Bonner Gastspiele Geigerin mit Botschaft

Bonn · Midori spielt in Bonn Tschaikowskis Violinkonzert und spricht am Sonntagmorgen mit Generalmusikdirektor Dirk Kaftan über ihr Engagement für die UN.

 Die japanische Geigerin Midori.

Die japanische Geigerin Midori.

Foto: Timothy Greenfield-Sanders

Die japanische Geigerin Midori ist begehrt in aller Welt. Das erfährt sehr unmittelbar, wer sie telefonisch erreichen möchte. Der erste Versuch führt den Interviewer in die südkoreanische Hauptstadt Seoul, scheitert aber an technischen Problemen der Hoteltelefonanlage, der zweite ebenso erfolglose nach Los Angeles, Kalifornien, wo sie derzeit noch lebt. Dort stand eine Terminkollision der Verbindung im Wege. Beim dritten und schließlich erfolgreichen Versuch landet der Anrufer in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden, wo die Geigerin nur kurze Zeit später Station macht. Bis Bonn, wo sie am Freitag und am Sonntag als Gastsolistin des Beethoven Orchesters erwartet wird, wäre es von da nicht mehr weit.

Ihre Stimme klingt am frühen Morgen entspannt. Um diese Zeit spielt die Geigerin, die 1971 in Osaka das Licht der Welt erblickte, gerne Bach. „Es ist ein guter Weg, meine Finger geschmeidig zu machen“, sagt sie. Natürlich schätzt sie Bachs Musik nicht nur als Aufwärmübung. Er zählt zu ihren favorisierten Komponisten. Vor einiger Zeit hat sie die Partiten und Sonaten für Violine solo in Köthen aufgenommen, wo Bach an den Stücken gearbeitet und sie auch selbst aufgeführt hat. Bei Midori, das kann man auf der gerade bei Accentus Music erschienenen DVD-Edition hören, beginnt diese Musik hell zu leuchten.

In Bonn steht aber ein ganz anderes Programm auf dem Plan: Peter Iljitsch Tschaikowskis Violinkonzert in D-Dur. „Es ist eines der populärsten Konzerte überhaupt“, sagt sie. „Ich habe es schon sehr häufig gespielt und liebe es sehr – auch wenn es in der ersten Zeit nicht unbedingt positiv aufgenommen wurde.“ Noch immer fasziniert sie an diesem Werk die Fülle der Herausforderungen. „Die Musik ist sehr schön, sehr aufregend und technisch wie musikalisch überaus anspruchsvoll.“ Sie spielt das Werk einmal im Rahmen des nächsten Freitagskonzerts des Beethoven Orchesters, das erstmals in der Oper stattfindet, und danach ein weiteres Mal am Sonntag um 11 Uhr bei der Premiere der neuen Reihe „Im Spiegel“: Das Konzept der Reihe sieht vor, dass die Musik aus dem Freitagskonzert mit einem eingeschobenen Gesprächsanteil zu einem neunzigminütigen Programm neu geschnürt wird. Mit Bonns Generalmusikdirektor Dirk Kaftan, der auch aus dem Englischen übersetzen wird, spricht sie aber nicht nur über Tschaikowski und Co., sondern vor allem auch über ihre Rolle als UN-Botschafterin des Friedens. 2007 hatte der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sie zusammen mit dem Dirigenten und Pianisten Daniel Barenboim und dem Schriftsteller Paulo Coelho in die Reihe prominenter Persönlichkeiten berufen.

"Niemand sollte davon ausgeschlossen werden, Musik zu erleben"

Man spürt selbst am Telefonhörer, dass sie für die Aufgabe brennt, wenn sie über die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN spricht. Ihre Aufgabe sieht sie darin, für deren Umsetzung zu werben. Nicht unbedingt direkt bei den politisch Verantwortlichen, sondern indem sie hilft, sie in die Gesellschaft hineinzutragen. „Ich versuche das über meine eigenen Organisationen“, sagt die Geigerin. Die engagierte Musikerin hat in den vergangenen Jahrzehnten gleich mehrere Non-Profit Organisationen ins Leben gerufen. In diesem Jahr feiern zwei davon ihren 25. Geburtstag: „Midori & Friends“, eine Organisation, die Musikunterricht auf höchstem Niveau in New Yorker Schulen bringt, und die Organisation „Music Sharing“, die schwerpunktmäßig in Japan aktiv ist, deren Ableger, das International Community Engagement Program (ICEP), darüber hinaus den interkulturellen Austausch fördert. Die darin aktiven jungen Musiker kommen aus aller Welt und spielen für Menschen in vielen, meist ärmeren Ländern, wo es nur begrenzt Zugang zu klassischer Musik gibt. Sie waren schon in Myanmar zu hören, in Bangladesh und Vietnam. „Niemand sollte davon ausgeschlossen werden, Musik zu erleben“, findet sie. Ganz gleich, ob die Gründe finanzieller oder gesundheitlicher Natur sind, ob es mit der Bildung zusammenhängt, oder die Menschen einfach nur zufällig in einer Region leben, wo es keine entsprechenden Angebote gibt.

Dass sie in diesen Tagen als UN-Botschafterin für den Frieden in der UN-Stadt Bonn für ihre Sache werben kann, wo gerade die Weltklimakonferenz stattfindet, empfindet sie als einen durchaus glücklichen Zufall.

Midori, die als Elfjährige mit ihrer Familie nach New York zog, um an der New Yorker Juilliard School bei der großen Dorothy DeLay zu studieren, unterrichtet auch selbst mit Begeisterung. Derzeit noch in Los Angeles, im nächsten Jahr wechselt sie dann an das renommierte Curtis Institute nach Philadelphia. „Viele Leute denken, ich hätte ja schon einen Fulltime-Job und würde damit noch einen zweiten ausfüllen. Für mich ist das alles zusammengenommen aber meine Arbeit. Ich trenne das nicht. Ich genieße die Interaktion mit den Schülern und die Inspiration, die ich durch sie erhalte.“

Midori spielt am Freitag, 20 Uhr, und am Sonntag, 11 Uhr, in der Bonner Oper Tschaikowskis Violinkonzert. Außerdem erklingt in den Konzerten Musik von Alfred Schnittke (nur am Freitag) und Dmitri Schostakowitsch. Es spielt das Beethoven Orchester unter Leitung von Dirk Kaftan. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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