Musical in Bonn Hinreißende Norma Desmond

Bonn · Die Bonner Oper eröffnet ihre Spielzeit mit Andrew Lloyd Webbers Musical „Sunset Boulevard“. Die Produktion punktet musikalisch und mit überraschenden szenischen Lösungen.

 Diven-Dämmerung: Norma Desmond (Pia Douwes) träumt auf dem Filmset von ihrem großen Comeback.

Diven-Dämmerung: Norma Desmond (Pia Douwes) träumt auf dem Filmset von ihrem großen Comeback.

Foto: Beu

Die Schüsse am Anfang sind ein deutliches Signal dafür, dass die Zeichen in Andrew Lloyd Webbers Musical „Sunset Boulevard“ nicht auf Happy End stehen. Tatsächlich muss sich der Zuschauer im Bonner Opernhaus, wo mit der Premiere des Stücks am Donnerstag die Spielzeit eröffnet wurde, schon sehr rasch mit der traurigen Gewissheit abfinden, dass der sympathische Erzähler Joe aus dem Jenseits von der letzten Episode seines viel zu kurzen Lebens berichtet. Und auch sonst ist der Stoff dieses Musicals, das 1993 in London uraufgeführt wurde, ziemlich düster und reichlich bizarr.

Das hat zu tun mit der eigentlichen Hauptfigur, dem einstigen Stummfilmstar Norma Desmond. In deren am Sunset Boulevard gelegener mondäner Villa, die ebenso wie ihre Besitzerin Spuren des Verfalls nicht leugnen kann, findet Joe Zuflucht vor seinen Gläubigern. Zunächst hält die kapriziöse Diva ihn für den einbestellten Bestatter, der sich um ihren gerade verblichenen Schimpansen kümmern soll, als sie aber mitbekommt, dass Joe Drehbuchautor ist, sieht sie ihre Chance für ein großes Comeback gekommen. Er soll mit ihr zusammen das Drehbuch für einen Salome-Film optimieren, das der Regisseur Cecil B. DeMille für sie und natürlich mit ihr in der Hauptrolle drehen soll.

Dass Webbers Musical auf den gleichnamigen Film von Billy Wilder basiert, merkt man schon dem raschen Erzähltempo an, dessen Rhythmus häufig durch filmschnittartige Sequenzen angetrieben wird. Bonn wartet da zwar nicht mit so viel Bühnentechnik auf, wie bei der deutschen Erstaufführung 1995 in Niedernhausen bei Wiesbaden zur Verfügung stand, dafür aber haben Regisseur Gil Mehmert und seine Ausstatterin Heike Meixner eine Fülle hübscher szenischer Einfälle im Köcher, die das kompensieren. Für die Autoverfolgungsjagd reichen zwei Metallstangen mit aufmontierten Scheinwerfern, die sich im wabernden Bühnennebel bewegen – und fertig ist die filmreife Illusion. Auch Normas Nobelkarosse italienischer Provenienz – eine Isotta Fraschini aus den 1920er Jahren – hat einen trickreich inszenierten Auftritt. Sie ist ein zentrales Requisit: In diesem Wagen lässt sich Norma auf das Gelände der Paramount-Studios chauffieren, in der Hoffnung, ihre Salome realisieren zu können. Doch man ist nicht an ihr, sondern nur an ihrer Karosse interessiert, was die tragische Wende auslöst.

Die Niederländerin Pia Douwes verkörpert diese Figur ziemlich perfekt. Wenn sie in ihrer Villa die große Wendeltreppe hinabsteigt, schwingt das Echo des Ruhms vergangener Tage mit. Aber auch die Facetten der völlig gebrochenen Persönlichkeit bringt sie beeindruckend zum Vorschein. Und stimmlich glänzt sie sowieso.

Das tut auch Oliver Arno als Joe Gillis, dessen stimmkräftige Interpretation des Titelsongs ebenso überzeugt wie sein Spiel. Er ist ein Mann zwischen zwei Frauen, auf der einen Seite die glamouröse Norma, auf der anderen Seite die charmante Produktionsassistentin Betty Schaefer, die an seine Autoren-Qualitäten glaubt. Wietske van Tongeren spielt und singt sie ganz hinreißend.

Tom Zahner schleicht als Normas Butler über die Bühne, über seine Vergangenheit als großer Filmregisseur und Ex-Mann der Diva mag niemand sprechen. Ihm bleibt an seinem Lebensende nur, eine Scheinwelt zu inszenieren. Und Thomas Christ strahlt als dessen berühmter Kollege Cecil B. DeMille Selbstbewusstsein, aber auch Mitgefühl aus. Nur die Ensembleszenen mit den Studentinnen und Studenten der Folkwang Universität der Künste Essen könnten mit ein bisschen mehr Schwung und Dynamik choreografiert sein. Immerhin können sie in einigen Szenen mit ihrem Spielwitz punkten.

Dass man sich in Bonn, wie zuvor schon in Dortmund, wo die Produktion bereits zu sehen war, für die große sinfonische Fassung entschied, ist ein echtes Plus. zumal Bonns neuer Opernkapellmeister Daniel Johannes Mayr und das Beethoven Orchester sie im Graben mitreißend spielen. Das Publikum bedankte sich bei allen mit großem Applaus und Standing Ovations.

Termine: 1. , 7., 11. Oktober, 4., 18. und 30. November, 9., 15., 31. Dezember 2017, 5. und 27. Januar 2018. Am 1. Oktober und am 31. Dezember (19.30 Uhr) gastiert Helen Schneider als Norma. Karten bei Bonnticket.

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