Buchtipp: Bildband über Blossfeldt Der Zauber des Zwerglauchs

Bonn · Pflanzen-Klassiker des Fotografen Karl Blossfeldt durch die Brille des Botanikers gesehen. Ein Bildband stellt 70 Meisterwerke aus der Sammlung von Ann und Jürgen Wilde vor.

 Karl Blossfeldt: Blütenstand des Wahren Bärenklaus (Acanthus mollis).

Karl Blossfeldt: Blütenstand des Wahren Bärenklaus (Acanthus mollis).

Foto: Wilde

Das ist ein exquisites Buch für Fotokenner und Gartenfreaks gleichermaßen. Des Botanikers Herz wird höher schlagen, wenn er dieses Kompendium der 70 schönsten Pflanzenporträts von der Hottentotten-Pflanze bis zum Zwerglauch und Mannstreu-Blatt vor Augen hat und dazu die Erläuterungen des Pflanzenkundlers Hansjörg Küster, Professor an der Leibniz-Universität Hannover. Und der Kunstfreund wird die in exquisiter Qualität abgedruckten Bilder von Karl Blossfeldt (1865-1932) schätzen: Es ist ein einzigartiges Kompendium, für das der Buchtitel „Meisterwerke“ nicht zu hoch gegriffen ist.

Blossfeldt ist mit seiner akribischen Studie der umwerfenden Ästhetik der Natur auf die Spur gekommen, zeigt die feine Zeichnung auf Blättern und Blüten, die expressiven Silhouetten und eigenwillig gewachsenen Gestalten, das raffinierte Ornament von Weinranken, Ästen und Stängeln, die skulpturale Präsenz.

Mit zwei Büchern schob sich Blossfeldt in die erste Liga der Fotografie: 1928 erschien „Urformen der Kunst“, im Todesjahr 1932 „Wundergarten der Natur“. Über sein fotografiertes Herbarium schrieb er einmal: „Meine Pflanzenurkunden sollen dazu beitragen, die Verbindung mit der Natur wieder herzustellen. Sie sollten den Sinn für die Natur wieder wecken, auf den überreichen Formenschatz in der Natur hinweisen und zu eigener Beobachtung unserer heimischen Pflanzenwelt anregen.“

Blossfeldts Negative blieben nach seinem Tod in der Familie, wanderten über mehrere Stationen und wurden 1974 vom Sammlerpaar Ann und Jürgen Wilde erworben, das das Karl-Blossfeldt-Archiv ins Leben rief und das Werk durch eine Vielzahl von Publikationen in der Erinnerung hielt. Seit 2010 ist das Archiv als Teil der Stiftung Ann und Jürgen Wilde an die Pinakothek der Moderne in München angegliedert.

Fotomuseum war für Bonn geplant

Ein schmerzhaftes Kapitel für Bonn, hatten die Wildes doch sehr enge Kontakte zum Kunstmuseum Bonn, das 1994 Blossfeldts Werk aus der Sammlung Wilde zeigte, und in der Folge weitere Aspekte der Sammlung von Renger-Patzsch bis Hockney, Klauke und Wegman. Das „NRW-Forschungszentrum Fotografie“ der Wildes sollte in Bonn angesiedelt werden, sogar ein eigenes Museum im Windeck-Bunker wurde diskutiert. München hatte letztlich wohl doch die besseren Argumente. „Es ist das Beste, was uns passieren konnte“, sagten die Wildes im Januar 2009 dieser Zeitung. Aus ihrem 6000 Blossfeldt-Aufnahmen großen Fundus – die Fotos dienten einst unter anderem als Lehrmaterial in der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Berlin – haben Ann und Jürgen Wilde 70 Meisterwerke für das bei Schimer/Mosel erschienene Buch im Großformat ausgesucht.

Walter Benjamin, der große Kunstdeuter, schrieb recht poetisch über Blossfeldts Fotos, die vermochten „Bildwelten, welche im Kleinsten wohnen, deutbar und verborgen genug, um in Wachträumen Unterschlupf gefunden zu haben“, ersichtlich zu machen. Da ähnele der Schachtelhalm einer alten Säulenform und der Straußfarn einem Bischofsstab.

Während sich Benjamin assoziativ annähert, spricht aus Küster, der auch das Vorwort beisteuerte, die Stimme des Botanikers, dessen präzise Erläuterungen unbedingt lesenswert sind.

Hansjörg Küster: Karl Blossfeldt. Meisterwerke. Hrsg. von Ann und Jürgen Wilde. Schirmer/Mosel, 160 S., 49,80 Euro

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