Aufnahme des Beethoven Orchester Bonn Sinfonien von Beethoven als "Pure Leidenschaft"

Bonn · Mit der Veröffentlichung der Sinfonien Nr. 4 und 7 liegt die Einspielung aller neun Sinfonien Ludwig van Beethovens durch das Beethoven Orchester unter Leitung von Stefan Blunier komplett vor.

 Akt der Befreiung: Stefan Blunier und das Beethoven Orchester.

Akt der Befreiung: Stefan Blunier und das Beethoven Orchester.

Foto: Felix von Hagen

Die Gesamtaufnahme der neun Sinfonien Ludwig van Beethoven durch das Beethoven Orchester Bonn, die jetzt mit der Veröffentlichung der Sinfonien Nr. 4 in B-Dur und der Nr. 7 in A-Dur komplett vorliegt, könnte man als das musikalische Vermächtnis bezeichnen, das der Dirigent Stefan Blunier seiner früheren Wirkungsstätte Bonn hinterlassen hat.

Auch wenn seine eigenen Äußerungen dazu eher Gegenteiliges vermuten lassen würden. In einem Interview mit dieser Zeitung kurz vor dem Ende seiner Amtszeit im vergangenen Jahr hat er angemerkt: „Der Zyklus mit den Beethoven-Sinfonien ist eher wie ein Fetisch. Obwohl es ja schon unzählige Aufnahmen gibt, ist es schön sagen zu können, jetzt haben wir auch einen.“

Ein bisschen Recht hat Blunier natürlich schon. Auf dem Gebiet der Beethoven-Interpretation ist gerade in den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten viel passiert. Die Dirigenten Nikolaus Harnoncourt, Sir John Eliot Gardiner, Paavo Järvi, Christian Thielemann, Riccardo Chailly oder auch Mariss Jansons haben maßstabsetzende Aufnahmen vorgelegt. Das Spektrum reicht von hemmungslos romantisierend, wie Thielemann es mit den Wiener Philharmonikern zele-briert, bis zur schlanken, vom Ideal des Originalklangs getriebenen Rasanz Järvis. Wo soll ein Interpret da noch einen Ansatz finden, der eine Verewigung auf Tonträger rechtfertigen würde? Reicht da die aufnahmetechnische Novität des Bonner Zyklus aus, ihn vollständig im dreidimensionalen 2+2+2-Klang auf Super Audio CD eingefangen zu haben?

Aber die Frage ist gar nicht einmal so sehr, welchen Platz die Gesamtaufnahme der neun Sinfonien durch das Beethoven Orchester unter Leitung von Bonns ehemaligem Generalmusikdirektor auf einem Ranking aller Einspielungen einnimmt, oder ob ein wirklich neuer Ansatz vorliegt. Es war für das Orchester, das die Geburtsstadt Beethovens musikalisch repräsentiert, schlicht an der Zeit, sich endlich mit einer Aufnahme als ernstzunehmender Beethoven-Interpret ins Gespräch zu bringen. Und das ist den Musikern und Blunier zweifellos gelungen.

Tatsächlich steht die Leidenschaft, die man beim Hören wahrnimmt, in einem ziemlich krassen Gegensatz zu der etwas leidenschaftslos flapsigen Formulierung Bluniers über das Projekt, das 2012 mit der Veröffentlichung der Sinfonien Nr. 1 und 5 begonnen hatte. Das gilt schon für die vierte Sinfonie, die im Vergleich zu ihren unmittelbaren Nachbarn, den heroischen Nr. 3 („Eroica“) und Nr. 5, eine weit geringere Popularität genießt. Eine „griechisch schlanke Maid zwischen zwei Nordlandriesen“, hat Robert Schumann diese Sinfonie beschrieben.

Doch Blunier unterschätzt das Werk deshalb nicht. Die langsame Einleitung wirkt suchend, düster, angstvoll, als ginge es geradewegs hinunter in Florestans Kellerverlies – bis sich die Szene mit dem Allegro vivace endlich auflichtet. Den Kontrast arbeitet Blunier mit den vorzüglichen Bonner Musikern als Befreiung heraus, die sich sehr energetisch freisetzt. Der idyllische langsame Satz wird von den Holzbläsern wie den Streichern klangsensibel ausgeleuchtet, und der dritte Satz gibt sich in der Interpretation so rhythmisch widerborstig wild, wie Beethoven ihn angelegt hat. Das Perpetuum-mobileartige Finale mit seinen nahezu pausenlosen Sechzehntelfiguren wird von den Streichern bis zum Fagott mit behender Virtuosität in Szene gesetzt. Ein Bravourstück.

Die siebte Sinfonie zählte lange nicht zu Bluniers Repertoire. Erst die Amerika-Tour 2013 war für ihn Anlass, das Werk einzustudieren. Dass er sich das Werk mittlerweile ganz zu eigen gemacht hat, ist in dieser Aufnahme deutlich zu spüren. Der extreme Spannungsaufbau der langsamen Einleitung zeigt die souveräne Hand des Gestalters Blunier. Großartig wie sich das unter seinen Händen im Vivace in pure Bewegung auflöst. Klanglich delikat gelingt der Trauermarsch, bei dem das Allegretto-Tempo und die fein ausziselierte Leichtigkeit der kontrapunktisch geführten Stimmen einen Gegenentwurf zum Pathos des Trauermarsches der „Eroica“ darstellt. Hier musizieren Streicher und Holzbläser in einem schön ausgewogenen Miteinander. Dass Richard Wagner die Sinfonie in seiner Schrift „Das Kunstwerk der Zukunft“ als „Apotheose des Tanzes“ charakterisierte, wird vor allem in den letzten beiden Sätzen nachvollziehbar, für die Blunier sich auf die von Beethoven geforderten schnellen Tempi einlässt, was die Musiker mit Energie und technischer Brillanz Klang werden lassen.

Bereits Ende vergangenen Jahres ist die Vorgänger-CD mit der Sinfonie Nr. 2 erschienen, die außerdem fünf Ouvertüren Beethovens enthält.

Ludwig van Beethoven: Sinfonien Nr. 4 & 7, Beethoven Orchester Bonn, Stefan Blunier, Ltg., Hybrid-SACD, MDG 937 1995-6

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