Konzert im World Conference Center Bonn Abschied von der Welt

Bonn · Mit Mahlers "Lied von der Erde" ging das Beethoven Orchester am Freitagabend im großen Saal des WCCB in die Tiefe und versetzte das Publikum in unbekannte Sphären.

 Wärme und Kraft: Die Sänger Gerhild Romberger und Thomas Mohr.

Wärme und Kraft: Die Sänger Gerhild Romberger und Thomas Mohr.

Foto: Felix von Hagen

Von Franz Schubert und Gustav Mahler könnte man sagen, sie seien Seelenverwandte. Ihre Sprache ist die Melancholie, ihr Lebensthema die Zerrissenheit der Welt, vor allem in ihren letzten Werken. Beim ersten Freitagskonzert des Beethoven Orchesters im neuen Jahr im großen Saal des WCCB vermied Chefdirigent Christof Prick trotz der Koppelung der beiden Komponisten, den Weltschmerz ins Unerträgliche zu steigern, indem er Mahlers „Lied von der Erde“ ein frühes Werk Schuberts vorausschickte, das sich noch entschieden gut gelaunt gibt. In seiner dritten Sinfonie verzichtete der zur Zeit der Komposition erst 18-jährige Schubert sogar auf einen langsamen Satz und setzte stattdessen an zweiter Stelle ein sehr munteres Allegretto, das Christof Prick mit folkloristisch tänzerischem Elan musizieren ließ.

In den übrigen drei Sätzen war das nicht anders, woran die herrlich aufspielenden Holzbläser einen ganz besonderen Anteil hatten. Hier erstrahlt für Schubert die Welt noch in hellstem Sonnenlicht.

Anders in Mahlers „Lied von der Erde“, das er am Ende seines Lebens nach Versen aus Hans Bethges Sammlung „Die Chinesische Flöte“ komponierte. „Dunkel ist das Leben, ist der Tod“ ist eine immer wiederkehrende Zeile aus der ersten Nummer, dem „Trinklied vom Jammer der Erde“. Das Lied ist expressives Aufbäumen und Trauer, was der kurzfristig für Dominik Wortig eingesprungene Thomas Mohr, der in früheren Jahren einmal dem Bonner Opernensemble angehörte, mit viel Kraft in der Stimme zum Ausdruck brachte.

Dass er früher einmal Bariton war, verleiht seiner heutigen Heldentenorstimme eine besondere, in den tieferen Lagen dunkel grundierte Färbung und Kraft in den Höhen. Dass ihm beim „Dunkel“ der letzten „Trinklied“-Zeile die Stimme nicht gehorchen wollte, blieb eine unglückliche Miniaturepisode. Beeindruckend, mit welchem Ausdruck und wie sicher er „Der Trunkene im Frühling“ sang.

Die Altistin Gerhild Romberger war ebenfalls als Einspringerin (für Ingeborg Danz) nach Bonn gekommen. Ein absoluter Glücksfall für die Aufführung. Mit mehr Wärme lassen sich die Mahler'schen Lieder kaum singen.

Schon in „Der Einsame im Herbst“ machte ihre Stimme ergriffen, die Sängerin gestaltete das klagende Melos des Liedes mit großem Atem, perfektem Gefühl für die Phrasierung. Und wenn Mahler im Lied „Von der Schönheit“ das groß besetzte Orchester auch mal die Muskeln spielen lässt, besitzt ihre Stimme genügend Reserven, um da mitzuhalten.

Am beeindruckendsten erlebte man ihre Interpretationskunst freilich im Schlusslied, dem allein schon wegen seiner halbstündigen Ausdehnung eigentlich nichts Liedhaftes mehr eigen ist. Es heißt „Abschied“ und ist einer von der Welt, von der Musik, vom Leben. Das Orchester grundierte diesen Satz zunächst mit nicht zuletzt durch Harfen und Kontrafagott bedrohlich klingenden Bassflächen, aus denen sich Rombergers Stimme ausdrucksvoll erhob. Ihr unendlich trauriger Gesang, dem Prick und das sehr differenziert spielende Orchester sich überaus klangsensibel anschmiegten, ließ wohl niemanden im Saal unberührt.

Und wenn am Ende die Musik mit dem mehrmals wiederholten Wort „ewig“ leise verklingt, wähnt man sich fast in einer anderen Welt, aus der einen erst der Applaus wieder zurückholt.

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