Lesen, chillen, reden Haus der Geschichte eröffnet eine moderne Lounge

Bonn · Das Haus der Geschichte hat sein Informationszentrum zu einer modernen „Lounge“ umgebaut. Tausend Zeitzeugen-Interviews sind verfügbar.

Vor 25 Jahren – genauer: am 14. Juni 1994 – wurde das Haus der Geschichte von Bundeskanzler Helmut Kohl eröffnet. Etwa aus der Zeit stammte auch das ehemalige Informationszentrum, die Bibliothek und Mediathek. Während nahezu alle Ecken des Hauses der Geschichte seitdem mitunter schon mehrfach erneuert wurden, hielt sich hier der hehre, sehr nüchterne und funktionale Geist der 1990er. Das ist seit Freitag vorbei: Mit neuen Funktionen, neuem Mobiliar, deutlich verändertem Angebot, einem offenen, heterogenen Ambiente und einem für die Begriffe des Hauses sehr gewagten Farb- und Dekokonzept katapultiert sich das Informationszentrum ins 21. Jahrhundert und nennt sich nun „Lounge“. „Wir haben lange überlegt, wie wir es nennen, wir versuchen es mit Lounge“, sagte Hans Walter Hütter, Präsident der Stiftung Haus der Geschichte, bei der Vorstellung des in drei Monaten völlig umgebauten Raums.

Fragt man den niederländischen Bibliotheksgestalter Aat Vos aus Groningen nach seinem Konzept für Bonn, so sagt er, im Vordergrund stehe „nutzen und chillen“, und: „Es ist gut zu sein, wie man ist. Sprich: Jeder solle sich hier wohlfühlen, insbesondere das junge Publikum soll hier die Chance haben, in der Ausstellung Gesehenes zu vertiefen, zu diskutieren, oder auch nur nachwirken zu lassen. Kleine Sitzgruppen laden zum Verweilen ein. In die runden „Kokons“ kann man sich sogar hineinlegen und dort schmökern oder Musik hören. Es gibt gemütliche Sofas und Sessel, kuschelige Sitzecken. Der Materialmix aus Hölzern, verschiedenfarbigen Oberflächen und etwa auch einem extra stellenweise ausgeblichenen Teppich mit Retro-Dekor ist raffiniert. Beleuchtung und der offene Blick nach außen schaffen eine schöne Wohnzimmeratmosphäre. Der Innenarchitekt Andreas Franke hat das Konzept von Vos umgesetzt – akkurat im Zeit- und Kostenrahmen, wie Hütter betonte.

Kugelförmige „Sonic-Chairs“

Der Clou des Umbaus sind die kugelförmigen „Sonic-Chairs“, in die man sich hineinsetzen kann, um von dort aus mit dem Tablet das Zeitzeugenportal aufzurufen. Der Ton kommt aus der Rundung des Sessels. Rund Tausend Interviews mit Persönlichkeiten von Wolf Biermann bis Heidemarie Wieczorek-Zeul, aufgeteilt in 8000 Clips, kann man abhören. Auf der sogenannten Zeitzeugenachse, die sich quer durch den Raum zieht, stehen auch Bücher zum Thema bereit.

Per Tablet kann der Besucher auch eine von 60 000 Zeitschriften aufrufen. Der Präsenz-Buchbestand wurde halbiert, jeder der insgesamt 10 000 Titel kann aber binnen einer Viertelstunde aus dem Depot beschafft werden. Bücher gibt es zu jeder erdenklichen Thematik. Neu ist auch eine kreisrunde Bühne im hinteren Drittel des Raumes – ein Ort für Lesungen, Diskussionen und Zeitzeugengespräche.

Das Angebot zielt dezidiert auch auf ein junges Publikum. „Dieses Haus zeigt, dass sich junge Leute für Geschichte interessieren“, sagt Günter Winands, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung, man müsse sie nur überzeugen und dabei die digitale Welt und neue Formen der Museumspädagogik nutzen. Hütter ist überzeugt, dass die „Aufenthaltsqualität“ durch die Lounge einen Schub erhält: „Das ist ein moderner Wohlfühlort, ein Wissens- und Kommunikationszentrum“, jubelt der Präsident.

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