GA-Klimazeitung Darum geht es im Netflix-Film ,,Die wandernde Erde"

Bonn · In dem Netflix-Film „Die wandernde Erde“ bewahren chinesische Helden den Planeten vor einer Kollision mit Jupiter. Technisch spielt das Werk in der ersten Liga.

Im kommenden Jahr, sagen Filmexperten voraus, wird China der umsatzstärkste Kinomarkt der Welt sein. Der bisherige Primus, die USA, steigt dann auf Platz zwei ab. Daraus haben die US-amerikanischen Studios Konsequenzen gezogen und dem blockbustersüchtigen Publikum in China Filme wie „X-Men: Dark Phoenix“ und „Godzilla: King Of The Monsters“ angeboten. Mit Erfolg. Anders als in den USA und Großbritannien, wo die effektvoll aufgedonnerten, aber ästhetisch anspruchslosen Filme von der Kritik geschmäht und vom Publikum weitgehend gemieden wurden, haben die X-Men und Godzilla in China Kasse gemacht.

Das Publikum dort legt offenbar (noch) keinen gesteigerten Wert auf kunstvoll komponierte Handlungen, intelligente Dialoge und klug entwickelte Charaktere. Die Zuschauer schätzen pausen- und atemloses Effektgewitter: bekanntlich eine Kernkompetenz der Filmemacher aus Hollywood. Allerdings sind die Amerikaner nicht mehr allein, wie der chinesische Film „Die wandernde Erde“ von Frant Gwo beweist. Die Verfilmung der gleichnamigen Kurzgeschichte von Liu Cixin lief am 5. Februar 2019 in den chinesischen Kinos an und spielte rund 700 Millionen US-Dollar (625 Millionen Euro) ein.

In Deutschland zeigt sie der Streaming-Dienst Netflix. Man kann die „Wandernde Erde“ als Wink an die Kollegen aus der Traumfabrik ansehen: Seht her, was ihr könnt, können wir jetzt auch. Der Film surft mit auf der im Kino profitablen Klimakatastrophenwelle und erzählt von der drohenden Vernichtung der Erde anno 2070 und von der Rettung des Planeten durch chinesische Helden. Ein Russe spielt auch eine Rolle, aber stirbt, bevor das Werk vollbracht ist. Will sagen: Nur auf die Chinesen können wir bauen. Die Weltregierung beschließt in „Die wandernde Erde“, angesichts dramatischer meteorologischer Entwicklungen – die Sonne droht, die Erde zu verschlingen – den Planeten aus dem Sonnensystem herauszulösen und ihm eine neue Heimstatt in 4,2 Lichtjahren Entfernung einzurichten. Temperaturstürze und Überschwemmungen nötigen die Menschen, Untergrundstädte zu bauen. Die Situation eskaliert, als sich eine Kollision mit dem Planeten Jupiter anbahnt: Apocalypse Now! Höchste Zeit für eine rund zweistündige Rettungsmission, an der maßgeblich eine Familie beteiligt ist: vom Großvater bis zum Enkel.

,,Papa fliegt in den Himmel"

Frant Gwo hat sich von „Blade Runner“, „Star Trek“ sowie von Roland Emmerichs „The Day After Tomorrow“ beeinflussen lassen, ein bisschen auch vom trockenen Humor der Bond-Filme. Der Regisseur mischt Action mit Pathos und sentimentalen Tupfern. „Papa fliegt in den Himmel“, erzählt Liu Peiqiang (Wu Jing) seinem Sohn Liu Qi (Qu Chuxiao), bevor er zu seiner Weltrettungsmission in den Weltraum aufbricht.

Roland Emmerichs Bilder in „The Day After Tomorrow“ waren von gruseliger Schönheit. Eine Flutwelle suchte New York mit geradezu alttestamentarischer Kraft heim. Später sah man die Freiheitsstatue, von Eis und Schnee besiegt: Symbol für die Niederlage menschlicher Hybris. Das gelingt auch in der chinesischen Variante. Frant Gwo zeichnet eindrucksvolle Bilder von endlosen Eiswüsten, gigantischen Hochstraßen und verschneiten Flugzeugtrümmern. Wann immer die Menschen aus den unterirdischen Städten an die Erdoberfläche kommen, friert man mit ihnen. Peking erscheint wie schockgefrostet.

Die visuellen Höhepunkte versöhnen mit den pappkameradenhaft auftretenden Figuren und der nicht abreißen wollenden Kette von krisenhaften Momenten. Die Endzeitstimmungsmelodie verstummt erst mit dem Finale des Films. Der Zuschauer freut sich darüber, dass die Erde im Kino wieder einmal davongekommen ist – der Weg zum Ziel war lang.

Der Film hat die chinesische Zensur ohne Einspruch passiert. Dabei gibt es einen Moment, in dem Liu Peiqiang in seinem Raumschiff einem individualistischen Impuls nachgibt und die Befehle des Bordcomputers Moss beiseitewischt. Es bleibt ein kurzer Ausbruch aus der vorgegebenen Disziplin. Moss – man könnte auch sagen: die Partei – wird nicht wirklich infrage gestellt.

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