Interview Christian Lorenz: „Das Jubiläum ist ein Entdeckerjahr“

Bonn · Seit Anfang dieses Jahres ist der Musikmanager und Dirigent künstlerischer Leiter der Beethoven-Jubiläumsgesellschaft. Im Interview spricht er über seine Pläne und Aufgaben

Sie haben sich als künstlerischer Leiter der Beethoven-Gesellschaft, der Sie seit Januar sind, mittlerweile eingearbeitet. Wie sieht denn Ihr Aufgabenfeld aus?

Christian Lorenz: Die Welt schaut 2020 auf Beethoven, und die Welt schaut auf Deutschland. Und wir haben das große Glück, dieses Beethovenjubiläum von Bonn und von der Region aus gestalten zu können. Das ist auch genau die Aufgabe für das Team der Beethoven-Jubiläumsgesellschaft: die bestehenden Beethoven-Institutionen in ihren künstlerisch-programmatischen Inhalten zu koordinieren und alles zu einem Gesamtjubiläumsprogramm zu fügen, mit dem sich dieses Ereignis eindrucksvoll präsentieren lässt, als nationale Aufgabe mit internationaler Ausstrahlung – bei dem die Menschen der Region in vielfältiger Weise mitgenommen werden. Die Aufgabe ist anspruchsvoll, aber durch die vielen Mitstreiter und Unterstützer mehr als lohnend und machbar!

Wie genau sieht die Koordination aus? Sind Sie da auch beratend tätig?

Lorenz: Wichtig ist zum einen das Koordinieren und Unterstützen der bestehenden Dinge, zum Beispiel der großen Institutionen wie Beethovenfest, Beethoven-Haus, Oper, Beethoven Orchester. Das heißt, dass es da einen ganz engen Austausch gibt. Auch sie werden ja im Jubiläumsjahr durch Mittel, die wir zusätzlich zu den Mitteln der Stadt einbringen können, gefördert. Das gilt natürlich auch für Projekte der freien Szene: Wir werden nicht nur anonym Förderanträge bearbeiten, wir sehen uns in der koordinierenden Aufgabe auch als Serviceeinheit. In den letzten Wochen sind schon viele Menschen mit Ideen auf uns zugekommen, auch um zu fragen, ob sie förderfähig sind. Koordinierend ist natürlich auch der dramaturgische Rahmen, den wir mit fünf Schwerpunkten gesetzt haben. Dadurch können wir profilgebend auf die Angebote Dritter einwirken. Und wir ergänzen die Programme der anderen durch Eigeninitiativen und eigene Projekte.

Der Bund hat ja schon eine große Summe in Aussicht gestellt. Wie viel steht Ihnen denn für die Förderung solcher Projekte zur Verfügung?

Lorenz: Insgesamt kann man die Summe noch nicht benennen, weil die Zuwendungen von Land und Kreis noch nicht definiert sind. Aber die großartige Zuwendung des Bundes und die Mittel der Stadt sind klar. Sie liegen im Projektbereich zusammen über 15 Millionen Euro. Das ist eine gute Basis, um gleichermaßen der Aufgabe der nationalen und internationalen Strahlkraft wie auch der Breitenwirkung gerecht zu werden. Man kann davon ausgehen, dass gerade die Initiativen aus der Bürgerschaft und der Region heraus eine breite Förderung erfahren werden. Und wir warten da nicht nur ab, sondern gehen auf die Gruppen zu. Wir hatten beispielsweise schon Gespräche mit Vertretern der Kirchen und der Sportverbände – auch da wollen wir Kooperationen anregen.

Wie geht man denn ganz praktisch vor, wenn man auf Sie zugehen möchte?

Lorenz: Wir kommunizieren über unsere Website, für die aktuell die technischen Voraussetzungen für das Online-Antragsverfahren geschaffen werden, das für alle Förderprojekte gelten wird. Am 7. Juni werden wir um 18.30 Uhr im Haus der Bildung eine Informationsveranstaltung anbieten, auf der wir das Prozedere der Antragstellung erläutern werden. Im Übrigen sitzt unsere Gesellschaft in der Stadthaus-Loggia – und die Tür steht allen offen. Es ist schon jetzt spannend zu erleben, welche kreativen Ideen gerade aus der freien Szene kommen.

Wie läuft dann die Entscheidungsfindung ab?

Lorenz: Die Gesellschaft richtet einen künstlerischen Beirat ein, der bei allen Projekten beteiligt wird. Zu Förderprojekten spricht er eine Empfehlung aus, bei den Eigenprojekten der Gesellschaft berät er. Am Ende entscheidet der Aufsichtsrat. Im Aufsichtsrat vertreten sind die zuschussgebenden Gebietskörperschaften Stadt, Kreis, Land und Bund sowie das Beethoven-Haus als Gesellschafter.

Sie erwähnten, dass die Beethoven-Gesellschaft auch selbst als Veranstalter in Erscheinung treten wird...

Lorenz: Das ist neben der Koordinierung der zweite Auftrag der Jubiläumsgesellschaft: das Jubiläum mit eigenen Projekten mitzugestalten. Das werden wir in enger Abstimmung mit den bestehenden – und mit einer großen Tradition bestehenden! – Institutionen vor Ort tun. Eigenprojekte sind notwendig, damit aus der Summe der Teilprojekte am Ende eine zusammenhängende große Idee entsteht – Schwerpunkte werden z.B. die Eröffnungs- und die Abschlussveranstaltung des Jubiläumsjahres sein, aber auch „Ankerprojekte“ zu jedem der fünf Schwerpunkte.

Warum überlässt man die Organisation dieser großen Veranstaltungen nicht dem Beethovenfest als Institution mit großer Erfahrung?

Lorenz: Im Zusammenschluss der Zuschussgeber hat man sich darauf geeinigt, eine zentrale Stelle im Sinne der Dachmarke BTHVN2020 zu schaffen – und hat ihr den Auftrag gegeben, diese Groß- und Ankerprojekte zu initiieren. Die Beethoven-Jubiläumsgesellschaft ist dabei nicht als Konkurrenz gedacht, sondern wird als eine Art Turbo noch mal zugeschaltet. Entsprechend haben wir z.B. mit dem Beethovenfest ein enges Miteinander bei der Umsetzung der Veranstaltungen verabredet.

Wird die Jubiläumsgesellschaft bis 2020 sichtbar werden? Ist da so eine Art Countdown geplant?

Lorenz: Einen großen öffentlichen Auftakt planen wir auf der Internationalen Tourismus-Börse Berlin (ITB) im März 2018. Ein erstes Rahmenprogramm wollen wir Ende dieses Jahres bekannt geben, einen Countdown an hinführenden Highlights soll es aber nicht geben, damit das Jubiläumsjahr zwischen Dezember 2019 und Dezember 2020 wirklich als etwas Herausgehobenes wahrgenommen werden kann.

In welche Richtung soll die Reise inhaltlich gehen?

Lorenz: Wir wollen Beethoven nicht nur als größten Sohn der Stadt ehren, sondern Themen aus der Beschäftigung mit Beethoven herauskristallisieren und erlebbar machen. BTHVN2020 ist ein spektakuläres, vielfältiges, einzigartiges und innovatives Weltereignis für alle Menschen; und Bonn kann das Zentrum dieses Weltereignisses werden, von hier sollen die wichtigsten Impulse ausgehen. Wenn man sagt, Beethoven war ein radikaler Künstler, der Grenzen gesprengt hat, wollen wir fragen: Wo sind heute unsere Grenzen und wie können wir sie erweitern? Welche Produktionen können uns mit Inhalten in Verbindung bringen, die Beethoven wichtig waren: Völkerverständigung etwa oder die Werte der Französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Das Beethovenjubiläum ist ein Entdeckerjahr und ein Scharnier, das den Blick in die Vergangenheit mit dem Ausblick in die Zukunft verbindet.

Es laufen in Bonn derzeit zahlreiche Festivals: Beethoven@home, das Jazzfest, das Festival „Elysium“ ist gerade zu Ende gegangen, das Schumannfest steht vor der Tür.

Lorenz: Mit all diesen sind wir auch in Kontakt – und vielen mehr…

Sollen die alle sozusagen unter der Dachmarke der Beethoven-Gesellschaft wahrgenommen werden?

Lorenz: Davon gehen wir aus. Darin liegt ja eine große Kraft, dass viele Menschen mitwirken und wir durch unsere inhaltlichen Schwerpunkte nur gewisse Leitgedanken anbieten. Das ist so, als würde ein großes Team von Dramaturgen mit inhaltlicher Kreativität die seinerzeit von unserem Berater Andreas Hartwig initiierte Dachmarke BTHVN 2020 aufladen. Für Bonn, die Region und für Deutschland kann das Jubiläumsjahr so zu einem kraftvollen Statement werden!

Wo hakt es noch?

Lorenz: Der spürbar große Einsatz für Beethoven verteilt sich vielleicht auf zu viele Einzelinitiativen. Und auch, dass man hier das Potenzial von Stadt und Region grundsätzlich eher kritisch beäugt, statt ein wenig stolz zu sein. Wenn man von außen kommt wie ich, nimmt man das anders wahr: Hier gibt es ein enormes Kulturangebot, eine herrliche Landschaft, es gibt den Rhein als europäischen Strom, es gibt die UN, eine Universität… Das muss man sich manchmal einfach klarmachen. Und als Krönung kommt noch dazu, dass Beethoven hier geboren wurde.

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