Sonaten-Zyklus im Beethoven-Haus Die Hälfte ist geschafft

Bonn · Trauermarsch und Mondscheinsonate: Der Pianist Hinrich Alpers hat bei seiner Aufführung der 32 Klaviersonaten Ludwig van Beethovens die mittlere Schaffensphase des Komponisten erreicht

 Halbzeit im Beethoven-Haus: Pianist Hinrich Alpers.

Halbzeit im Beethoven-Haus: Pianist Hinrich Alpers.

Foto: RITA TAYLOR

Beim Trauermarsch der „Eroica“ befinde man sich mitten im Geschehen, meint der Pianist Hinrich Alpers, während das früher komponierte Gegenstück aus der Klaviersonate in As-Dur op. 26 eher den Eindruck vermittle, man beobachte die Szene von außen. Klar, dass sich die Wahrnehmung des Stückes, wie Alpers sie in der Einführung zum vierten Abend seiner zyklischen Aufführung sämtlicher Beethoven-Sonaten im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses beschrieb, auch Einfluss auf seine Interpretation hat. An diesem Abend zog der Trauermarsch relativ zügig an den Ohren des Publikum vorüber, mit viel Seele, aber das Pathos fein abgemildert. Der Held, dem hier laut Beethovens Satzüberschrift die letzte Ehre erwiesen wird, erhält in Alpers' Deutung anders als jener der „Eroica“ noch kein Staatsbegräbnis erster Klasse.

Mit dieser Sonate, die in Beethovens Klavierschaffen den Beginn der mittleren „heroischen“ Phase markiert, bricht der Komponist die klassische Sonatensatzform auf, entdeckt musikalisches Neuland, was Alpers auch mit seinem Abendmotto „Neue Formen“ unterstrich. Denn auch in den unmittelbar im Werkkatalog des Komponisten folgenden Sonaten op. 27 Nr. 1 und 2, die beide als „Quasi una fantasia“ firmieren, hält der Komponist sich nicht mehr an die durch Haydn und Mozart vorgeprägten Konventionen.

Alpers ist aber keiner, der die Originalität Beethovens durch eigene originelle Deutungen spiegeln will. Er sucht das Innere der Musik, geht sie mit Gespür für die große Form an, die er immer gegenwärtig hat, wenn er sich der Gestaltung der einzelnen Bauteile annimmt. Das ist in der Sonate op. 27 Nr. 1 in Es-Dur nicht anders als in dem ungleich berühmteren Schwesterwerk in cis-Moll, der „Mondscheinsonate“. Der erste Satz, der eigentlich eher an einen Trauermarsch erinnert als an eine nächtliche Bootspartie im Mondenschein, spielte Alpers mit großer Expressivität und feinnervigem Pedal. Das Allegretto mit delikater Leichtigkeit und das Presto agitato des Finales mit gewaltigem, virtuosem Furor.

In op. 28, der Pastoral-Sonate, scheint Beethoven sich wieder zu besinnen. Sie wirkt nach den formalen Experimenten klassisch und in sich ruhend, was in Hinrich Alpers' poetischer Tongebung und variantenreicher Artikulation sehr schön zu hören war. Da passte auch die Nummer sechs aus den Bagatellen op. 33 als Zugabe ganz wunderbar, die er geradezu tiefenentspannt zu Gehör brachte. Die Hälfte der Strecke hat Hinrich Alpers hinter sich. Doch wie jeder Langstreckenläufer weiß, wird die zweite Hälfte die anstrengendere.

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