Auftakt zu Richard Wagners "Ring"-Zyklus an der Rheinoper Im "Rheingold" wird schon das Feuer gelegt

Düsseldorf · Dietrich W. Hilsdorfs spannende und intensive Inszenierung des Anfangs von Wagners Nibelungen-Saga in Düsseldorf macht neugierig auf die drei Fortsetzungen.

Wer im ersten Teil von Richard Wagners Opernvierteiler „Der Ring des Nibelungen“ die Strippen zieht, ahnt man in Dietrich W. Hilsdorfs Düsseldorfer Neuinszenierung schon, bevor noch der erste Ton des „Rheingold“-Vorspiel anhebt. Da betritt nämlich Loge in edlem bordeauxroten Gehrock die Bühne, öffnet die Hände, aus denen wie bei einem Zauberkünstler Flammen züngeln und beginnt, Heinrich Heines Loreley-Gedicht zu rezitieren: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“, sagt er. Hält inne und wiederholt bedeutungsschwer ein Wort: „Es“. Das Stichwort für das Anheben des mystischen Es-Dur-Wogens des Vorspiels.

Doch der ebenso brillante wie zynische Loge, der von Norbert Ernst großartig gesungen und gespielt wird, gibt nicht nur dem Orchester den Einsatz, sondern führt auch den diebischen Zwerg Alberich zu den Rheintöchtern und lenkt geschickt das Handeln der Götter, bis ihm selbst vor deren Habgier ekelt. Er legt buchstäblich die Lunte, die am Ende der Tetralogie in der „Götterdämmerung“ zum großen Weltenbrand führen wird. Doch bis dahin dauert es noch eine ganze Weile. Erst einmal geht es um Alberich, der nach vergeblichem Werben um die Rheintöchter der Liebe abschwört und sich mit deren Gold aus dem Staub macht, und Wotan, der eben jenes Gold an sich reißen will und wird, um damit die Schulden bei den Riesen zu bezahlen, die für ihn die Götterburg Walhall erbaut haben.

Für Hilsdorf hat die Geschichte durchaus komische Züge, wobei er sie allerdings nicht als göttliche Komödie, sondern als eine zutiefst menschliche erzählt. Wenn etwa Fasolt das Prozedere erläutert, wie der Gegenwert für die ursprünglich von Wotan als Bezahlung versprochene Freia zu ermitteln sei, gibt sie dem Riesen einen zärtlichen Kuss. Sie fühlt sich geschmeichelt, weil er ihren Wert zu schätzen weiß.

Das Geschehen beginnt denn auch nicht „auf dem Grunde des Rheines“, wie Wagner es eigentlich will, sondern in einem von Hilsdorfs Bühnenbildner Dieter Richter entworfenen Salon einer repräsentativen bürgerlichen Villa, davor ein Portal mit bunten Glühbirnen, das zunächst ein bisschen Varieté-Stimmung ins Haus bringt und in vollem Farbenglanz schließlich den Regenbogen assoziieren lässt, über den die Götter in Walhall einziehen werden. Nur die hinter einem großen Fenster flimmernde Videowand konterkariert den Bühnenrealismus.

Kapitalismuskritischer Ansatz

Die von Renate Schmitzer entworfenen Corsagen der leichtlebigen Rheintöchter passen da gut ins Bild. Sie gehören ebenso zur bürgerlichen Welt des 19. Jahrhunderts wie die nach der zeitgenössischen Mode entworfenen Kostüme der Götter. Dass der hinkende Alberich als Ausbeuter und Kohleminenbesitzer und sein Bruder, der Schmied Mime, in ihrem schwarzen Habit als Juden-Karikaturen zu identifizieren sind, ist wohl nicht nur ein Reflex auf Wagners persönlichen Antisemitismus, sondern auch auf den allgemeinen jener Zeit.

Ganz neu ist Hilsdorfs kapitalismuskritischer Ansatz, den er atmosphärisch mit Zola würzt, nicht. Schon George Bernard Shaw begriff das Bergwerk, in dem Alberich die Nibelungen schuften ließ, als zeitgenössische Fabrikhölle. In Hilsdorfs Inszenierung schieben kohlenstaubverschmierte Arbeiter vollbeladene Loren mit Getöse durch die Seitenwand des Salons. Seit Patrice Chéreaus Bayreuther Jahrhundert-Ring in den 1970er Jahren ist die kapitalismuskritische Sicht auch auf der Bühne immer mal wieder zur Diskussion gestellt worden. Das schmälert jedoch Hilsdorfs Leistung nicht im Mindesten. Vor allem die präzise Personenführung lässt Wagners Texte wie ein geschliffenes Konversationsstück erscheinen, das explosive Gewaltausbrüche nicht ausschließt. Den Ring schneidet Wotan Alberich mit einem Schwert vom Finger. Man darf annehmen, dass er die Waffe später einmal in die Weltesche rammen wird.

Und die Sängerdarsteller machen da prächtig mit: Simon Neals gibt einen kraftvollen Wotan, Michael Kraus verleiht Alberich bei allen karikierenden Momenten auch Tiefe, etwa, wenn er den Ring verflucht. Renée Orloc ist eine energische Fricka, Sylvia Hamvasi gefällt als Freia, als Riesen begeistern Bogdan Talos und Thorsten Grümbel. Torben Jürgens (Donner), Ovidiu Purcel (Froh), Susan Mclean (Erda) sowie Anke Krabbe, Maria Kataeva und Ramona Zaharia als Rheintöchter runden das hohen Ansprüchen genügende Düsseldorfer Wagner-Ensemble ab. Im Orchestergraben sorgt der Bayreuth-erfahrene Musikchef Axel Kober am Pult der Düsseldorfer Symphoniker für einen transparenten Wagnerklang und scheut sich nicht, die von Wagner einkomponierten Effekte wirkungsvoll in Szene zu setzen.

Das Publikum jubelte der musikalischen Seite uneingeschränkt zu, für Hilsdorf und sein Team gab es neben großem Beifall auch heftig artikulierte Ablehnung.

Die nächsten Termine: 29.6., 2., 12., 14. und 16.7., Karten und Infos: operamrhein.de.

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