Theaterpremiere Astrid Lindgrens Klassiker "Die Brüder Löwenherz" auf der Bühne

Bonn · Mit seiner Bühnenversion des bewegenden Jugendbuches der schwedischen Schriftstellerin beweist das Junge Theater viel Mut

 Starke Brüder: Krümel (Aurel Bender,links) und Jonathan (Ricardo Rausch).

Starke Brüder: Krümel (Aurel Bender,links) und Jonathan (Ricardo Rausch).

Foto: jtb

Selten fließen im Jungen Theater gleich zu Beginn so viele Tränen wie bei der Premiere von „Die Brüder Löwenherz“. Niemand im Publikum bleibt unberührt, wenn die jungen Hauptdarsteller Aurel Bender und Ricardo Rausch eine unsterbliche Bruderliebe wunderbar lebendig in Szene setzen, wenn der todkranke Krümel sich, nur getröstet von den Erzählungen Jonathans, in den Schlaf hustet, wenn der große Bruder schließlich dem kleinen das Leben rettet und so noch vor ihm in Nangijala ankommt. Die Mutter der beiden (Katharina Felschen) bleibt trauernd allein zurück.

Das Thema Sterben sei Kindern nicht zuzumuten, hieß es, als Astrid Lindgrens Roman 1973 erschien, dabei gehörte der Tod schon immer zur Kinderliteratur. Doch während sich das Märchen damit sehr leicht tut – Schneewittchen wird wieder lebendig, als ihr das vergiftete Apfelstück aus dem Mund fällt – und autoritär geprägte Kinderbücher wie der „Struwwelpeter“ die Angst vor dem Tod als bequemes Erziehungsmittel missbrauchen, so durchkreuzen „Die Brüder Löwenherz“ auf fantasievolle Weise das Tabu, ermöglichen eigene Sichtweisen von Tod und Trauer.

In Bonn wollen Moritz Seibert (Bühnenbearbeitung) und Regisseurin Konstanze Kappenstein ebenso wie Lindgren nicht entscheiden, ob Nangijala ein echtes Leben nach dem Tod ist oder nur im Kopf des sterbenden Krümel stattfindet. Wo hört die Realität auf, fängt der Traum an? Nicht wichtig. Die Inszenierung konzentriert sich auf die Themen, die Theater am besten einfangen kann: Beziehungen, Gefühle, Liebe und Mut. Nicht die Art von Mut, die keinerlei Furcht kennt, sondern jene, die darin besteht, alles Notwendige zu tun, um trotz aller Angst dem Bösen entgegenzutreten.

„Gewisse Dinge müssen getan werden, selbst wenn sie gefährlich sind, denn sonst bist du kein Mensch, sondern ein Nichts“. Das sagen sich Jonathan und Krümel immer wieder, wenn es brenzlig wird. „Die Brüder Löwenherz“ ist auch eine Abenteuergeschichte mit wilden Ritten, Baden unter Wasserfällen und Kriechen durch unterirdische Gänge. Diese Märchenwelt des Kirschtals bleibt im Jungen Theater weitestgehend der Vorstellungskraft überlassen. Zwei Tretroller sind die Pferde, ein drehbares Podest mit schräger Oberfläche und Unterkonstruktion aus vielen Holzbalken dient als Elternhaus, Kirschtal, Heckenrosental, Katlas Höhle und alles andere in Nangijala. Das ist nicht viel für die Augen, aber das hervorragende Ensemble beschwört auch mit wenigen, klug eingesetzten Ausstattungsstücken und Lichteffekten genau die Stimmungen herauf, die der jeweiligen Szene angemessen sind. Sandra Kernenbach und Thomas Kahle als Tengils finstere Knechte Kader und Veder strahlen mit viel Einsatz von Körper und Stimme in einem Moment gruselige Bösartigkeit und im nächsten lächerliche Einfalt aus. Die kurzen komischen Atempausen tun dem melancholischen Stoff gut. Rote Lichtschwerter und andere Star-Wars-Zitate? Geschenkt.

Getragen wird die Aufführung durch das intensive und authentische Spiel von Krümel Aurel Bender und Jonathan Ricardo Rausch. Und wenn der Kleine am Ende den tödlich verletzten Großen nach Nangilima trägt – „Ich sehe das Licht!“, dann sind die Tränen vom Anfang längst getrocknet. Erwachsene mögen auch das Ende zum Heulen finden, ihre jungen Leser, so Astrid Lindgren, hätten es immer als glücklich empfunden.

Die nächsten Vorstellungen: 25. April, 4., 5. und 6. Mai. Karten gibt es bei Bonnticket.

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