Konzert im Kölner Tanzbrunnen Arcade Fire mit neuen Songs in Köln

Köln · Die Ausnahmeband aus dem kanadischen Montreal befeuert die Laune ihrer Fans beim Open-Air-Auftritt im Kölner Tanzbrunnen mit vielen bekannten Nummern und drei Stücken aus dem kommenden Album "Everything Now".

 Tanzbare Rhythmen: Régine Chassagne und Win Butler von der kanadischen Band Arcade Fire im Kölner Tanzbrunnen.

Tanzbare Rhythmen: Régine Chassagne und Win Butler von der kanadischen Band Arcade Fire im Kölner Tanzbrunnen.

Foto: Thomas Brill

Ein bisschen Geduld mussten die etwa 12 000 Fans vor der Open-Air-Bühne im Kölner Tanzbrunnen schon mitbringen, als sie am Freitagabend auf den Auftritt der kanadischen Indie-Band Arcade Fire warteten. In der Songschleife, mit der das Publikum derweil unterhalten wurde, tauchte irgendwann Abbas "Gimme Gimme Gimme" auf, das schon Madonna für ihren Hit "Hung Up" verwendet hatte. Wohl kein Zufall: Auch Arcade Fires neuer Song "Everything Now" von ihrem demnächst erscheinenden gleichnamigen Album ist eine tiefe Verneigung vor den Schweden - selbst wenn sie trotz hörbarer Anleihe an "Dancing Queen" ganz ohne originales Abba-Sample auskommen.

Als Frontmann Win Butler, seine Frau Régine Chassagne und ihre Bandgefährten mit einiger Verspätung gegen 20.30 Uhr auf die Bühne kommen, starten sie mit diesem neuen Song, dessen melancholischer Text in seinem seltsamen Missverhältnis zur gut gelaunten Melodie des Songs steht. Mit ihrer neuen Platte, die unter anderem von dem Daft-Punk-Musiker Thomas Bangaltar mitproduziert worden ist, setzen Arcade Fire offenbar ihren Weg fort, der sie von Art-Rock- und Folk-Elementen der frühen Jahre mit dem 2013er Album "Reflektor" hin zum Dancefloor führte. Die beiden weiteren neuen Stücke, "Signs of Life" und "Creature Comfort", die sie bei ihrem Kölner Auftritt noch spielen werden, sind ebenfalls solche etwas doppelbödigen Gute-Laune-Nummern.

Der zweite Song "Rebellion (Lies)" führt jedoch erst einmal erst einmal zurück in die frühen Jahre des ersten Albums "Funeral", als elektronisch generierte Beats noch nicht zum stilistischen Repertoire der Band gehörten. Win Butlers Stimme wird getragen von den einer Gruppe aus erstklassigen Musikern, zu der neben dem Protagonisten-Paar unter anderem Bruder William Butler und vier weitere Musiker zählen, die alle mehrere Instrumente beherrschen. Die fast schon orchestrale Vielfalt macht den Sound der früheren Songs so besonders.

In "Haiti" steht die meist Keyboard spielende Multiinstrumentalistin Régine Chassagne am Mikrofon, es ist eine traurige Liebeserklärung an ihre Heimat, aus der die ganze Familie vor dem Diktator Jean-Claude "Baby Doc" Duvalier fliehen musste. In "Windowsill" aus dem Album "Neon Bible" sitzt sie am Schlagzeug, das sie außerordentlich temperamentvoll zu bedienen versteht. Danach, beim Titelsong "Neon Bible" steht Régine Chassagne tänzelnd vor dem auf der Leinwand aufleuchtendem Neon-Symbol des Albums, wie, um es anzubeten.

Lieder von Langeweile und Gewalt in den Vorstädten

Dass Sänger und Gitarrist Win Butler ebenfalls mehrere Instrumente zu bedienen versteht, zeigt er ganz eindrucksvoll beim Titel "Suburbs" vom gleichnamigen Album aus dem Jahr 2010 am E-Piano. Das Konzeptalbum "The Suburbs", das unter anderem von Langeweile und Gewalt in den Vorstädten erzählt, ist das künstlerisch bislang großartigste Werk der Band. Der klangliche Facettenreichtum auf diesem Album ist gewaltig, die Atmosphäre unglaublich dicht, Tristesse und Schönheit gehen hier eine unwiderstehliche Verbindung ein, was schon bei diesem Eröffnungsstück des Albums, dessen Reprise sie in Köln gleich dranhängen, zu vernehmen ist.

Der darauf folgende Titel "Ready to Start" ist ein Beispiel für die eindrucksvollen Basslinien, die Arcade Fire in ihrer Musik so gern spinnen. Butler wandte sich auch gelegentlich ans Publikum, zum Beispiel, als er es aufforderte, Fragen zu stellen. Bei den Antworten blieb er jedoch einsilbig: "Ich kann dich nicht hören. Nächste Frage."

Einer der die besonderen Talente dieser außergewöhnlichen Band aus Montreal früh erkannte, war David Bowie. Als die Band 2013 das Album "Reflektor" herausbrachte, war der seit Längerem schon abgetauchte Musiker plötzlich im Titelstück als Backgroundsänger zu erleben - wie aus einer anderen Welt. Sie spielten diese Nummer, deren Beats beim Publikum den Weg ohne Umwege übers Ohr in die Beine fanden, auch in Köln. Dass trotz elektronischer Aufrüstung die instrumentalen Künste in dieser Phase der Band nicht komplett vernachlässigt werden, zeigt allein schon die in ihrem rasanten rhythmischen Minimalismus schwer zu spielende Orgelbegleitung in "Afterlife".

Nach den beiden Neuvorstellungen aus dem kommenden Album folgten erneut vertraute Klänge aus der Frühzeit: mit "Neighborhood #3 (Power Out)" und dem von Régine Chassagne sphärisch gesungenen "Sprawl II (Mountains Beyond Mountains)". Da war es schon fünf vor zehn. Und weil man in Köln, wie Win Butler weiß, streng ist mit der Schlusszeit, blieb nur noch "Wake Up" als eine Art Zugabe, die vom Publikum noch lange weitergesungen wurde, nachdem die Band die Bühne verlassen hatte.

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