Ausstellung in Bonn Der Fall Gurlitt wird neu aufgerollt

Bonn · Die Bundeskunsthalle zeigt im Herbst in Bonn eine Dokumentation über den Schwabinger Kunstfund und den Kunstraub der Nazis.

Der Fall Gurlitt beschäftigte schon das Theater: Boris Aljinovic (links), Anika Meuer und Udo Samel 2015 im Renaissance Theater Berlin im Stück „Entartete Kunst – Der Fall Cornelius Gurlitt“ von Ronald Harwood.

Der Fall Gurlitt beschäftigte schon das Theater: Boris Aljinovic (links), Anika Meuer und Udo Samel 2015 im Renaissance Theater Berlin im Stück „Entartete Kunst – Der Fall Cornelius Gurlitt“ von Ronald Harwood.

Foto: picture alliance / dpa

Man habe einen Zeitslot für Ende 2017 im Ausstellungsprogramm freigehalten, sagte Bundeskunsthallenintendant Rein Wolfs halb amüsiert, als er im Herbst 2016 auf die Schau zum Fall Gurlitt während der Jahrespressekonferenz angesprochen wurde. Hohe Wellen hatten zuvor die Pläne von Monika Grütters, der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, geschlagen.

Sie hatte Wolfs und sein Team beauftragt, den beispiellosen Fall des umstrittenen, in der NS-Zeit aktiven Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt und dessen Sohnes Cornelius, der die Schätze in Schwabing hortete, zu dokumentieren. Das Thema Umgang mit NS-Raubkunst ist selbst 70 Jahre nach Kriegsende noch ein heißes Eisen. Und Wolfs war nicht zu beneiden, dass er diesen politisch brisanten Auftrag erhielt.

Fast noch höhere Wellen schlug dann die plötzliche Absage der Schau – die Bundeskunsthalle musste umdisponieren, nahm „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ spontan ins Programm. „Es war keine Absage, sondern eine Verschiebung“, korrigierte Wolfs gestern gegenüber dieser Zeitung – kurz vor dem Flug nach Stockholm. Die Rechtelage am Gurlitt-Erbe sei zunächst ungeklärt gewesen – wie berichtet hatten Nachfahren gegen den letzten Willen des Verstorbenen Cornelius Gurlitt geklagt. Der hatte seine Schätze dem Kunstmuseum Bern vermacht. Im November 2016 sei der Rechtsstreit dann zugunsten Berns abgeschlossen worden, erzählt Wolfs. „Damit war der Weg frei für die Ausstellung.“ Und dann kam der neue Auftrag an sein Haus.

So soll die Bundeskunsthalle vom 3. November an die Ausstellung „Bestandsaufnahme Gurlitt. Der NS-Kunstraub und die Folgen“ zeigen, während das Kunstmuseum Bern zeitgleich „Bestandsaufnahme Gurlitt. 'Entartete Kunst' – Beschlagnahmt und verkauft“ präsentiert. Bern werde, so Wolfs, die Werke aus dem Nachlass zeigen, deren Herkunft und Geschichte zweifelsfrei geklärt seien. Ferner werden Werke zu sehen sein, die die Nazis als „Entartete Kunst“ diffamierten, sowie Arbeiten aus dem Kreis der Familie Gurlitt.

In Bonn werde man unter anderem die Problembilder sehen. „Wir werden unsere Aufmerksamkeit auf die Verdachtsfälle richten“, sagte Wolfs. Das Konzept der Schau beinhalte eine Dokumentation über NS-Raubkunst sowie den aktuellen Stand der Provenienzforschung, die sich der Herkunft der Bilder annimmt, die zum Teil möglicherweise jüdischen Vorbesitzern abgepresst worden waren. „Wir wollen uns intensiv mit den Opfern auseinandersetzen“, verspricht Wolfs, der die Schau auch als Chance sieht, einen breiten Diskurs über das Thema zu eröffnen.

Raubzüge der Nazis werden dokumentiert

Dazu gehöre auch eine Präsentation über den „zeithistorischen Raum“ (Wolfs), in dem die Schicksale der verfolgten, meist jüdischen Kunstsammler und Kunsthändler den Täterbiografien gegenübergestellt werden. Nicht nur der Kunstraub der Nationalsozialisten in Deutschland soll in der Bonner Schau dokumentiert werden, sondern auch die Raubzüge in den von den Nazis besetzten Gebieten.

Die Bundeskunsthalle kündigt eine gemeinsame Publikation der Institutionen in Bern und Bonn an. Die Ausstellung im Kunstmuseum Bern werde von Nina Zimmer, Matthias Frehner und Georg Kreis erarbeitet, für die Bonner Schau zeichnen der Intendant persönlich und die Kunsthistorikerin Agnieszka Lulinska verantwortlich. Die Bonner Ausstellung soll anschließend im Kunstmuseum Bern gezeigt werden. Wolfs plant ferner für den Herbst 2018 eine Ausstellung mit neuem Konzept im Martin-Gropius-Bau in Berlin. „Da werden wir ein Jahr nach den Ausstellungen in Bonn und Bern eine Neupositionierung vornehmen können“, hofft Wolfs, der damit rechnet, dass die Ausstellung der Bundeskunsthalle und die Debatten darum „neue Erkenntnisse“ bringen werden.

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