Filmkritik: "Junction 48" im Kino Bringt die Wände zum Wackeln

Ab Donnerstag im Kino in der Brotfabrik: Das Nahost-Drama „Junction 48“ von Udi Aloni erzählt eine Geschichte aus Lod, einem Ort unweit von Tel Aviv.

 Ein Paar, ein Lied: Kareem (Tamer Nafar) und Manar (Samar Qupty).

Ein Paar, ein Lied: Kareem (Tamer Nafar) und Manar (Samar Qupty).

Foto: X-VERLEIH

Der Palästinenser Kareem (Tamer Nafar) lebt in Lod, unweit von Tel Aviv. Bis 1948 hieß der Ort Lyd. In diesem Jahr, erfährt man zu Beginn von Udi Alonis Film „Junction 48“, wurden Zehntausende Palästinenser vertrieben, um Platz für jüdische Siedler zu schaffen. Seither ist Lod eine palästinensisch-jüdische Stadt. Spannungen und Konflikte zwischen „48ern“, also Palästinensern und Israelis, sind programmiert.

Kareem, Ende 20, arbeitet in einem Call-Center. Auf dem Weg nach Hause rappt er im Zug, er träumt von einem Dasein als Hip-Hop-Star. Nicht alle sind von seinen Fähigkeiten überzeugt. „Er hält sich für einen Musiker“, sagt einer mit abschätzigem Unterton. Man könnte den noch bei den Eltern lebenden jungen Mann für einen Loser halten.

Kareem-Darsteller Tamer Nafar, der sich als Rapper und Frontmann der Band DAM einen Namen gemacht hat, hat zusammen mit Oren Moverman das Drehbuch für „Junction 48“ geschrieben. Die ersten Minuten des Films erkunden den Kosmos, in dem Kareem sich bewegt.

Die Eltern, alte Kommunisten, leben mit den Symbolen Hammer und Sichel sowie mit einem Lenin-Poster an der Wand. Amnon Zalaits Kamera beobachtet das Drogenmilieu in Lod und begleitet Kareem und Freunde bei einem Bordellbesuch, dem die Hauptfigur sich weitgehend entzieht. Kareem ist mit der schönen Manar (Samar Qupty) liiert.

Der Film des israelisch-amerikanischen Regisseurs Aloni lebt von Kontrasten und Konflikten. Moderne und Tradition stehen ebenso in einem Spannungsverhältnis wie Drogenkonsum und Frömmigkeit, Koks und Koran. „Junction 48“ ist auf Seiten der Palästinenser, bildet aber auch die Perspektive der Israelis ab. Sie manifestiert sich in den gewaltverherrlichenden Texten nationalistischer Rapper („Mein Volk ist mein Blut, meine Droge / Mein Mikrofon ist wie ein Gewehr“) und im aggressiven Gestus von Polizei und Militär. Das Haus eines alten Mannes wird gegen seinen Willen niedergewalzt, es muss einem geplanten Museum für friedliche Koexistenz weichen. Eine bittere Pointe.

Der Tod seines Vaters bedeutet eine Zäsur für Kareem und für seine Mutter. Er wendet sich ernsthaft der Musik zu, arbeitet an seiner Karriere, politisiert sich gleichzeitig und entwickelt Fluchtimpulse: „Ich muss raus aus diesem Mist.“ Die Mutter verwandelt sich in eine muslimische Schamanin, eine religiöse Heilerin. Bisher lediglich angedeutete Konflikte eskalieren: zwischen Drogendealern und zwischen der selbstbewussten, unabhängigen Manar und ihren einem traditionellen Familienbild verpflichteten Cousins; sie würden vor einem „Ehrenmord“ nicht zurückschrecken. Es sind viele Themen, die Udi Alonis Film mit fiebriger Intensität behandelt, fast zu viele für 97 Minuten Laufzeit.

Die Liedtexte in „Junction 48“ spiegeln die Motive des Films: die gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen und die Lovestory zwischen Kareem und Manar. Mal aufgekratzt, mal melancholisch verbindet Tamer Nafars Stimme die Extreme. In Erinnerung bleibt vor allem der motivierende Ton des Songs „Hände in die Luft“: „Hände in die Luft / Erhebt die Stimme / Bringt die Wände zum Wackeln / Weckt die Nachbarn auf.“

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