Bildband von Henryk M. Broder Immer drauflos

Zu seinem 70. Geburtstag hat Henryk M. Broder eine Autobiografie in Bildern veröffentlicht. Sie spiegelt Broders Welt zwischen Deutschland, den USA, Polen, Island und Israel in originellen, häufig wunderbar albernen Selfies.

 Schöner wohnen: Autor und Selfie-Fotograf Henryk M. Broder zu Gast beim Maharadscha von Rajasthan. FOTOS: HENRYK M. BRODER / KNAUS VERLAG

Schöner wohnen: Autor und Selfie-Fotograf Henryk M. Broder zu Gast beim Maharadscha von Rajasthan. FOTOS: HENRYK M. BRODER / KNAUS VERLAG

Foto: ga

Henryk M. Broder ist ein Ruhestörer. Der Autor und Journalist, der am 20. August 70 geworden ist, gefällt sich als rebellischer Einzelkämpfer. Er polemisiert und poltert gegen politische Korrektheit, gegen die in der Mehrheit rot-grüne Weltsicht der Medien in Deutschland, gegen das System Europa sowie gegen Antisemitismus, Auschwitz-Tourismus, Islamischen Staat und Energiewende.

Broder ist ein virtuoser Stilist und ein die Dinge bis ins Letzte durchdringender Analytiker. Der meint es meistens ernst, auch wenn er gern ins Kostüm des Clowns schlüpft. Klar, vieles davon, was er sagt und schreibt, ist anfechtbar. Manchmal liegt er auch komplett daneben. Das passiert aber nur Autoren, die sich etwas trauen. Zum 70. Geburtstag hat Broder sich selbst und seine Fans beschenkt: mit einer Autobiografie in Bildern aus eigener Pruduktion. Seine Kamera hat der vielgereiste Mann immer dabei.

Der von dem Fotografen und Kameramann Tim Maxeiner gestaltete Band „Schwein gehabt“ spiegelt Broders Welt zwischen Deutschland, den USA, Polen, Island und Israel in originellen, häufig wunderbar albernen Selfies. Weggefährten wie Alphons Silbermann und Hamed Abdel-Samad kommen aufs Bild und, versteht sich, Hund Chico. Broders Hund Wilma, bekannt aus der ARD-Serie „Entweder Broder – Die Deutschland-Safari“, ist 2014 gestorben.

Broder hat Schulkinder in Jerusalem aufgenommen, einen Trabi-Fahrer mit Spoilerfrisur nach der Wende in Berlin sowie diverse Erotikshops und einen „Peep-Tempel“. Nichts Menschliches ist ihm fremd, den Alltag in aller Welt betrachtet er wie ein Bühnenspiel. Den Akteuren und ihren Kulissen begegnet der Fotograf mit großer Neugier, mal amüsiert, mal melancholisch. „Henryk kann die Welt lesen, als wären seine Augen Scanner“, schreibt der Schriftsteller Leon de Winter in einem in „Schwein gehabt“ gedruckten Essay über seinen Freund. „Er liest das Schöne, das Hässliche, das Zärtliche, das Rührende. Kein Wunder also, dass er fotografieren kann.“

Mit dem Können ist das so eine Sache. Broder betrachtet sich nicht als Experte: „Ich fotografiere, wie ich schreibe: immer drauflos.“ Für ihn, stellt Tim Maxeiner fest, sei Fotografieren mehr eine Gewohnheit als ein kreatives Ventil. „Von Belichtungszeit und Blende hat er zwar schon mal was gehört, aber wie er die einstellen soll, weiß er nicht so recht. Die Einstellungen seiner Kamera sind wie das Wetter. Mal so, mal so.“ Das Motiv stehe im Mittelpunkt, nicht das Objektiv.

Der Bildband lebt von Gegensätzen: zwischen dem Kulturpalast in Warschau links und Disneyland rechts. Broder entdeckte hier wie dort eine trostlos anmutende Monumentalität. Eine Szene vor der Klagemauer in Jerusalem findet ihre ironische Entsprechung in einer Synagogenmauer in Los Angeles und einem daran befestigten Transparent: „MEET JEWISH SINGLES TUESDAYS AT 8 PM“. Fromme Israelis am Freitag in Tel Aviv kontrastiert der Bilderarrangeur Tim Maxeiner mit nichtfrommen Israelis – auch an einem Freitag in Tel Aviv. Tiefe Religiosität trifft auf einen lässig-weltlichen Lebensentwurf. Auch Essen spielt eine große Rolle im Buch, und wie Menschen damit umgehen.

Hässlicher Architektur nähert sich Broder mit Sinn für eine ihr potenziell innewohnende Tragikomik. Er lässt sich von Verfall und Verlust nicht runterziehen. Diese Widerständigkeit strahlen auch viele der Menschen aus, die Broder vor der Kamera hatte. Es könnten Seelenverwandte sein.

Henryk M. Broder: Schwein gehabt. Eine Autobiografie in Bildern. Zusammengestellt und gestaltet von Tim Maxeiner. Mit Essays von Elke Schmitter und Leon de Winter. Knaus Verlag, 256 S., 24,99 Euro.

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