Aus Fundstücken wird Kunst Tina Wedel im Stadtmuseum Siegburg

Siegburg widmet der Bonner Künstlerin Tina Wedel zum 80. Geburtstag eine große Werkschau. Wedel kann auf vier Jahrzehnte künstlerischen Schaffens zurückblicken.

 Die Künstlerin Tina Wedel im Siegburger Stadtmuseum vor alten Druckplatten des Bonner General-Anzeigers.

Die Künstlerin Tina Wedel im Siegburger Stadtmuseum vor alten Druckplatten des Bonner General-Anzeigers.

Foto: Meike Böschemeyer

Die Worte „wachsen und gedeihen“ gehen für sie einher mit dem Nachdenken über die Zeit und die Vergänglichkeit. Wenn Tina Wedel mit Linienstrukturen in ihrer Malerei arbeitet oder in ihren Installationen Gräser und Pflanzen einarbeitet, macht sie das Voranschreiten der Zeit sichtbar. „Die Zeit ist für mich positiv besetzt“, sagt die Künstlerin, die Mitte Mai ihren 80. Geburtstag feiern kann, und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Auch wenn die Bewegung der Zeit vertikal nach unten gehen kann.“

Tina Wedel kann auf vier Jahrzehnte künstlerischen Schaffens zurückblicken. Aus Anlass ihres runden Geburtstags zeigt das Siegburger Stadtmuseum unter dem Titel „Von Zeit zu Zeit“ nun vier Werkserien der Künstlerin.

Überregionaler Bekanntheit erfreute sich Wedel bereits nach einem Stipendium zum Kunstpreis der Stadt Bonn (1993), wie auch durch die Verleihung der August-Macke-Medaille der Stadt Bonn (2005) und des von der Gedok verliehenen Dr.-Theobald-Simon-Preises (2009). Wie reich und vielgestaltig ihr künstlerisches Wirken ist, zeigen auch ihre (Gründungs-) Mitgliedschaften in Vereinen und Verbänden, wie dem Frauenmuseum Bonn (seit 1985), dessen Vorsitz sie zudem von 1988 bis 1997 innehatte, und der Gruppe „zart & zackig“. „Wer Mitglied im Frauenmuseum ist, würde niemals sagen, dass man aufhören kann, für Frauenrechte zu kämpfen. Frauenrechte gehören weiterhin zu meinen wichtigen Anliegen“, sagt Wedel, deren Ausdrucks- und Materialsprache bewusst experimentierfreudig ist. Ob Skulptur, Malerei, Bildhauerei oder Installation – die Künstlerin lässt sich mit offenen Augen inspirieren. Beim Spaziergang und auf Radtouren entdeckt sie nicht selten ihre Fundstücke oder recycelt Materialien früherer Installationen.

Die Bildaussage solle den Betrachter nicht anspringen, sagt Wedel. Zufrieden sei sie, wenn „ein leiser Fingerzeig“ zu spüren sei. Vor einigen Jahren entdeckte sie einen größeren Stein aus der zerstörten Synagoge in Bonn, dem sie unter einem bepflanzten Paravent vor dem Frauenmuseum ein neues Zuhause gab. „Die erschreckende Entwicklung in heutiger Zeit zeigt, wie aktuell die Arbeit ist.“

Ein Schrottplatz-Fund Ende der 80er Jahre hatte Wedel der Umstellung des Drucksystems des Bonner General-Anzeigers zu verdanken. Die dortige Entsorgung alter Aluminium-Druckplatten ermöglichte ihr die künstlerische Neu-Verwendung. Sie übermalte farbig, gestaltete in erdigen Acrylfarben, ließ so über den Schriftzügen der Druckplatten eine neue, kreative Ebene entstehen, als sei es an ihr, die Gedankenwelt, die sich beim Lesen einer Zeitung im Inneren des Lesers entfaltet, farbig zu visualisieren und zu einer eigenen Kunstebene über dem Druck werden zu lassen. Eine Installation aus 27 Platten, die Wedel 1988 ausstellte, erwarb damals der Bonner Beta Verlag, der das Werk nun für die Siegburger Werkschau zur Verfügung stellte.

Ausstellungsdauer bis 24. Juni. Bei zwei Künstlergesprächen, Mittwoch, 6. Juni ab 18.30 Uhr und Sonntag, 24. Juni ab 15 Uhr, ist Tina Wedel im Gespräch mit Museumsleiterin Gundula Caspary zu erleben.

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