Mit Energie und Leidenschaft Beethoven Orchester spielt erstes Konzert in der Bonner Oper

Bonn · Bonns Generalmusikdirektor Dirk Kaftan dirigiert das erste Freitagskonzert des Beethoven Orchesters in der Oper, Geigerin Midori glänzt als Solistin.

Beste Stimmung in der Bonner Oper: Dirk Kaftan mit der Geigerin Midori und Musikern des Beethoven Orchesters.

Beste Stimmung in der Bonner Oper: Dirk Kaftan mit der Geigerin Midori und Musikern des Beethoven Orchesters.

Foto: Felix von Hagen

Den Umzug des Beethoven Orchesters von der Interimsspielstätte Nr. 1, dem WCCB, ins Interim Nr. 2, die Bonner Oper, dürften nur wenige Zuhörer, die am Freitag beim ersten Konzert an diesem Ort dabei gewesen sind, bedauert haben. Dass die Stimmung im Saal ausgezeichnet war, lag aber nicht nur daran, sondern auch an den musikalischen Darbietungen des Beethoven Orchesters unter Leitung von Dirk Kaftan und der Geigerin Midori als erstklassige Solistin in Pjotr Iljitsch Tschaikowskis Violinkonzert.

Das Programm dieser ausverkauften Freitagskonzert-Premiere im Opernhaus war überhaupt russisch geprägt und begann mit dem für die Salzburger Festspiele 1985 komponierten Stück „(K)ein Sommernachtstraum“ des Wolgadeutschen Alfred Schnittke. Das Werk ist ein Stück Erinnerungsarbeit an die glücklichste Zeit im Leben des Komponisten, die er 1946 bis 1948 als Halbwüchsiger in Wien verbrachte. „Als musikalischer Grundton blieb in mir ein gewisser Mozart-Schubert-Sound in Erinnerung, den ich jahrzehntelang mittrug“, erinnerte er sich später. Verräterisch ist da die solistisch vorgetragene eigene kleine, unschuldige Geigenmelodie im Stile Mozarts. Sie erklang hübsch naiv im Ton, sodass der Kontrast zu den späteren albtraumhaften Abschnitten mit seinen dramatischen Klangschichtungen wirkungsvoll herausgearbeitet wurde.

Der Solist der Uraufführung von Tschaikowskis Violinkonzert, Adolph Brodsky, reagierte – anders als das zeitgenössische Publikum und die Kritik – euphorisch auf das Werk: „Man kann es endlos spielen und wird nicht müde.“ Mit der Japanerin Midori betrat eine Musikerin die Bühne, die es ähnlich sieht. Seit vielen Jahren gehört es zu ihrem festen Repertoire. Jeder Ton des mit technischen Schwierigkeiten, wilden Trillerfiguren, artistischen Bogenstrichen, schwierigen Flageolettepisoden gespickten Werkes sitzt perfekt.

Die Kadenz nach der Durchführung im ersten Satz bot da jede Menge Anschauungsmaterial. Midori ist eine brillante Geigerin, bei der tiefe Versenkung in die Musik und Virtuosität Hand in Hand gehen. Sie zeigt, dass man dieses Werk glutvoll, emotional und ausdrucksvoll spielen kann, ohne es zu sehr mit Sentiment zu überzuckern – nicht einmal in der wunderbar gesanglich gespielten Canzonetta. Dafür erhielt sie begeisterten Applaus vom Publikum, für den sie sich mit zunächst mit dem Preludio aus der Partita in E-Dur für Solovioline von Johann Sebastian Bach bedankte.

Filmmusik als Zugabe

Dieser hinreißenden Darbietung folgte noch eine zweite Zugabe, die sie mit Hitoshi Ooka aus den ersten Geigen des Orchesters – der zu ihren zahlreichen Schülern zählt – und Kaftan am Klavier spielte: Es handelte sich um zwei Stücke Dmitri Schostakowitschs aus der Filmmusik zu „Die Hornisse“, wie Midori selbst auf sehr sympathische Weise ankündigte.

Außerdem erzählte sie, dass sie am Samstag mit Musikern des Orchesters und Kaftan drei Bonner Institutionen besuchen werde. Eine Schule, ein Jugendheim und ein Altersheim. Und am Sonntag war sie wieder Solistin im Tschaikowski-Konzert und außerdem Gesprächspartnerin Kaftans in der neuen Sonntagsreihe „Im Spiegel“ und gab unter anderem Auskunft über ihre Aufgaben als UN-Friedensbotschafterin.

Das Freitagskonzert indes fand sein Ende mit Schostakowitschs sechster Sinfonie. Nach dem Schostakowitsch-Zyklus des einstigen Bonner GMD Roman Kofman (2003-2008) mit allen 15 Sinfonien schien für eine Weile ein gewisser Überdruss an diesen Werken entstanden zu sein. Davon war nun nichts mehr zu spüren. Man hörte sich hinein in die musikalische Welt des russischen Komponisten, der sich in diesem Werk wenig um sinfonische Konventionen schert.

Als „Rumpf ohne Kopf“ bezeichneten Zeitgenossen das dreisätzige Werk, weil er mit einem langsamen Satz beginnt und ihrer Meinung nach ein erster Satz fehle. Aber gerade dieses grüblerisch-melancholische „Largo“ wurde in der Interpretation durch Kaftan und das Beethoven Orchester zu einem intensiven Erlebnis. Dass dieses Werk 1939 mitten in der Zeit des Terrors entstand, hört man diesem Largo deutlicher an, als dem ironischen Scherzo und dem grotesken Finale, die das Beethoven Orchester unter Kaftans präziser und souveräner Führung mit allergrößter Energie und Leidenschaft spielte. Und das Publikum in der Oper zeigte sich begeistert.

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