Kabarett im Pantheon Lisa Eckhart ist die Hohepriesterin der Todsünden

Bonn · Österreichs scharfzüngigster Kabarettexport denkt über die "Vorteile des Lasters" nach.

 Lisa Eckhart doziert im Pantheon über Lust und Laster.

Lisa Eckhart doziert im Pantheon über Lust und Laster.

Foto: Thomas Kölsch

Ohne Hölle ist das Leben fad. Langweilig. Kurzum, nicht länger lebenswert. Denn ohne die drohende jenseitige Bestrafung kann es auch keine Sünden mehr geben, mit denen man kokettieren kann, keine Verlockungen des Verbotenen mehr, kein verführerisches Laster und keine Lust.

Insbesondere dann, wenn diese zu Tugenden erklärt und hoffähig gemacht werden. Wenn All-You-Can-Eat-Buffets der Völlerei huldigen, Home-Shopping die Trägheit befördert und sogar der heilige Zorn zur Zimperlichkeit verkommt, läuft irgendetwas grundlegend falsch. Zeit, diese Missstände wieder geradezurücken. Zeit für Lisa Eckhart.

Die scharfzüngigste Kabarettistin der westlichen Hemisphäre stilisiert sich in ihrem neuen Programm „Die Vorteile des Lasters“ zur Hohepriesterin der Todsünden und versucht, ihr Publikum wieder auf den rechten Weg zu bringen. Also den, auf dem die kleinen und großen Vergehen wenigstens wieder etwas bedeuten.

Ihre Mission hat die Österreicherin nun auch ins Pantheon geführt. Hier tobt sie sich aus, mit rasiermesserscharfen Sätzen voll von ätzendem Zynismus und unbarmherzigen Wahrheiten. Ein literarischer Hochgenuss. Und eine bitterböse Abrechnung mit der Gesellschaft.

2017 gewann sie in Bonn den Prix Pantheon

Der Bonner Kleinkunsttempel ist für Lisa Eckhart eine wichtige Bühne. Hier hat sie 2017 den Prix Pantheon gewonnen, hier gelang ihr der Durchbruch in Deutschland. Das Selbstbewusstsein, das sie an den Tag legt, besaß sie schon damals, heutzutage ist es ausgeprägter denn je. „Ich bin keine Künstlerin, ich bin Kunst“, sagt sie und verweist damit auf ihre eigene Inszenierung, die sie permanent aufrechterhält, auf und hinter der Bühne. Sie hat sich in dieser Hinsicht schon mit Klaus Kinski verglichen, auch mit Falco. Kleiner geht es für sie nicht.

Andererseits hat sie sich dies auch verdient. Ihre bissigen Verse sind von bemerkenswerter Bildhaftigkeit und fast schon schmerzhaft klar. Kein Tabu, das die Eckhart nicht zu brechen bereit ist, kein Thema, das ihr zu vulgär erscheint. Ganz im Gegenteil. Schockieren ist ihre Passion. Gerade deshalb liebt sie auch Hurengeschichten oder empfiehlt statt pappiger Oblaten beim Abendmahl kurzerhand Mett. Nett sein, das können andere übernehmen.

Irgendwann sagt sie, dass niemand behaupten könne, die Besiedelung des Mars wäre einfacher, als dafür zu sorgen, dass die Menschen nicht die Ozeane der Erde mit Plastik vermüllen – und hält dann inne. Zu humanistisch und zu mehrheitsfähig ist ihr dieser Satz. Da gilt sie doch lieber als böse und exzentrisch, mit mitternachtsschwarzem Humor und einer Zunge, die sie wie ein Florett zu führen versteht. Dabei verbirgt sich selbst hinter den scheinbar plakativsten Aussagen ein scharfer, wacher Geist, dem es zuzuhören gilt.

Besseres satirisches Kabarett kriegt man derzeit auf jeden Fall kaum geboten.

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