Glosse "Toni Erdmann": Ein deutsches Filmwunder

Bonn · Triumph bei den Filmfestspielen in Cannes, begeisterte Kritiken und nun Oscar-Kandidat. Bei aller Euphorie um Maren Ades Film "Toni Erdmann": Macht das Kinopublikum den Hype mit?

 Gewinnerin: Die Regisseurin des Films "Toni Erdmann", Maren Ade. Foto: dpa

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Die Geschichte von „Toni Erdmann“ ist fast zu gut, um wahr zu sein. Triumph bei den Filmfestspielen in Cannes, begeisterte Kritiken und nun Oscar-Kandidat. Bei aller Euphorie: Macht das Kinopublikum den Hype mit? Dieter Hertel, in dessen Kinos Rex und Neue Filmbühne Beuel Maren Ades Film „Toni Erdmann“ in der siebten Woche läuft, kennt die Zahlen. Bundesweit hat der Film in sechs Wochen (Stichtag: Mittwoch, 24. August) insgesamt 439 000 Besucher mobilisiert. Dazu müsse man noch die Besuche bei Open-Air-Kinoveranstaltungen rechnen. Summa summarum käme „Toni Erdmann“ dann auf rund eine halbe Million Zuschauer.

Das Bonner Publikum hat seinen Anteil am Erfolg. Rex und Filmbühne konnten bis dato zusammen mehr als 6000 zahlende Kunden begrüßen. Zum Vergleich: Sebastian Schippers von den Kritikern bis zur Besinnungslosigkeit hochgelobter Film „Victoria“ aus dem Jahr 2015 schaffte laut Dieter Hertels Statistik 357 000 Besucher bundesweit – bis zur 19. Woche. Im Fall von „Toni Erdmann“ kommt also beides zusammen: Die Begeisterung der Rezensenten überträgt sich aufs Publikum; der Rest ist Mundpropaganda.

Darüber sollte man nicht vergessen, dass Maren Ade uns 2009 den Film „Alle Anderen“ zugemutet hat. Darin erzählte Ade (Buch, Regie und Produktion) die Geschichte eines Paares in der Krise. Im Urlaub auf Sardinien eskaliert der Konflikt zwischen Gitti (Birgit Minichmayr) und Chris (Lars Eidinger). Er befürchtet, durchaus mit Grund, vielleicht zu langweilig für sie zu sein. Sie geißelt seine Mutlosigkeit („Ich finde, man kann sich auch einmal was trauen“), er ihre soziale Inkompetenz („Du bist so peinlich“). So geht das in einem fort. Der Film nervt vor allem durch seine bewusste Kunstlosigkeit.

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