Geburtstag Ein Schuss zerstörte das Glück

New York · Yoko Ono, Avantgardekünstlerin und Witwe von John Lennon, wird an diesem Sonntag 85 Jahre alt.

 Fünf Millionen Menschen folgen ihr auf Twitter: Yoko Ono.

Fünf Millionen Menschen folgen ihr auf Twitter: Yoko Ono.

Foto: dpa

Zu den Legenden, die sich um diese zerbrechlich wirkende, oft rabenschwarz gekleidete und selten ohne breite Hutkrempe und Sonnenbrille vor die Tür gehende Frau ranken, gehören Fake News, an der andere vielleicht längst zerbrochen wären.

So soll es Yoko Ono gewesen sein, die den Beatles hexenhaft ihren Star entfremdete und damit das Auseinanderbrechen der Jahrhundert-Band auslöste. Seit John Lennon am 8. Dezember 1980 vor dem Dakota Building am New Yorker Central Park erschossen wurde, ist seine Witwe für viele darum zum universellen Hass-Objekt geworden. „Du hast mir nichts als Pech gebracht / Hast mich nur belogen / Du hast mich lächerlich gemacht / mein Konto überzogen / Du nervst noch mehr als Yoko Ono“, diagnostiziert in einem Schmählied die Berliner Band Die Ärzte. Dabei hatten Paul McCartney und andere sie früh verteidigt und das Kriseln innerhalb der Band auf einen Zeitpunkt datiert, der weit vor der ersten Begegnung lag. An diesem Sonntag wird Yoko Ono 85 Jahre alt.

Geboren wurde sie im Jahr von Hitlers Machtergreifung als Tochter eines reichen Bankers in Tokio. Sie studierte bereits im Mädchenalter Komposition und Klavier, war in den 50er-Jahren Japans einzige Philosophiestudentin. Dann rief New York. Die Metropole am Hudson River wurde Onos Petrischale. Hier gedeihten ihre von Begegnungen mit den Avantgarde-Meistern John Cage und Marcel Duchamp begleiteten Ausflüge in die Welt der Performance-Kunst. „Rauch-Leinwand“ hieß eines ihrer ersten Bilder. Es lud den Betrachter zum Zündeln ein. Berühmt sollten auch ihre „Instruction Pieces“ werden. Kunstwerke, die sich wie eine Bedienungsanleitung an den Betrachter wenden: „Zünde ein Streichholz an und schau zu bis es ausgeht“. In ihrem „Cut Piece“ setzte sie sich 1965 still auf eine Bühne und ließ sich Schritt für Schritt vom Publikum Kleidung, Haare und Fingernägel, abschneiden. Bis sie am Ende nackt war.

Musikalisch experimentierte Yoko Ono früh mit disharmonischen Sounds und Schnatter-Gesängen, die in der Popmusik der 70er Jahre fremd klangen. Patti Smith, Kim Gordon und Lady Gaga nahmen sich die Radikalität der früh für Weltfrieden, Gleichberechtigung und Feminismus eingetretenen Künstlerin zum Vorbild, die spätestens ab 1966 ungeheuren Neid und Missgunst auf sich zog.

Damals traf sie bei einer Vernissage in einer Londoner Gallerie John Lennon. Von ihr lernte er die nie versiegende Kraft der Fantasie. Schon 1968 erschien das erste gemeinsame Album: „Two Virgins“. Für Lennon verließ sie ihren ersten Ehemann Anthony Cox. Der Jazz-Musiker rächte sich und entführte Tochter Kyoko, die Ono erst im Erwachsenenalter wiedersah. 1969 dann die Heirat auf Gibraltar. Statt konventioneller Flitterwochen-Romantik legte sich das Paar in ein Amsterdamer Hotelbett und ließ die ganze Welt dabei zuschauen, wie es ist, wenn man aufs Laken zieht und nicht in den Krieg. „Make love, not war!“ wurde ihr Lebensmotto.

1975 wurde ihr Sohn Sean geboren. Fünf Jahr später zerstörte der Todesschütze Mark Chapman mit seinen Schüssen das junge Familienglück. Unmittelbar danach erschien das legendäre Titelbild von Annie Leibovitz im „Rolling Stone“, auf dem sich der nackte John Lennon in Embryohaltung an seine Yoko schmiegt. Die hasserfüllten Anfeindungen, die danach kommen sollten, verglich Ono später mit dem Schlucken „bitterer Pillen“. Anders als überzuckerte Komplimente machten sie sie am Ende stark.

Wer Yoko Ono nachspüren will, ihren vielen Aktivitäten, wird auf der Internetseite www.imaginepeace.com fündig. Was beeindruckt: Auch im hohen Alter ist die Künstlerin, der auf Twitter fünf Millionen Menschen folgen, rund um die Welt aktiv. Allein der Kalender mit Ausstellungen und Performances der nächsten Monate reicht von Toronto bis zu den Lofoten und von New Orleans bis ins spanische Cordoba. Zwischendurch bleibt noch Zeit, um für die dänische Post Briefmarken zu gestalten. Die beiden Prototypen tragen zwei Botschaften, die Yoko Ono seit Ewigkeiten begleiten. „Traum“ und „Lächeln“.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort