „Erinnerung und Werk“ (1983) Blätter der Jahre 1946 bis 1983 bei, vom figurativen Motiv bis zum Schwung des Informel. Der Architekt Erwin Heerich präsentierte 1973 in feinen Linien quasi ein Einmaleins seiner Baukunst – 25 Architekturausschnitte, erschienen im Klaus-Staeck-Verlag. Der Bildhauer Abraham David Christian wurde 1983 in Japan vom Virus der dortigen Kultur des Farbholzschnitts infiziert, was dann in die zauberhaften Blätter der Mappe „Etüden über den Holzschnitt“ mündete.

Höhepunkte der Schau sind Grafiken von Gerhard Hoehme, Hann Trier („Tiresias“, 1951) und von HAP Grieshaber, der sich dem Getier der Arche Noah in Holzschnitten widmet. Spannend sind Grafikmappen, die verschiedenste Künstler zu einem Dialog zusammenbringen oder zu einem bestimmten Anlass erschienen.

Künstler gegen den Krieg

Einen eigenen Charme hat etwa „8 définitions du réel“, 1974, eine surrealistische Bestandsaufnahme der Welt der Dinge. „Der Klotz“ vereinigte 60 Werke, die 1996/97 anlässlich des 60. Geburtstags des beliebten Kunsthistorikers, Architekturtheoretikers und Publizisten Heinrich Klotz erschienen. Zwölf Künstler, darunter Johannes Brus und Walter Libuda, erinnerten 1998 mit der Mappe „Edition 48: 1648/1998 Krieg und Frieden“ an den 350. Jahrestag des Westfälisches Friedens

Etwas Besonderes ist sicherlich auch die Anthologie regionaler Künstler, die der Kunstverein für den Stadt- und Landkreis Bonn und für den Siegkreis zur Neueröffnung des Landesmuseums 1967 zusammenstellte: Blätter von Paul Magar, Joseph Fassbender, Manfred Weil und Hans Juan Dotterweich sind da versammelt.

Es gibt auch wirklich gewagte grafische Abenteuer: Fritz Janschka, Vertreter der Wiener Schule des Fantastischen Realismus, etwa arbeitete sich durch James Joyces „Ulysses“ und legte 1973 ein „Ulysses-Alphabet“ mit recht drastischen Szenen vor. Janschka betont, dass man das Buch nicht gelesen haben muss, um die Grafiken zu genießen – dennoch liegen den Aquatintaradierungen die dazugehörigen Textpassagen bei.

LVR-Landesmuseum Bonn; bis 25. August. Di-Fr, So 11-18, Sa 13-18 Uhr.

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