Konzert zum Tauftag Streichinstrument als Streichholz

Bonn · Der italienische Pianist und Preisträger der Beethoven Competition Alberto Ferro überzeugt bei der langen Beethovennacht im Bonner Opernhaus

Völlig souverän hatte sich der Italiener Alberto Ferro bei der Bonner Beethoven Competition der Telekom den ersten Preis der Jury erspielt und dazu noch etliche andere Preise abgeräumt. Da die akustischen Bedingungen beim Finale im Telekom-Forum am Beueler Landgrabenweg jedoch alles andere als ideal waren, durften die Bonner sich nun umso mehr auf ein Wiederhören mit dem 21-Jährigen unter akustisch deutlich besseren Bedingungen im Bonner Opernhaus freuen. In der aktuellen Ersatzspielstätte des Beethoven Orchesters feierten Musiker und Publikum vor ausverkaufter Kulisse nicht nur den musikalischen Nachwuchs, sondern auch Beethovens Tauftag. Mit der traditionellen langen Beethovennacht, in der ausschließlich Werke des Meisters aus Bonn auf dem Programm standen.

Bis zu seinem Auftritt musste Ferro lediglich noch die Leonoren-Ouvertüre Nr. 3 abwarten, die der Komponist 1806 für seine damals noch als „Leonore“ firmierende Oper „Fidelio“ komponierte. Anders als die spätere knappe und pointierte „Fidelio“-Ouvertüre ist sie eher eine Art Oper ohne Worte beziehungsweise eine Kurzfassung des Dramas. Für die Musiker freilich eine dankbare Aufgabe, weil die Stimmungen und einige Motive und Themen der Oper schon ausgemalt werden. Das klang im Opernhaus sehr prägnant, inklusive des Trompetensignals aus der Ferne.

Für ihr neuerliches Zusammenspiel hatten sich Ferro und Dirigent Dirk Kaftan wieder auf das Klavierkonzert Nr. 4 in G-Dur geeinigt, das der junge Pianist diesmal ganz entspannt ohne Wettbewerbsdruck angehen konnte. Was er auch tat: Er tupfte das schlichte lyrische Thema leise und mit viel Gefühl in die Tasten und entspann bereits im ersten Satz einen schönen Dialog mit dem Orchester. Ferros Spiel lässt an Präzision keine Wünsche offen, pointierte Akzente kamen ebenso selbstverständlich herüber wie die geschmeidig gespielten Läufe und Figuren, bei denen, wie später auch im Finalsatz, immer eine gewisse Noblesse mitschwang. Echte gestalterische Qualitäten zeigte der Pianist in dem von Beethoven gleichsam als mythologisches Miniatur-Drama komponierten langsamen Satz. Als Zugabe spielte er gut gelaunt ein sehr witziges Capriccio von Gioachino Rossini.

Für den kammermusikalischen Teil des Abends hatten die Veranstalter das Asasello Quartett mit Rostislav Kozhevnikov, Barbara Streil (Violine) Justyna Sliwa (Viola) und Teemu Myöhänen (Violoncello) verpflichtet. Sie spielten vor geschlossenem Bühnenvorhang Beethovens Streichquartett in f-Moll op. 95, über dessen Beginn der Philosoph Peter Sloterdijk später am Abend noch sagen sollte: „Hier kann man sehen, dass ein Streichinstrument auch als Streichholz verwendet werden kann.“ Was sowohl auf das Werk wie auf die Interpretation zutrifft. Diesen „zündenden“ Anfang strichen die vier mit großer Wucht und Leidenschaft, die sie auch in den weiteren Verlauf des Werkes hineintrugen.

Nach der zweiten Pause an diesem langen Abend spielte das Beethoven Orchester unter Kaftans Leitung noch die dritte Sinfonie, die „Eroica“. Bonns neuer Generalmusikdirektor legte seine Interpretation weit von klassischer Gediegenheit entfernt an und dirigierte von Beginn an mit großem Temperament, wobei er einen sehr körperlichen Dirigierstil pflegt, der sein Podest nicht selten wie eine Tanzfläche aussehen lässt. Mit ausladenden Gesten gibt er Tempo und vor allem auch die Dynamik vor, der Variantenreichtum seiner Einsatzsignale ist groß. Doch bei allem zählt das musikalische Ergebnis, das an diesem Abend sehr überzeugend war. Die Musiker folgten ihm nicht weniger leidenschaftlich, knackige Streicherepisoden, kraftvolles Blech und schöne Holzbläserstellen – nicht nur die Oboe im Trauermarsch – verhalfen der Aufführung zu höchstem Niveau.

Philosoph Peter Sloterdijk war nicht nur am Sonntag bei der Wiederholung der Eroica-Aufführung in der neuen Reihe „Im Spiegel“ Gesprächspartner von Dirk Kaftan, sondern stand am Samstagabend auch schon Manfred Osten im „Nachklang“ Rede und Antwort. Man unterhielt sich über die musikalische Avantgarde während unterschiedlicher Zeitalter von der französischen über die industrielle bis zur digitalen Revolution. Und das Asasello Quartett lieferte klingende Beispiele von Johannes Brahms bis Thomas Adès.

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