Konzert in der Endenicher Harmonie Marcus Schinkel spielt Keith Emerson

Bonn · Der Bonner Jazzpianist legt mit seinem Trio eine erneuerte Version des Emerson-Lake-and-Palmer-Klassiker "Pictures at an Exibition" auf

 Tastenkünstler Marcus Schinkel am Keyboard.

Tastenkünstler Marcus Schinkel am Keyboard.

Foto: Horst Müller

Nach dem Debüt der 1970 gegründeten britischen Band Emerson, Lake & Palmer (ELP) war der BBC-Moderator John Peel schwer enttäuscht. Er verriss den Auftritt mit folgenden knappen Worten: „A complete waste of time, talent and electricity“ – eine totale Verschwendung von Zeit, Talent und Elektrizität. Er und andere Kritiker des Trios fremdelten mit dessen „pseudoklassischem Stil“, der Musik von Bach bis Bartók virtuos in eigene Stücke einfließen ließ.

Dass ein ELP-Musikerlebnis aber alles andere als pure Zeitverschwendung ist, davon ist der Bonner Jazzpianist und Keyboarder Marcus Schinkel fest überzeugt. Und auch das Publikum, das ihm in die nahezu ausverkaufte Harmonie folgte, wo Schinkel mit seinem Trio am Mittwoch die Keith-Emerson-Tribute-Show „New Pictures at an Exibition“ vorstellte. Der Titel bezieht sich auf das berühmte Live-Album „Pictures at an Exhibition“ aus dem Jahr 1971, dem wiederum der ohnehin gern bearbeitete visionäre Klavierzyklus „Bilder einer Ausstellung“ des russischen Komponisten Modest Mussorgski zugrunde liegt. In dieser Musik, sagte Schinkel im Konzert, verbänden sich seine Leidenschaften Klassik, Jazz und Rock.

In Schinkel schlägt freilich das Jazz-Herz zu kräftig, um sich mit einer ELP-Cover-Show zufriedenzugeben. Seine Hommage lebt von Zitaten, Einwürfen und eigenen Weiterentwicklungen – ähnlich frei, wie ELP mit dem Mussorgski-Original umgingen oder Schinkel selbst mit Beethoven. Der Abend begann in Endenich also nicht wie in Newcastle mit dem Klang einer Kirchenorgel. Vielmehr stellte Gastmusiker und -sänger Johannes Kuchta (der im Hauptberuf Neurochirurg ist) Mussorgskis Promenadenthema auf einem klarinettenähnlichen Chalumeau vor. Im folgenden sehr virtuosen „The Gnome“ kamen Schinkels am Synthesizer imitierte Hammond-Klänge, Fritz Roppels brillantes Spiel an der sechssaitigen Bassgitarre und das Schlagzeug von Wim de Vries phasenweise dem Sound des ELP-Originals sehr nah. Im „Alten Schloss“ entfernten sie sich dann komplett von der Vorlage, um dieses Stück als psychedelische Traumvision zu präsentieren (bevor sie es später noch einmal in einer ELP-Version wieder aufgriffen). Die anschließende Promenade wurde zur Hommage an einen anderen großen Tastenkünstler: den Österreicher Joe Zawinul.

Dass der – wie Greg Lake – im vergangenen Jahr verstorbene Keith Emerson ein unglaublich virtuoser Pianist gewesen ist, machte Marcus Schinkel in vielen Soli am Klavier (großartig: „Take a Pebble“) und auf anderen Tasteninstrumenten deutlich. Schinkel gab sich dabei extrem experimentierfreudig, erweiterte sozusagen das Emerson-Instrumentarium etwa um ein Umhängekeyboard, mit dem er sich wie ein Rockgitarrist in Pose warf. „Ursprünglich wollte ich Gitarrist werden“, erklärte er seine Liebe zu dem Instrument. Dass man darauf auch den wilden Ritt der Hexe Baba Yaga absolvieren kann, war fürs Publikum eine ebenso mitreißende wie verblüffende Erfahrung.

Überhaupt ließ Schinkel viel Show ins Konzert einfließen – was auch Keith Emerson gerne tat. Zum Beispiel mit der Verwendung einer Laserharfe, bei der die Töne von Lichtstrahlen abgegriffen werden. Sehr hübsch und sehr effektvoll.

Seine Bandkollegen hatten ebenfalls ordentlich Spielraum für instrumentale Kabinettstückchen. Schlagzeuger Wim de Fries zerlegte am Ende seines großen, sehr virtuosen Solos erst den Rhythmus und dann seine Drumsticks. Und Roppel zupfte mit enormer Kunstfertigkeit den Akustik-Gitarren-Part aus „The Sage“ auf seinem sechssaitigen Bass. Dass hier wie in den anderen Songabschnitten der Geist von Greg Lakes Stimme durchschimmerte, war Kuchta (der sich darüber hinaus mit allerlei, teils exotischen Instrumenten einbrachte) zu verdanken. Er kam dem Timbre seines Vorbilds vor allem in den mittleren und tieferen Lagen erstaunlich nahe.

Das Publikum feierte die Hommage mit großem Applaus. Als Zugabe wäre der „Nutrocker“ nach Tschaikowski, der als Rausschmeißer des ELP-Albums perfekt funktioniert, naheliegend gewesen. Doch entschied man sich fürs ruhigere „I Talk to the Wind“ von Greg Lakes früherer Band King Crimson. Auch sehr schön.

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