Opernpremiere Unverstellter Realismus

Bonn · Mark Daniel Hirsch inszeniert Puccinis "Madama Butterfly" an der Bonner Oper. Die großartige Sopranistin Yannick-Muriel Noah wird als Cio-Cio-San vom Beethoven Orchester unter der Leitung von Stephan Zilias auf Händen getragen.

 Szene aus der Bonner Inszenierung von Puccinis Oper "Madama Butterfly".

Szene aus der Bonner Inszenierung von Puccinis Oper "Madama Butterfly".

Foto: Thilo Beu

Die Geschichte der jungen Cio-Cio-San aus dem japanischen Nagasaki ist die einer irrwitzigen Lebenslüge. Die auch "Butterfly" genannte Geisha verliebt sich in den amerikanischen Marineleutnant B.F. Pinkerton, das Paar heiratet, er schwängert sie und geht wieder seiner Wege. Unerschütterlich aber ist der Glaube des Mädchens, dass er eines Tages zu ihr und zu dem gemeinsamen Sohn zurückkehren werde. Cio-Cio-San fühlt sich seit der Hochzeit als Mrs. Pinkerton und Amerikanerin. Ein ebenso naiver wie tödlicher Irrtum. Denn für Pinkerton ist die Ehe mit ihr lediglich ein Vertrag mit unkomplizierter Ausstiegsklausel und vor allem der Schlüssel zum Schlafgemach der anmutigen Geisha.

In Mark Daniel Hirschs vom Bonner Premieren-Publikum begeistert aufgenommener Inszenierung von Giacomo Puccinis "Madama Butterfly", die hier in einer - wie vom Komponisten ursprünglich konzipiert - zweiaktigen Fassung gegeben wird, schält sich die Tragödie langsam heraus. Hirsch, der an der Bonner Oper fest als Spielleiter arbeitet und hier auch mit eigenen Inszenierungen wie Antonin Dvoraks "Rusalka" auf sich aufmerksam machte, versucht sich in Puccinis Klassiker nicht an einer aktuellen Neudeutung. Regietheater liegt ihm fern. Einzig ein ganz in schwarz gekleideter "Bühnendiener" (Annika Bonerath), dessen Existenz sich einer Anleihe an das japanische Kabuki-Theater verdankt, findet kein äquivalent im Textbuch. Und so sehen wir auf der von Helmut Stürmer entworfenen Bühne einen ganz unverstellten Realismus mit hübschen Japonaiserien, vom Bühnendiener eifrig bewegte Schiebewände und einem Gebetsschrein im Haus der Geisha, dahinter das Meer, sogar Pinkertons Schiff, der Luxusliner "Abraham Lincoln", zeichnet sich auf der Hinterwand der Bühne ab. Hirsch lässt die westliche und die fernöstliche Kultur aber nicht wirklich aufeinanderprallen, sondern zeigt sie aus der Perspektive des neutralen Beobachters. Die Tragödie entsteht aus der Geschichte selbst und aus der Musik heraus.

Die ist bei Bonns Erstem Kapellmeister Stephan Zilias in sehr guten Händen. Das Beethoven Orchester produziert unter seiner Leitung einen warmen Klang, der die Exotismen schön ausleuchtet und die dramatische Wucht der Musik ordentlich befeuert. Zilias gelingt es blendend, die Kitsch-Zonen zu umschiffen, selbst dort, wo er der Partitur immer wieder auch ganz zarte und zärtliche Nuancen entlockt.

Davon profitieren auch die Sänger ganz ungemein. Yannick-Muriel Noah wird als Cio-Cio-San musikalisch auf Händen getragen. In der Arie "Un bel dì, vedremo" fühlt man jede Seelenregung mit, die sie mit ihrer warmen, geschmeidigen und sehr präsenten Sopranstimme zum Ausdruck bringt. So viel melancholische Sehnsucht klingt darin. Auch darstellerisch gibt Yannick-Muriel Noah der Figur eine bemerkenswerte tragische Tiefe, sie spielt die hinter schneeweißer Schminke und einem farbenfrohen Kimono sich verbergende frisch verliebte Geisha ebenso überzeugend, wie die geduldig auf den Gatten wartende junge Frau. Und das Ende, wenn sie ihren Sohn dem längst mit einer Amerikanerin verheirateten Pinkerton überlässt, und ihr Leben mit einem Dolchstich auslöscht, gelingt ihr herzzerreißend.

Susanne Blattert agiert hier als ihre Dienerin Suzuki auf Augenhöhe. Das "Blumenduett" im zweiten Akt, wo sie mit ihrem ansprechenden Mezzosopran zu hören ist, zeigt dies auf ergreifend schöne Weise. George Oniani als Pinkerton zeigt vor allem tenorales Powerplay. Der virile Liebhaber des ersten Aktes ist am Ende kaum mehr wiederzuerkennen. Regisseur Hirsch schickt ihn hinkend und mit Krücke zurück nach Nagasaki. Nuancierter in der Rollengestaltung geht der großartige Bariton Giorgos Kanaris vor, der als Sharpless erstaunlich viel Empathie zeigt.

Auch die kleineren Partien sind bestens besetzt, darunter Jonghoon You (Goro), Johannes Mertes (Yamadori), Priit Volmer (Bonzo), Ji Young Mennekes (Cio-Cio-Sans Mutter), Kathrin Leidig (Kate Pinkerton) und ganz besonders der kleine Carl Koch als Sohn, der in einem anrührenden Pantomime die Uniformjacke seines Vaters überzieht, den er noch nie in seinem jungen Leben zu Gesicht bekommen hat. Der trefflich agierende Chor wurde von Marco Medved einstudiert und von Dieter Hauber in schöne japanische Kostüme gekleidet.

Weitere Vorstellungen: 29. April, 8., 14., 28., 31. Mai, 1., 5., 11., 17., 26., 30. Juni, Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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