25 Jahre Quatsch Comedy Club Forever lustig

BONN · Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Sagt Karl Marx. Es existieren noch weitere kluge Sätze von Marx, allerdings nicht ausschließlich von Karl.

 Quatsch Comedy Club Berlin: Im Souterrain des Friedrichstadt-Palastes finden jährlich 250 Shows statt

Quatsch Comedy Club Berlin: Im Souterrain des Friedrichstadt-Palastes finden jährlich 250 Shows statt

Foto: Sebastian_Reuter

„Ich habe eiserne Prinzipien“, hat der amerikanische Komiker Groucho Marx (1890-1977) einst gestanden, „und wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere.“ Groucho Marx war dieser respektlose Spaßvogel, der in den dreißiger und vierziger Jahren mit seinen Brüdern den amerikanischen Humor um eine anarchische Variante bereichert hat. Die Filme der Marx Brothers, etwa „Duck Soap“ oder „A Night At The Opera“, zeugen vom unbedingten Willen, die Gesetze des Alltags irgendwie auf den Kopf zu stellen.

Und so bediente Groucho Marx nur seinen Ruf, als er seinen wohl nachhaltigsten Spruch ins Mikrofon eines naseweisen Reporter fabulierte: „Ich sammle die dünnsten Bücher der Welt“, hob der Komiker an. „Drei habe ich schon: ‚Italienische Heldensagen‘, ‚Die Geheimnisse der englischen Küche‘ und ‚1000 Jahre deutscher Humor‘.“ Dazu sollte man wissen: Die Marx Brothers hatten einen deutschen Migrationshintergrund, Mutter Minnie stammte aus Ostfriesland.

Das Marx-Zitat über den deutschen Humor findet sich in diesen Tagen in den Festschriften einer komödiantischen Institution: Der Quatsch Comedy Club wird 25 Jahre alt. Am 31. Januar 1992 präsentierte der Erfinder und Moderator Thomas Hermanns, damals 28 Jahre alt, zum ersten Mal in der Kantine des Deutschen Schauspielhauses Hamburg ein paar junge Komiker, die jeweils zehn Minuten ihre Talente andeuten durften. Es war kein Kabarett, sondern Stand-up-Comedy der angloamerikanischen Art. Wer gut war, kam wieder und machte auch anderswo Karriere. Wigald Boning zählte zu den Künstlern der ersten Stunde. Und bei der zweiten Show im Februar 1992 gebar Olli Dittrich auf der Club-Bühne seine Kunstfigur Dittsche.

Zum Jubiläum, das unter dem Motto „Forever lustig“ ein ganzes Jahr lang gefeiert wird, erinnert Thomas Hermanns ganz bewusst an die Marx Brothers. Das Zitat hat ihn gewurmt, er hat sich daran abgearbeitet. Hermann wollte Groucho Marx widerlegen, indem er, frei nach Karl Marx, neue Realitäten schafft und damit Bewusstsein verändert.

„Wir haben eine Lücke geschlossen, die es in Deutschland gab, ohne dass man sich dessen bewusst war“, sagt Hermanns im Gespräch mit dem General-Anzeiger. „Die Deutschen waren auf einmal bereit, nicht nur über Politiker zu lachen, sondern auch über sich selber.“ Der Komiker ist nicht mehr politischer Kabarettist, sondern ein Comedian, der den Alltag beschreibt, möglichst ohne Bewertung. „Plötzlich wurden auf der Bühne auch die normalen Problem bearbeitet – Einkaufen bei Ikea, Busfahren, Schlafzimmer“, sagt Hermanns.

Das kam an bei den Deutschen. Der Quatsch Comedy Club fand schnell ein besseres Quartier auf der Reeperbahn, 1993 ging der TV-Kanal Premiere mit dem Format auf Sendung, ab 1995 strahlte Pro.Sieben die Show aus. Künstler wie Rüdiger Hoffmann, Michael Mittermeier, Ingo Appelt, Dieter Nuhr, Atze Schröder und Gayle Tufts sorgten für gute Quoten und ein volles Haus.

2002 folgte Hermanns dem Ruf der Hauptstadt und bezog mit seinem Erfolgsmodell ein zweistöckiges Revuetheater im Souterrain des Friedrichstadt-Palastes. In Berlin hat sich der Club mit den Jahren zu einer Art Spaß-Konzern entwickelt. Im Fernsehen ist das Format derzeit zwar nicht mehr präsent, doch Hermanns deutet an, dass da „etwas in der Pipeline“ sei. Das Modell funktioniert auch ohne. Der „Quatsch-Club“ (Hermanns) produziert jährlich 250 Shows im eigenen Haus.

Herzstück ist „Die Show“, bei der ein Moderator vier Comedians präsentiert. In dieser Woche etwa moderiert der Koblenzer Roberto Capitoni fünf Shows, Gäste sind Andreas Weber, Sebastian Nitsch, Ahmet Iscitürk und Fred Timm. In der Reihe „Strictly Stand Up” treten internationale Comedians wie Fredrik Andersson (Schweden) und Daniel Stern (USA) auf. „One Night Stand“ ist eine Mitternachtsshow, in der „Quatsch Talentschmiede“ spielt das Publikum Jury. Und bei den „Solo-Shows“ treten Stars wie Ingo Appelt auf.

Das Geschäftsmodell hat gleich mehrere Module. Hermanns vermietet sein Theater mit oder ohne Show und seine Shows mit oder ohne Theater. „Wir arbeiten mit rund 500 Comedians permanent zusammen“, sagt er.

Der Club unterhält zudem einige Satelliten. Neben Hamburg und Stuttgart organisiert seit fünf Jahren auch das Capitol Theater Düsseldorf einen „Quatsch Club“ mit zwei Shows im Monat. Hermanns hatte dort 2011 das Musical „Kein Pardon“ inszeniert und sich sofort für den Saal mit seinen 450 Plätzen erwärmt. Theaterleiter Henning Pillekamp (37) sieht darin eine kongeniale Ergänzung zum Musical-Programm im großen Haus (1250 Plätze). „Wir sind total happy, die Auslastung ist konstant gut“, sagt er. Die Februar-Termine sind längst ausverkauft.

Selbst in Hongkong hat Thomas Hermanns einen Ableger implantiert. „Die Programme sind deutsch, wir haben also deutschen Humor nach China gebracht“, frohlockt er und denkt klammheimlich an das Marx-Zitat. Und wer besucht die Shows? „In Hongkong leben rund 2500 Deutsche dauerhaft, die wollen auch Unterhaltung haben.“

Die Zusammenarbeit mit den Außenstellen funktioniert nach dem Franchise-Prinzip. Die Berliner Zentrale stellt die Künstler und wacht über die Corporate Identity, die Reinheit des Formats sozusagen. „Ich war immer der Meinung, dass jede Großstadt einen Quatsch-Club vertragen kann“, sagt Hermanns und schiebt lässig nach: „Wenn Bonn uns braucht – wir kommen!“

Apropos Bonn. Den neuen großen Sohn der Stadt hatte Hermanns schon früh unter seinen Fittichen: „Vor fünf Jahren spielte Luke Mockridge in unserer Weihnachtsshow mit, er hatte seine Mütze auf, war nervös, ein junges Reh noch, da saßen 800 Leute, und er hat zum ersten Mal einen solchen Saal gerockt“, erinnert sich der Mentor. „Luke kam danach hinter die Bühne und hatte diesen Blick, der besagte: Ich kann auch große Bühne.“

Und Thomas Hermann kann auch andere Bühnen. Er moderiert neuerdings im WDR-Fernsehen die Kultursendung „Westart“. Das kommt seinem Kulturverständnis entgegen. „Ich habe immer dafür gekämpft, dass diese deutsche Trennung in E und U aufgehoben wird“, sagt er. „Das ist in der Gesellschaft angekommen, jetzt ernte ich die Früchte.“ Auch das Marx-Zitat ist obsolet: „Ja, das Buch über den deutschen Humor ist jetzt dick.“

Hermanns könnte die Chance nutzen und sich an einem anderen Zitat abarbeiten. „Fernsehen bildet“, hat Groucho einst gelästert, „immer, wenn der Fernseher an ist, gehe ich in ein anderes Zimmer – und lese“.

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