Vom Versager zum Vernichter Paul Schäfer: Sektenführer, Päderast und Sadist

Bonn · Die Vita des in Bonn geborenen Paul Schäfer: Kirmes-Helfer, Sektenführer, Pinochet-Freund, der schon früh den idealen Job fand, um seine pädophilen Neigungen auszuleben.

Colonia Dignidad - Paul Schäfer: Sektenführer, Päderast und Sadist​
Foto: dpa/Benjamin Hernandez

Jugendpfleger. Besser geht’s nicht. Schulabbrecher Paul Schäfer, am 4. Dezember 1921 in Bonn geboren und in Troisdorf aufgewachsen, verdingt sich nach Kriegsende zunächst als Hilfskraft auf Jahrmärkten, als Assistent des Kraftmenschen Danilo (Der stärkste Mann der Welt), bevor er den idealen Job findet, um seine pädophilen Neigungen auszuleben: Er bietet sich katholischen und evangelischen Organisationen im Rheinland als Jugendbetreuer an.

Immer wieder setzen ihm die kirchlichen Arbeitgeber den Stuhl vor die Tür, weil ruchbar wird, dass Schäfer Knaben in seine Wohnung bestellt, um sie über ihre sexuellen Fantasien auszufragen. Auch sein Hang zum Sadismus ist in rheinischen Kirchenkreisen bald kein Geheimnis mehr: In Ferienlagern müssen die Jungs eine Gasse bilden und mit Ruten auf einen gewaltsam entkleideten „Sünder“ einprügeln, der beim Naschen erwischt wurde. Ein Junge, der über Heimweh klagt, wird auf Schäfers Geheiß von der Meute als Mädchen verkleidet und in einen Kinderwagen gesteckt.

Man belässt es stets bei diskreten Kündigungen, nie wird Schäfer angezeigt. In der Adenauer-Ära kehrt man so etwas lieber unter den Teppich. Nach seinem Rausschmiss als Troisdorfer CVJM-Jugendleiter verlässt Schäfer vorsichtshalber für eine Weile das Rheinland, gründet im münsterländischen Gronau seine Sekte, kehrt schließlich ins Rheinland zurück – mit Dutzenden Anhängern, die ihm völlig hörig sind.

Der Totalversager bastelt sich seine eigene Welt

Paul Schäfer muss sich lange als der ewige Verlierer gesehen haben: Sohn einer geschiedenen und bitterarmen alleinerziehenden Mutter, die er abgrundtief hasst (so wie er alle Frauen hasst), zweifacher Sitzenbleiber ohne erlernten Beruf. Klein und schmächtig, bei Raufereien auf dem Schulhof zieht er stets den Kürzeren.

Als Kind stößt er sich ein Auge aus, als er einen Knoten im Schnürsenkel mit einer Gabel lösen will. Die Mitschüler nennen ihn fortan „Glasauge“. Deshalb will ihn selbst die Wehrmacht nicht haben. Die ganze Welt scheint sich gegen ihn verschworen zu haben. In Heide und schließlich in Chile bastelt sich der Totalversager schließlich seine eigene Welt und erhebt sich zu ihrem gottähnlichen Herrscher.

Mit dem Militärputsch 1973 und der fast 17 Jahre währenden grausamen Diktatur des Generals Augusto Pinochet wächst Paul Schäfers Macht ins Unvorstellbare. Das abgeschottete Gelände der Colonia Dignidad steht dem berüchtigten chilenischen Geheimdienst Dina zur Verfügung, um Regimegegner gefangen zu halten, bestialisch zu foltern, zu ermorden, spurlos verschwinden zu lassen.

In der Kolonie wird ein Ausbildungszentrum für Folterer eingerichtet. Zum Dank tolerieren die Machthaber den steilen Aufstieg der Deutschen-Farm zu einem der größten Wirtschafts-unternehmen Chiles. Die Colonia Dignidad, von der Fläche her mittlerweile so groß wie das Saarland, besitzt sogar Bergwerke zum Abbau von Titan und Molybdän.

Nach Schäfers Verhaftung im Jahr 2005 entdeckt die Polizei auf dem Sektengelände ein gigantisches Waffenarsenal. Maschinengewehre, Raketenwerfer – genug, um einen regelrechten Krieg zu führen. Im Januar 2006 stoßen die Ermittler auf ein Massengrab: zu Tode gefolterte Gegner der Militärdiktatur.

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